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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (1. HeftTheil 2, 6. Band, 1. Heft): Historische Darstellung der Entwickelung des Baustils — Stuttgart: Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.67517#0104
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Francesco da Lovrana und Pietro da Milano, fetzt fich in den Grabmälern der Kinder
Carl VIII. und Ludwig XII. in den Gartenanlagen zu Amboife, Blois und Gaillon,
in einigen Grabmälern, die von der Familie Giußi ausgeführt worden find, und in
denjenigen der Schlofs-Capelle zu Oiron (das eine 1539) fort. Mit dem von Goujon
herrührenden Grabmal Breze s zu Rouen (1535—44) treten die Franzofen mit dem
Stil Heinrich II. in die Hoch-Renaiffance ein. Lescote Louvre-Hof und Primaticcids
Grab-Capelle der Valois gehören zu den ausgefprochenften Werken diefer Richtung,
welche von 1540 bis 1570 die herrfchende Strömung bildet.
Erft einige Jahre fpäter, feit der 1495 erfolgten Rückkehr Carl VIII. aus 89’
Neapel, beginnt die andere oder nationale mächtige Strömung an der Renaiffance germanifche
theilzunehmen, und zwar in der anziehenden Geftalt des franzöfifch-italienifchen Com- oder .
franco-flämifche
promifs-Stils, der die Stile Carl VIII., Ludwig XII. und Franz I. hervorbrachte. In Strömung,
diefen nimmt die Menge der Anfangs ganz überwiegenden gothifchen Einzelheiten
immer mehr ab; dagegen nimmt die Zahl der italienifch-antiken Elemente immer
mehr zu, bis letztere fchliefslich allein herrfchen. In den letzten 8 bis 10 Jahren
der Regierung Franz I. bildet fich die Architektur zur Hoch-Renaiffance oder zum
Stil Heinrich II. um und fliefst mit der italo-antiken Richtung zu einem einzigen
Strom zufammen.
Indefs war nicht der ganze nationale Strom im Stil Heinrich II., eben fo nicht
im italo-franzöfifchen Compromifs-Stil der Früh-Renaiffance aufgegangen. Ein erfter,
wenn auch kleiner Theil der einheimifchen, franco-flämifchen Strömung fetzte fich
vielmehr im Fefthalten an manchen gothifchen Anordnungen des Kirchenbaues fort.
Ein zweiter Theil diefer Strömung, an der freieren Formenbehandlung hängend,
verband fich mit den Elementen Michel-Angelesker Willkür, die fowohl unmittelbar,
als auch durch den Zug des Capriccio und des Bizarren, den fie in die Schule
Raffaels gelegt hatten, mit den Decorationen von Roffo und Primaticcio nach Frank-
reich gebracht wurde. Im Verein mit den Religionskriegen verkürzten fie die edlere
Entwickelung der Hoch-Renaiffance durch ein Uebermafs von Willkür und oft un-
gefunder Phantafie, welche im Wirrwarr der Zeiten Heinrich III. ihren Gipfelpunkt
erreichte und in den Wirrniffen der Ligue ohnmächtig erlofch.
Ein dritter Theil der nordifch-nationalen Sinnesweife, der fich bei den Huge-
notten offenbart, fpricht fich zuerft in den Werken von B. Paliffy aus, und fpäter
bildet er, verbunden mit den flämifch-holländifchen Einflüffen 202) und gegen die
Stilausfchweifungen der Zeit Heinrich III. reagirend, die nüchterne und eckige Back-
ftein- und Hauftein-Architektur SullyC unter Heinrich IV. und die Backfteinrichtung
aus, welche eine der beiden Stilrichtungen unter Ludwig XIII. darftellt. Noch
fpäter verband fich diefe Auffaffungsweife mit der freien, oft willkürlichen Phantafie
in den Decorationen von Pietro da Cortona, Bernini, Borromini und deren Nach-
folger und brachte die freie Decorationsweife, die unter Ludwig XIV. zuerft fich
im ftrengeren Rahmen bewegte, dann aber unter Ludwig XV. das ganze Gebiet
beherrfchte, in den brillanten Launen des Rococco zu harmonifcher Ausbildung.
Allein neben der Decoration fpiegelt fich der einheimifche Geift während des
XVII. Jahrhundertes in einzelnen Denkmälern, wie in F. Man/arte Kirche Ste.-Marie
zu Paris und in den Triumphthoren von St.-Martin und St.-Denis dafelbft, fo wie
in vielen Typen von Hotels und Häufern, wieder.
202) Bezüglich der Erklärung diefes flämifchen Einfluffes flehe im Folgenden die Vorführung der Stile Heinrich IV.
und Ludwig XIII.
 
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