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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (1. HeftTheil 2, 6. Band, 1. Heft): Historische Darstellung der Entwickelung des Baustils — Stuttgart: Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.67517#0201
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184

Diefer Brunnen, verglichen mit Fig. 187, dem Altar in der Kirche zu Ecouen, zeigt
für Goujon die gleiche Erfcheinung, der man auch bei Primaticcio begegnet, näm-
lich, dafs ein und derfelbe Meifter in der eigentlichen Architektur fehr ftreng fein
und gleichzeitig in Werken vorwiegend decorativer Natur fich einer reichen und
willkürlichen Phantafie hingeben konnte.
o l86- Die Bauwerke, welche der ftrengen Richtung der Schule von Fontainebleau
Strenge
Richtung angehören, wurden bereits in Art. 166 (S. 161) befprochen. Dies find die drei
der Schule Hauptfchöpfungen Primaticcio s: die Schlöffer zu Ancy-le Franc und zu Montceaux-
Fontainebieau. en-Brie, fo wie die Sepulture des Valois zu St.-Denis, ferner an der Aufsenarchitektur
der Galerie Franz I. zu Fontainebleau diejenigen Elemente, welche für den fpäteren
Charakter der Cour des fontaines mafsgebend geworden find. Gerade die hier fich
vorfindende Verbindung von Strenge in der Aufsenarchitektur oder auch im inneren
architektonifchen Rahmen mit einem viel freieren Vorgehen in den decorativen
Theilen bildet eines der Merkmale in der franzöfifchen Architektur in mehreren
ihrer Phafen, die noch der Betrachtung zu unterziehen fein werden.
Nicht einem jeden Meifter war es gegeben, mit den einfach ftrengften claffi-
fchen Formen glücklich und zugleich lebendig umzugehen. Wer nicht auf den Sinn
achtet, der jeder Form innewohnt, fondern mit folchen fertigen und feften Formen
frei verfahren will, kann nur halb befriedigen; hierin wird ftets eine Gefahr bei der
Anwendung claffifcher Formen zu fuchen fein. Fig. 36 (S. 174) dürfte ein Beifpiel dafür
darbieten, wie ein Meifter, der mehr Bewunderung als Verftändnifs für das Wefen
der neuen Formen befafs, diefelben auf die Löfung einer neuen Aufgabe anwandte.
Unbeholfenheit in claffifchen Zeiten befitzt nicht mehr den beftimmten Reiz, der
oft den naiven Verfuchen der Früh-Renaiffance innewohnt.
i87‘ Um das Bild der Mannigfaltigkeit in den Erfcheinungen der Hoch-Renaiffance
Weitere do
Stilrichtungen, zu vervollftändigen, füllen fchliefslich — ihrer hervorragenden Wichtigkeit wegen —
diejenigen befonderen Stilrichtungen genannt werden, die in Kap. 7 unter den nach-
ftehenden Bezeichnungen vereinigt worden find:
a) der Idealbau,
ß) die Neo-Ruftica,
7) die grofse Ordnung {Ordre colo/fall),
ö) die Giebelreihen als Fapadenabfchlufs,
e) die Compofition mit der »rhythmifchen Travee« Bramante s und
C) der Backfteinbau.

4) Einflufs der Hoch-Renaiffance auf die fpätere Architektur
Frankreichs.

188- Im Vorhergehenden wurde die Hoch-Renaiffance als diejenige Stilphafe be-
Renaiffance zeichnet, welche die Erfüllung der vom Beginn der Renaiffance an bewußt oder
ak ziel unbewußt verfolgten Ziele ift. In ihr münden die verfchiedenen Beftrebungen, deren
Rena'iflhnce. bereits Erwähnung gefchah, aus. Andererfeits liegen wiederum, fo will es fcheinen,
in diefer Phafe fämmtliche Quellen der auf einander folgenden fpäteren Strömungen
und Phafen der franzöfifchen Architektur bis auf den heutigen Tag. Die Hoch-
Renaiffance gleicht der Schatzkammer aller Errungenfchaften der fo fröhlichen, an
nichts zweifelnden, voll Lebens überfprudelnden Phafe des Strebens: der brüh- oder
Jung-Renaiffance.
 
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