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III BAUBEFUND UND BAUBESCHREIBUNG

(Martin Steskal)
III.l Vorbemerkung
Das 1170 m2 große Prytaneion in Ephesos besaß einen klar akzentuierten Grundriss, der erst in späterer Zeit
komplex überformt wurde (Taf. 30. 31. 249-254). Die sich im Norden des Gebäudes befindlichen Raumein-
heiten konnten über einen Vorhof im Süden und eine nördlich anschließende Vorhalle erschlossen werden223.
Über die Vorhalle gelangte man in den im Osten befindlichen >Hestiasaal< (Raum 1) sowie in den später
abgemauerten Querraum nördlich davon (Räume 2, 3 und 4). Westlich des >Hestiasaales< befanden sich
ursprünglich zwei Räume (Raum 5 und 6), wobei der nördliche Teil des nördlichen Raumes 5 in späterer
Zeit in zwei kleinere Raumkompartimente unterteilt wurde (Raum 5A und 5B). Das stark von Süd nach
Nord ansteigende Gelände bedingte auch unterschiedliche Nutzungsniveaus: So lag das Nutzungsniveau der
nördlichen Räume 2, 3 und 4 um bis zu 1,30 m höher als in den benachbarten Räumen 5 und 6 sowie im
>Hestiasaal< und war nur über Treppen zu erreichen. Die Ausrichtung der Räume an der durch das Peristyl
des Vorhofes und vor allem die dorische Fassade der Vorhalle vorgegebenen zentralen Mittelachse wurde in
den nördlich anschließenden Räumen aufgelöst. Der Aufriss des Gebäudes war hybrid gestaltet und verband
den dorischen mit dem ionischen Architekturkanon.
Die folgende Baubeschreibung behandelt die einzelnen Räume in der Reihenfolge: Vorhof, Vorhalle,
>Hestiasaal<, Raum 6, Raum 5, Raum 4, Raum 3, Raum 2.

III.2 Vorhof
Der Vorhof des Prytaneions ist als rechteckige Triporticus mit Innenmaßen von 18,40 * 21,65 m konfiguriert
(Taf. 5, 1; 32, 1); im Westen, Süden und Osten ist der Platz von Bruchsteinmauern gerahmt, die Mauerstärken
von 0,70-0,76 m (Westmauer), 0,63-0,76 m (Südmauer) und 0,65-0,72 m (Ostmauer) aufweisen. Im Norden
ist der Vorhof durch den Stereobat der Vorhalle begrenzt. Der Erhaltungszustand der begrenzenden Bruch-
steinmauern, die zugleich die Rückwände der Triporticus bilden, ist durchweg unterschiedlich224:
Die Westmauer, die durch die >Akademiegasse< im Westen begrenzt ist, kann nur im südlichen Teil auf
eine Länge von 4,70 m von der Südwestecke des Vorhofes verfolgt werden. An der Südwestecke misst die
erhaltene Höhe ca. 0,70 m über dem Niveau der >Akademiegasse<. An der Innenseite reicht die Mauer an
keiner Stelle über das Niveau des Stylobats des Vorhofes (45,96 m); sie ist daher nur noch im Fundament ab-
lesbar. Das Ende der Westmauer sowie ihr Anschluss an den Stereobat der Vorhalle konnten in Sondage II
(1960) festgestellt werden (Taf. 18, 1): Die Bruchsteinmauer der Westmauer trifft an dieser Stelle auf das
Quadermauerwerk des Fundaments der Vorhalle, ohne in sie einzubinden. Im Gegensatz zur Ostmauer des
Vorhofes fluchtet sie aber nicht mit der Innenseite der Antenmauer der Vorhalle, sondern läuft das Anten-
haupt mittig an. Das Fundament der Westmauer reicht, wie in Sondage IV (1960) gezeigt werden konnte,
bis auf eine absolute Höhe von 44,55 m hinab (Taf. 20, 2). Das Mauerwerk besteht aus kaum behauenen
Bruchsteinen in grauem Kalkmörtelverband; der Kalkmörtel weist als Hydraulefaktor einen sehr geringen

223 Die Nummerierung und Benennung der einzelnen Räume wurde von den Ausgräbern der 1950er (F. Miltner) und 1960er Jahre
(W. Alzinger) übernommen; cf. Eichler 1962, 38 Abb. 1; Alzinger 1972-1975, 243 f. Abb. 5; Alzinger 1974, Taf. 24, 42. In die
Baubeschreibung fließen auch Erkenntnisse ein, die W. Alzinger in Tagebüchern und auf Zeichnungen notierte; diese werden
heute im Archiv des ÖAI in Wien verwahrt.
224 Zum Vorhof cf. auch den Grabungsbefund: Μ. Steskal, Kapitel IV.2 und 3.
 
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