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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Contr.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (1. HeftTheil 2, 6. Band, 1. Heft): Historische Darstellung der Entwickelung des Baustils — Stuttgart: Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.67517#0143
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126

x33-
Beifpiele
der erften
Richtung.

Und doch kennzeichnet fich diefe Uebergangszeit durch Elemente, die der
franzöfifchen Renaiffance-Architektur den höchften Zauber verleihen: der Bund
individueller, frifcher, fchöpferifcher Phantafie mit lebendiger und überzeugter Hand-
habung der allgemeinen Grundgefetze. Wir möchten daher für diefelbe die Be-
zeichnung »Stil Marguerite de Valois«, vorfchlagen, zur Erinnerung an die Schwerter
Franz I., welche letzterer die Marguerite des Marguerites zu nennen pflegte, weil
die Zeit ihres Wirkens eben fo mit derfelben Phafe zufammenfällt, wie die feine
Richtung ihres Geiftes mit dem Höhepunkt der Blüthe im Einklang fleht.
Diefe Zeit hat zwei verfchiedene Gruppen von Bauwerken hervorgebracht. In
der erften lehnt fleh die Compofition noch an diejenige der Früh-Renaiffance an,
ift aber von allen unklaren und überhäuften Elementen geläutert; die Einzelheiten
gehören zwar noch der Früh-Renaiffance an, find indefs im edeln Geifte der Hoch-
Renaiffance behandelt. In der zweiten Gruppe find die Bauwerke bereits im Geifte
und in den Formen der Hoch-Renaiffance (des Stils Henri II) geftaltet; in den
Details jedoch zeigen fich durchwegs die jugendliche Frifche und die Zierluft der
Früh-Renaiffance in der ihr eigenthümlichen lebendigen Weife.
Von den der erften Gruppe angehörigen Denkmälern feien hier genannt: der
Klofterhof der Kirche des Celeftins zu Paris, 1539—49 erbaut und 1847 abgebrochen,
angeblich das Werk von Pierre Hamon\ die Capelle der Kirche St.-Jacques zu
Rheims 280); Theile der Kirchen St.-Pierre zu Loudun, zu Sarcelles und zu Belloy;
bis zu einem gewißen Grade die Fagade der Kirche zu Luzarches; der Hof des
Hotel de Mauroy zu Troyes und des Hotel d'Lcoville zu Caen; Theile der Fagade
von der Notre-Dame-lAÄxche. zu Tonnerre, befonders aber ein Theil der Kirche
St.-Pierre dafelbft; die in Fig. 157 u. 158 dargeftellten Portale zu Neuvy-Sautour
und zu Epernay; ferner, nach Abbildungen zu urtheilen, die Abtei-Ruine Valmont
bei Fecamp (Fig. 88); endlich das fog. Haus Franz I. zu Orleans (Fig. 292).
Unter den zahlreichen Zeichnungen aus jener Zeit, fo wie unter den Stichen
Du Cerceaus zeigen viele, namentlich diejenigen, die 1540—60 entftanden find,
dafs thatfächlich der bereits erwähnte Höhepunkt in der Blüthe der franzöfifchen
Architektur vorhanden war281).
Auf decorativem Gebiete zeigt uns die in Rede flehende Phafe der franzöfifchen
Architektur, wie fich die herrliche Verzierungsweife Raffaels und des Giovanni da
Udine, fo wie die Mailändifch-Bramante’ fche Manier, wie fie fich an einigen Theilen
der Kirche Sta. Maria delle Grazie zu Mailand und der Kathedrale zu Como
zeigt, völlig harmonifch mit dem Efpritfrancais verbinden, wie fie von letzterem
mit fprudelnder Lebendigkeit aufgefafft werden, ohne dafs er aber die Oberhand
gewinnt und durch übertriebene, capriciöfe Einfälle auf Abwege geräth.
Zu diefer überaus reizvollen Epoche gehört auch noch Du Cerceaus kleineres
•»Livre de grotesques« (Orleans 1550 u. 1562), wo er von Bramante, Nicoleto da
Modena und von Meiftern feiner Zeit infpirirt erfcheint.
Die Stilrichtung der fraglichen erften Gruppe von Bauwerken entfpricht in
mehrfacher Beziehung ziemlich genau derjenigen in der zweiten Manier Bramante s,
wie fie in der Canonica di San Ambrogio zu Mailand und im Hof der Cancelleria
280) Abgebildet in: Lubke, a. a. O., Fig. 126.
281) Unter denjenigen Stichen, welche Verfaffer gerade vor Augen hat und die auch in feiner Schrift »Les Du Cerceau«
(Paris 1887) wiedergegeben find, feien (Fig. 78), eine Lucarne, die gewöhnlich in der Folge der Du Cerceau fchen Möbel vor-
kommt, und (Fig. 84), die Zeichnung für einen Brunnen, bei dem vier Kannen um eine gröfsere mittlere geftellt find, hervor-
gehoben.
 
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