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Adenstedt, Ingrid; Thür, Hilke [Hrsg.]; Rathmayr, Elisabeth [Hrsg.]; Kanitz, Ernst [Hrsg.]
Hanghaus 2 in Ephesos, die Wohneinheit 6: Baubefund, Ausstattung, Funde (Band 8,9: Textband 2): Textband 2 — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.46291#0419
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XXIII Das späthellenistische Hofhaus auf der Fläche der WE 6, die kaiserzeitliche WE 6, die Besitzerfamilie

Ob die Wandmalereifragmente aus der Grabung im N-Umgang und im Innenhof zur Ausstattung desselben Gebäudes gehörten, ist nicht
mehr festzustellen, aber wahrscheinlich. Auch das Merkmal, dass an den Stücken aus der Grabung im N-Umgang keine Brandspuren
wie an jenen aus dem Innenhof und der Grabung für F6/6 festzustellen sind, spricht nach Meinung der Verf. nicht dagegen, da sich eine
Brandzerstörung nicht im gesamten Gebäude ausgewirkt haben muss, wie gerade die Befunde der kaiserzeitlichen Wandmalereien im
H 2 zeigen29.
Außer diesen Strukturen und Ausstattungselementen stammen auch Funde späthellenistischer Zeitstellung aus den in der WE 6 durch-
geführten Grabungen. Im Zuge der Sondierung im N-Umgang des Peristylhofs 31a wurde neben Keramik und Kleinfunden auch ein
größerer Marmorblock gefunden, auf dem sich die Standspur einer dorischen Säule abzeichnet und der daher einen Stylobatblock dar-
stellt30 (Taf. 389.18a-b). Wahrscheinlich gehörte er zu dem rekonstruierten hellenistischen Peristylhof. Ebenfalls dem Bauzusammenhang
dieses späthellenistischen Gebäudes zuzuweisen ist wahrscheinlich die Türpfanne aus Bronze B 21 (Taf. 226). Darüber hinaus setzen sich
auch die anderen Kleinfunde und die Terrakotten aus den hellenistischen Schichten aus Objekten zusammen, die typisch für Inventare
von Wohnhäusern sind31. Das gleiche betrifft auch die Keramik- und Glasfunde: Erstere umfassen Tafelgeschirr, Koch- und Gebrauchs-
keramik32, letztere mit Schliffrillen- und Rippenschalen ausschließlich Tafelgeschirr33. Aus den späthellenistischen Kontexten stammen
auch archäozoologische Reste, die im Kontext eines hellenistischen Peristylhauses als Haushalts- bzw. Tischabfall interpretiert werden
können. Von Bedeutung ist, dass in späthellenistischer Zeit kleine Haus Wiederkäuer bevorzugt wurden, während in der Kaiserzeit bei den
Bewohnern des H 2 der Konsum von Schweinefleisch deutlich in den Vordergrund tritt34.
Die Datierung der hellenistischen Vorgängerbebauung und ihre absolutchronologische Abgrenzung zur WE 6 ist durch die zeitliche
Stellung der Keramikfunde aus ungestörten Schichten der Sondage im Innenhof von 31a möglich35. Unter dem Marmorboden wurde fol-
gender Schichtverlauf angetroffen: Unter der 8 bis 10 cm hohen Rollierung und dem Estrich für den Marmorboden des kaiserzeitlichen
Peristyls lag eine Aufschüttung aus lockerer Erde und Ziegelbruch. Im westlichen Teil der Sondage befand sich bei 0.45 m unter dem
Marmorboden eine bis zu 0.25 m hohe Brandschuttschicht, die den hellenistischen Mosaikboden bedeckt, von dem sich einzelne Tes-
serae auch in der Brandschuttschicht befanden. Derselbe Schichtverlauf wurde bei der Erweiterung der Grabung nach Osten und Süden
beobachtet, wobei im Osten der Mosaikboden aufgrund des Einbaus eines N-S-Kanals zerstört war. Von Bedeutung für die Chronologie
des Mosaiks ist, dass in diesem Teil der Sondage unter der Brandschuttschicht und damit unter dem hier ausgerissenen Mosaikboden
eine Lehm-Erdeschicht freigelegt wurde. Aus dieser stammt Keramik, die in die erste Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. datiert werden kann36,
weshalb von einer Verlegung des Bodens im 1. Jh. v. Chr. auszugehen ist. Die Keramik aus der darüber liegenden Brandschuttschicht und
aus der Aufschüttung unter der Unterkonstruktion des Marmorbodens wird zwischen der augusteisch-tiberischen Zeit und dem mittleren
1. Jh. n. Chr. datiert37. Bis auf eine ESB-Steilrandschale der Form Atlante 58, einer langlebigen Form, deren Produktion um die Mitte des
1. Jhs. n. Chr. beginnt, sind alle anderen Keramikgefäße in die 1. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. zu datieren. Die Aufgabe des Mosaikbodens
sowie der mit dem Boden in Zusammenhang stehenden Baureste an der W- und S-Seite, sind wahrscheinlich auf eine Brandkatastrophe
zurückzuführen38. Diese wird durch die bis zu 0.25 m hohe Brandschicht in der Sondage im Innenhof von 31a angezeigt. Die das spät-
hellenistische Gebäude zerstörende Katastrophe ist wahrscheinlich in dem Erdbeben zu sehen, das sich 23 n. Chr. unter Kaiser Tiberius
ereignete39 und große Schäden in der nur unweit vom H 2 entfernten Unteren Agora von Ephesos verursachte40 und auch zur Aufgabe des
späthellenistischen Peristylhauses, das sich auf dem Areal der sog. domus im H 1 befunden hatte, geführt haben dürfte41. Während die
für Bauaktivitäten (Errichtung des Peristyls, Plattenboden im Innenhof und Stylobat) dieser Bauphase heranzuziehenden keramischen

29 Es handelt sich bei diesen um die Erdbebenzerstörungen im 3. Viertel des 3. Jhs. n.
Chr.; zu den Zerstörungsschäden an den Wandmalereien s. Zimmermann.
30 Der Block wurde sekundär als Kanalabdeckung verwendet. Er misst
77 x 77 x 7 cm. Auf dem Block zeichnet sich die Standspur einer dorischen Säule
ab. Aufgrund des unteren Durchmessers von 0.51 m kann eine Säule mit einer
Höhe von ca. 3.60 m rekonstruiert werden. Der Block kann bei der Errichtung
des Kanals in Bauphase I verbaut worden sein und dann von einem älteren Bau
stammen, aber ebenso gut auch im Zuge einer späteren Reparatur verwendet wor-
den sein. Eine unmittelbar mit der Versetzung des Blockes in Zusammenhang
stehende stratigraphische Schicht, die diese Frage klären könnte, gibt es leider
nicht; s. Waldner, Kap. XIII.2.
31 Unter diesen sind Spielsteine, Spinnwirtel, Bronzeringgriffe (B 17 bis B 24) und
die Terrakotten TK 26 bis TK 34 mit der Statuette einer Aphrodite zu nennen;
s. Rahtmayr, Kap. XIV (Terrakotten) und XVIII (Kleinfunde).
32 Waldner, Kap. XV.
33 Schätzschock, Kap. XVII. 1 Kat. G 1 bis G 4.
34 Galik u. a., Kap. XXL
35 Die Stratigraphie stützt sich auf den Grabungs- und Fundbericht von Outschar,
Grabungs- und Fundbericht, die bereits eine grobe Datierung der Keramik vorge-
nommen hatte; im Rahmen der Publikation der WE 6 wurden die Keramikfunde
aus dieser WE basierend auf den jüngsten Ergebnissen zur ephesischen Keramik-
forschung von Waldner, Kap. XV bearbeitet.
36 Waldner, Kap. XV, Fundkomplex H/6.
37 Waldner, Kap. XV (Fundkomplex BI/9, BI/10).
38 Dies vermutete bereits Outschar, Grabungs- und Fundbericht, S. 15 (Grabungs-
bericht), in ihren Schlussfolgerungen zu dieser Grabung am Ende des Gra-

bungsberichtes: „Zerstörung...durch eine Naturkatastrophe oder im Zuge eines
Neubaues, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Zahlreiche verbrann-
te WM- und Keramikfragmente lassen aber ersteres nicht unwahrscheinlich er-
scheinen“.
39 Unter Tiberius sind zwei Erdbeben für Kleinasien belegt: Eines im Jahr 17 n. Chr.,
von dem 12 lydische Städte betroffen waren, und eines 23 n. Chr., das Ephesos
und Kibyra in Mitleidenschaft gezogen hatte (Tact. ann. 4.13.1); alle 14 Gemein-
den errichteten 29 n. Chr. ein Monument als Dank für die Unterstützung des Kai-
sers beim Wiederaufbau auf dem Forum lulium in Rom (CIL X 1624 = ILS 156);
zu diesem Monument s. W. Eck, Monument und Inschrift (2010) 64.
40 Zu den Zerstörungen der Agora und dem Erdbeben von 23 n. Chr. unter Tiberius
s. Scherrer - Trinkl, Tetragonos Agora, 7 mit Anm. 67, wonach der nach dem
Erbeben verlegte Boden der Agora frühestens in claudische Zeit datiert werden
kann; bei mehreren zusammengehörenden Inschriften aus Ephesos, die ursprüng-
lich im Artemision publiziert worden waren, handelt es sich um ein Dekret aus
der Regierungszeit des Kaisers Tiberius; die in der Liste angeführten Geldspen-
den gingen in die „Bank“ des Artemisions. „Aus den Zinseinkünften wurde etwas
finanziert, was dauernde Erinnerung an ein ganz bestimmtes Ereignis wachhalten
sollte. Denkbar wäre, dass man in geeigneter Weise die dankbare Erinnerung an
die tatkräftige Hilfe verewigen wollte, die Kaiser Tiberius der Stadt nach Erdbe-
bennot geleistet hatte.“ Aus der Inschrift (Inv. 4567) geht ferner hervor, dass Tibe-
rius die Grammatie ausgeübt und einen Priester, einen Archiereus für seinen Kult
erhalten hatte; s. D. Knibbe - H. Engelmann - B. jpi.iKCiOGi.u, Neue Inschriften
aus Ephesos XI, ÖJh 59, 1989, BeibL, Nr. 37 198-210 bes. 206 f.
41 Lang-Auinger, Hanghaus 1,91.

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