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IIAUSGRABUNGS- UND FORSCHUNGSGESCHICHTE

(Martin Steskal)
11.1 Forschungen bis 1954
Während bereits früh Spekulationen über die Lokalisierung des ephesischen Prytaneions angestellt wurden,
sollte die tatsächliche Identifizierung des Gebäudes erst ein gutes halbes Jahrhundert nach Beginn der ös-
terreichischen Forschungen in Ephesos erfolgen62. So vermutete J. T. Wood in seiner Publikation von 1877
das Prytaneion noch im Badblock des Theatergymnasiums63; J. Keil wiederum identifizierte das Prytaneion
1923 zunächst mit dem sog. Maceilum westlich des Stadions64 und schließlich 1939 mit dem Peristylhaus
oberhalb des Theaters65. Es blieb somit F. Miltner vorbehalten, diese zentrale topografische Frage in den
Grabungsjahren 1955/1956 endgültig zu klären66.
11.2 Franz Miltner 1955-1956
Der Beginn der von F. Miltner geleiteten Grabungsarbeiten im Bereich des Prytaneions, die zur späteren
Identifizierung des Gebäudes führen sollten, ist mit dem 21. 9. 1955 bestimmt67. Von der noch völlig unaus-
gegrabenen Ruine zeigt sich zunächst nur ein einzelner Säulenschaft (KatNr. A 23). Der Ausgräber fasst in

62 Zur Forschungsgeschichte von Ephesos: G. Wiplinger - G. Wlach, Ephesos. 100 Jahre österreichische Forschungen 2(Wien
1996); Knibbe 1998; T. Wohlers-Scharf, Die Forschungsgeschichte von Ephesos. Entdeckungen, Grabungen und Persönlich-
keiten, Europäische Hochschulschriften 38, 54 2(Frankfurt 1996); Alzinger 1962; cf. auch U. Quatember, Zur Grabungstätigkeit
Franz Miltners an der Küreten Straße, in: Brandt - Gassner - Ladstätter 2005, 271-278.
63 J. T. Wood, Discoveries at Ephesus Including the Site and Remains of the Great Temple of Diana (London 1877) 102: »On
the east side of the Forum (gemeint ist das Areal der Verulanushallen, Anm. d. Verf.) and near the great Theatre there are the
remains of a very fine stone building which I believe was either the Prytaneum or the Curia. It is about 250 feet square, which
is, singularly enough, the size of many of the public buildings in the city. The solid piers of masonry, of which many remain,
are particularly well built of large blocks of marble. It was probably erected about the same time as the great Gymnasium,
which I assign to the first Century of the Christian era.” Dem widerspricht J. Keil, Ephesos. Ein Führer durch die Ruinenstätte
und ihre Geschichte (Wien 1915) 52 f.
64 J. Keil, Die Agora. Inschriften, in: FiE 3 (Wien 1923) 155 Bezug nehmend auf IvE 3071: »Den Angaben unserer Inschrift und
der allgemeinen Erwägung, daß das Prytaneion nicht allzu weit von der Stadtebene zu suchen sein dürfte, würde z. B. ein
Ansatz auf dem Hügel westlich von Stadion, der von Westen her durch einen teilweise in den Fels gehauenen Weg zugänglich
war und auf seiner Höhe einen von Säulenhallen umgebenen Rundraum trug, gut entsprechen.«
65 Keil 1939, 119-128 bes. 123: »Völlig ausgeschlossen wäre es nicht, dass wir in dem nur teilweise ausgegrabenen Gebäudekom-
plex oberhalb des Theaters das Prytaneion zu erkennen hätten.«
66 Zur Forschungsgeschichte des Prytaneions s. Miltner 1958a, 27 f. 41-43; Alzinger 1962, 221-229; Alzinger 1972-1975,
232-235; Bammer 2008, 165-170. - Grundlage der folgenden Forschungsgeschichte bilden neben den vorläufigen Grabungsbe-
richten die handschriftlichen Tagebücher und brieflichen Korrespondenzen, die Fotodokumentation, Zeichnungen und Skizzen
von Architekturgliedern sowie Grundrisspläne. Die angeführten Quellen werden heute im Dokumentationsarchiv des ÖAI in
Wien verwahrt und können dort eingesehen werden. Mit der ausführlichen Vorlage der unpublizierten Archivalien soll der
Fachwelt ermöglicht werden, Einblick in die jeweiligen Erkenntnisprozesse zu erhalten. Die Schlüsse und Ergebnisse dieser
Forschungen decken sich selbstverständlich nicht immer mit den Resultaten, die seit 2007 erzielt werden konnten.
67 F. Miltner, Tagebucheintrag vom 21. 9. 1955: »Etwas westlich des Hochpflasters und 25 m nordwärts von diesem wird eine
Ecksäule (mit üblichem herzförmigen Querschnitt) im Hang gefunden. Da manches dafür spricht, dass sie noch in situ steht,
wird aufgegraben.« - An den Arbeiten vor Ort beteiligt sich neben dem Leiter F. Miltner (1955): F. Gschnitzer (Epigrafik).
Gschnitzer publiziert später maßgeblich zum Amt der Prytanie: RE Suppl. XIII (1973) 730-816 s. v. Prytanis (F. Gschnitzer);
F. Gschnitzer, Prytanen. Ein Beitrag zum geschichtlichen Verständnis griechischer »Staatsaltertümer«, in: F. Hampl - I. Weiler
(Hrsg.), Kritische und vergleichende Studien zur Alten Geschichte und Universalgeschichte (Innsbruck 1974) 75-88.
 
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