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und soll sich in London allein auf 1500 bis 2000 Tonnen jähr-
lich belaufen. Die daraus gefertigte» Bürsten, welche allen Ab-
wechselungen von Trockenheit und Feuchtigkeit widerstehen und
eine erstaunliche Dauer zeigen, werden, da keine andere Art
von Bürsten so gut und vollkommen reinigt wie die ans diesen
Fasern gefertigten, vorzüglich von Schlächtern, Brauern rc.
verwendet. Auch bei uns, wo in vielen Gegenden noch die Ge-
wohnheit herrscht, die Fußböden zu fegen, werden Bürsten aus
Piassavafasern sich sehr empfehlen. Nur dürften dieselben nicht
so kurz wie bei den Borstenbürsten geschnitten werden, wenn
die Einwirkung auf die Bretter des Fußbodens eine nicht zu
kräftige werden sollte.
Wer als Fremder Morgens in den Straßen Londons den
Kehrmaschinen begegnet, wird sicher die Frage stellen: welches
Material ist cs, das zu ihrer Anfertigung dient. Da jene Stoffe,
die wir vielleicht in Deutschland zu dem fraglichen Zweck ge-
brauchen würden, wie Besenreisig, Ginster, zur Besetzung der
in diesen Kehrmaschinen wirkenden Walzen nimmermehr verwen-
det werden können, so glaubten viele, die Walzen seien mit
Fischbeinstäbchen besetzt. Allein die in den Londoner Kehrmaschi-
nen befindlichen Walzen sind mit etwa 8 bis 10 Zoll langen
Stücken der Piaffava bürstenartig besetzt. Nach den Mittheilun-
gcn dcö Erfinders jener merkwürdigen Straßcnkehrmaschincn, des
Herrn Whitworth, dauern solche Bürstenwalzen, wenn ge-
pflasterte oder macadamisirte Straßen damit gekehrt werden,
über ein Jahr. Auch die Kehrmaschine, welche von dem Erbauer
des Glaspalastes Parton zur staublosen Reinigung jenes wun-
derbaren Gebäudes verwendet wurde, soll mit Piassavawalzcn
versehen gewesen sein.
Früher hat man die Piaffava sür eine brasilische Grasart
gehalten, allein vor zwei Jahren zeigte der berühmte Botani-
ker Sir William Hooker, daß cs die lunlloe»
sei, welche diese wcrthvollc Substanz liefere. Es sind nämlich
die in den Blattwinkcln befindlichen Fasern des genannten schö-
nen Baumes. Bei der Zurichtung der Piaffava zu Zwecken der
Bürstenfabrikation bedient man sich eiserner Rechen aus ziem-
lich starken Staben, die etwa 2 bis 2'ü Zoll von einander
stehen, als Hecheln; die dadurch von einer äußern Oberhaut
befreiten Fasern werden sortirt, geschnitten und zu den verschie-
denen Zwecken verwendet. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß
eine im Vcrhältniß große Quantität Kieselerde, welche sich in
der Asche der Piaffava nachweisen lassen wird, die Eigenthüm-
lichkeit dieser Faser bestimmt. Es gibt kaum eine vegetabilische
Substanz, welche an Elasticität, Biegsamkeit, Festigkeit und
Straffheit mit der Piaffava concurrircn könnte. Da diese Pal-
mcnfasern in einer Länge von 10 bis 16 und mehr Fuß vor-
kommen, so müssen sie sich vortrefflich zu niedlichen Flechtar-
beiten verwenden lassen. Auch wird uns die Nürnberger Indu-
strie, wenn ihr einmal die Piaffava verfallen ist, allerlei nied-
liche Spielereien damit verfertigen. Es gibt noch eine andere,
jedoch nicht so straffe brasilische Palmenfaser, die unter dem Na-
men Monkey bekannt ist. Außerdem liefert die Stammpflanze

der Piaffava noch jene kleinen festen Cocosnüssc, deren sich die
Knopfdreher, Beinarbeiter und die Verfertiger kleiner Galan-
teriewaaren so häufig bedienen. Die Cocos-Eierbecher, welche
uns das betriebsame Berchtesgaden liefert, sind aus diesen Früch-
ten gedrechselt, und die Samen, welche in ihnen befindlich sind,
brennen entzündet längere Zeit fort. Die Frucht ist sehr lange
bekannt, und schon Gärtner hat sie als Locos lapillea be-
schrieben." (Dingl. pol. Journ.)
Wir fügen dem noch bei, daß nach einer Bekanntmachung
vom Juli v. I. Georg Liebig Sohn in Darmstadt (Im. b
Nr. 18) diesen Stoff mit folgender Bemerkung zum Verkauf
anbietet: Piaffava statt Chicndent, 8 bis 16 Fuß lange Fasern,
Federkraft wie Fischbein, von der Dicke eines starken Bindfa-
dens bis Stechgarn, in Bündeln von 8 bis 9 Pfund; '/- Ki-
logr. 24 kr. Briefe franko. —
Dekanntmachungen -er Groß!;. Directum
der Ahrcmnachcrschule.
Am 21. d. M. findet die öffentliche Prüfung,an
der Gcwerbschulc statt und sind an diesem Tage, sowie
am 22. die Arbeiten aus den Werkstätten, die Samm-
lungen der Uhrenmachcrschulc re. zur öffentlichen Ansicht
aufgestellt.

Nach der Schulprüfung werden einige Plätze in den
Werkstätten der Taschenuhrenmachcrci und Stockuhrcn-
machcrei frei, bei deren Wicderbcsetzung junge Leute
aus dem uhrenmachenden Schwarzwalde, welche keiner
Staatsuntcrstützung bedürfen, vorzugsweise berücksichtigt
werden. Auf frühere Anmeldungen wird dabei thunliche
Rücksicht genommen. Aufnahmsgesuchc haben längstens
bis znm 29. d. M. persönlich oder schriftlich zu erfol-
gen. Am 30. d. M., Vormittags 10 Uhr haben sich
die Concurrcnten persönlich zu stellen, damit man die
Befähigtsten durch eine Prüfung ausmittcln könne.

Bei der Uhrenmachcrschulc werden messingene
Mctermasistäbc (zusammenlegbar und in 1000 Milli
meter getheilt), das Stück zu 10 Kreuzer, abgegeben.
Nach der Schulprüfung können die zurückvcrlangtcn
Mustcrgegcnstände wieder abgeholt werden. Wir empfeh-
len bei diesem Anlässe dem Gewerbstande die Benutzung
unserer verschiedenen Sammlungen und Einrichtungen
wiederholt.

Herausgcgcben von R. Gerwig. — Druck von Friedrich Wagner in Freiburg.
 
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