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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (1. HeftTheil 2, 6. Band, 1. Heft): Historische Darstellung der Entwickelung des Baustils — Stuttgart: Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.67517#0202
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i85

Mit der Hoch-Renaiffance und feit dem Jahre 1550 — vielleicht auch erft feit
dem Jahre 1560 — fteht, fo kann man wohl fagen, das Inftrument der franzöfifchen
Architektur bis auf den heutigen Tag — gewiffe Anwendungen auf die Eifen-
Conftructionen etwa ausgenommen — fertig da. Nur durch den Geift, in welchem
diefes Inftrument behandelt wird, ferner durch die Betonung einzelner feiner Elemente
oder durch die mehr oder weniger vollftändige Entwickelung der einen oder der
anderen der drei Hauptgeifiesrichtungen, endlich durch die Verhältniffe, in denen
die Verbindungen diefer Elemente unter einander flehen, entfpringen die auf die
Hoch-Renaiffance folgenden fpäteren Architekturphafen und unterfcheiden fich von
einander415). Dies ift wohl eine wichtige Thatfache, die vielleicht nicht hinreichend,
vielleicht auch noch gar nicht hervorgehoben worden ift. Sie trägt in hohem
Grade dazu bei, in den fpäteren Architekturphafen Frankreichs das Verftändnifs
des Zufammenhanges zu erleichtern.
Eine derartige Auffaffung kann nicht allzu fehr befremden. Die Fähigkeit, es
in irgend einer Kunftrichtung überhaupt zu einer wirklichen »Blütheepoche«, d. h.
bis zu einem relativen Maximum zu bringen, fetzt eine fo bedeutende Menge künft-
lerifcher Begabung und geiftiger Kraft voraus, dafs es nur logifch ift, wenn man
die zur Reife gelangten Kunftprincipien auch auf die nachfolgenden Perioden während
einer längeren oder kürzeren Zeit lebendig einwirken fieht, fei es in derfelben Form,
fei es als Kräfte, welche beftimmte Gegenfätze hervorrufen.
Die fpäteren, nunmehr folgenden Phafen gehen, wenn man fie näher betrachtet,
aus dem Aufeinanderwirken der zwei grofsen Hauptftrömungen in der Architektur
der Hoch-Renaiffance hervor, deren Andauern in Art. 87 (S. 86) als eine der
intereffanteften Erfcheinungen der franzöfifchen Baukunft hervorgehoben worden ift.
Mit einer Art regelmäfsigen Alternirens herrfcht einmal die ftrengere und dann
wieder die freiere Richtung vor. Die beiden Strömungen, die fchon in der Schule
von Fontainebleau vorhanden waren, Rehen aber auch wiederum in engfter Ver-
bindung mit den zwei mächtigen Strömungen, die in Italien felbft deutlich erkennbar
find: der ftrengeren, die von Bramante ausgeht, und der freieren, die von Michel-
angelo herrührt. Beide Strompaare können, fo zu fagen, als die Arme eines und
deffelben culturhiftorifchen Stromes angefehen werden.
Aufser diefen beiden Hauptftrömungen der eigentlichen Architektur giebt es
noch einige Nebenflrömungen, welche ähnlich den Seitenarmen oder Canälen von
Flüffen zugleich und in derfelben Richtung fliefsen. Ihre Wirkung erftreckt fich
zwar vor Allem auf die Sculptur und Malerei; aber hierdurch wirken fie nicht nur
auf die Decoration, fondern auch auf den gefammten Geift in der Auffaffung und
Behandlung der Architektur felbft ein.
e) Spät-Renaiffance.
(Stile Carl IX. und Heinrich III?)
Etwa 1570 — 95.
Eben fo, wie Entwickelung und Reife der franzöfifchen Hoch-Renaiffance da-
durch herbeigeführt worden find, dafs die Früh-Renaiffance immer vollftändiger von
den klaren, fchönen und gefetzmäfsigen Formen und Principien der Bramante [eben
415) Dies erkläit die Schwierigkeit, auf die mich Deftailleur einmal aufmerkfam machte, zuweilen gewiffe Elemente
und Motive, welche zeitlich verfchiedenen Phafen gemein find, von einander zu unterfcheiden.

189.
Hoch-
Renaiffance
als Quelle
der
fpäteren
Entwickelung.

190.
Aufeinander-
wirken
der beiden
Haupt-
flrömungen.

191.
Neben-
ftrömungen.

192.
Entftehung.
 
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