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172.
Angeblicher
Einflufs
auf den
Louvrebau.
= 73-
Della Robbia.
feinen überaus intereffanten Schriften (1563) nur dreimal von Schriftftellern, die über
Architektur gefchrieben haben, und nennt dabei blofs Serlio und Vitruv, erfteren
einmal neben Du Cerce au. Noch wichtiger ift das Zeugnifs von Philibert de VOrme,
der bekanntlich vor allem Anderen gern von fich felbft fpricht. Er unterläfft es
im Jahre 1567, die Abbildungen des Coloffeums zu Rom, das er ausgemeffen hatte, zu
geben, weil »Meffire Sebaßian Serlio es in feinem Buche hat drucken laffen, wie es
ein Jeder fehen kann, mit mehreren anderen fchönen Alterthümern, indem Alles in fehr
guter Ordnung ift. Er ift der erfte gewefen, der den Franzofen durch feine Bücher
und Zeichnungen die Kenntnifs der antiken Gebäude und mehrerer fehr fchöner
Erfindungen gegeben hat, indem er ein rechtfchaffener Mann war {komme de bien),
wie ich ihn gekannt habe und von fehr guter Seele, um, was er gemeßen, gefehen
und aus den Alterthümern entnommen hatte, veröffentlicht und guten Willens {de
bon coeur) gegeben zu haben; und für die Frage, ob die Mafse überall genau find
und legitim, verweife ich auf diejenigen, die ein gutes Urtheil haben, indem fie fie
an Ort und Stelle gefehen haben 393)«.
Neben diefem allgemeineren Einflufs, den Serlio durch feine Schriften ausgeübt
hat, ift noch derjenige hervorzuheben, der von ihm auf den Bau des Louvre aus-
gegangen fein foll. Claude Perrault, der Erbauer der Colonnade dafelbft, fagt394),
dafs der Einflufs Serlio s, feine Anweifungen den Franzofen fo nützlich waren, dafs
fie es Lescot möglich machten, einen Entwurf zu liefern, der demjenigen Serlio's
vorgezogen wurde. Hieraus geht hervor, dafs Serlio wahrfcheinlich einen Entwurf
für den Louvre angefertigt hat, und der Umftand, dafs dem König der Entwurf
Lescot's beffer gefiel, als jener von Serlio, ift noch kein Beweis dafür, dafs letzterer
nicht auch eine gute Leiftung war, oder gar Anlafs dazu, Serlio als fchaffenden
Architekten verächtlich zu behandeln, wie dies von mancher Seite gefchieht. Was
Rivoalen unlängft 395) vom Einflufs der Abbildungen im Buche Serlio s auf die Archi-
tektur von Flandern und England geäufsert hat, gilt in gleicher Weife über feinen
Einflufs auf viele franzöfifche Meifter gerade in der Zeit der beginnenden Hoch-
Renaiffance, wo man endlich fo weit gelangt war, die Formen der Antike und der
Bramante' ichva Architektur Italiens nicht mehr nach phantafiereichen Gedanken zu
überfetzen, fondern fie um ihrer objectiven Schönheit willen zu fchätzen anfing. Auch
durch Beantwortung von Fragen, wie die von Goujon geftellten (fiehe im Folgenden:
Säulenordnungen, dorifches Kapitell) und durch directen Unterricht, wie der an
Philander ertheilte, hatte Serlio gleichfalls Gelegenheit, feinen Einflufs auszuüben.
t) Andere italienifche Meifter.
Aufser den hervorragenden, im Vorhergehenden vorgeführten drei Architekten
find noch einige andere aus Italien flammende Meifter hervorzuheben.
1) Girolamo della Robbia, Mitglied der berühmten Florentiner Terracotta-Künftlerfamilie, kam um
1527 nach Frankreich und verdient wegen feiner mindeftens 35-jährigen Thätigkeit in diefem Lande und
der verfchiedenen Formen, in denen diefelbe auftritt, Erwähnung. Vom König als Bildhauer mit 240 Livres
Gehalt angeftellt, führte er zuerft im Verein mit Pierre Gadier aus Tours und nach des letzteren Tode
393) Siehe: De l'Orme, Ph. Le Premier tome de l'architecture. Buch VII, Kap. 1. S. 202V.
3'U) In: Perrault, Cl. Architecture generale de Vitruve, reduite en abrege. Paris 1674. — Im Vorwort fchreibt er
(fiehe: Revue gen. de l'arch. 1887, S. 135), que lorsque le Roy Francoi I. fit venir d'Italic Seb. Serlio, a qui il donna la
conduite des bafiiments de Fontainebleau, nos architectes profitirent fi bien de Res inflructions ..que, pour le projet du Louvre,
le dejjin d'un Francais, Vabbe de Clagny- fut preferb au de/Jin de Serlio —“. Als Marginal-Anmerkung fchreibt hier
Perrault: Jean Goujon, Pari/ien et M. Ponce.
395) Siehe: Planat, a. a. O., Bd. 6, S. 357 (Artikel: Englifche Renaiffance.)
172.
Angeblicher
Einflufs
auf den
Louvrebau.
= 73-
Della Robbia.
feinen überaus intereffanten Schriften (1563) nur dreimal von Schriftftellern, die über
Architektur gefchrieben haben, und nennt dabei blofs Serlio und Vitruv, erfteren
einmal neben Du Cerce au. Noch wichtiger ift das Zeugnifs von Philibert de VOrme,
der bekanntlich vor allem Anderen gern von fich felbft fpricht. Er unterläfft es
im Jahre 1567, die Abbildungen des Coloffeums zu Rom, das er ausgemeffen hatte, zu
geben, weil »Meffire Sebaßian Serlio es in feinem Buche hat drucken laffen, wie es
ein Jeder fehen kann, mit mehreren anderen fchönen Alterthümern, indem Alles in fehr
guter Ordnung ift. Er ift der erfte gewefen, der den Franzofen durch feine Bücher
und Zeichnungen die Kenntnifs der antiken Gebäude und mehrerer fehr fchöner
Erfindungen gegeben hat, indem er ein rechtfchaffener Mann war {komme de bien),
wie ich ihn gekannt habe und von fehr guter Seele, um, was er gemeßen, gefehen
und aus den Alterthümern entnommen hatte, veröffentlicht und guten Willens {de
bon coeur) gegeben zu haben; und für die Frage, ob die Mafse überall genau find
und legitim, verweife ich auf diejenigen, die ein gutes Urtheil haben, indem fie fie
an Ort und Stelle gefehen haben 393)«.
Neben diefem allgemeineren Einflufs, den Serlio durch feine Schriften ausgeübt
hat, ift noch derjenige hervorzuheben, der von ihm auf den Bau des Louvre aus-
gegangen fein foll. Claude Perrault, der Erbauer der Colonnade dafelbft, fagt394),
dafs der Einflufs Serlio s, feine Anweifungen den Franzofen fo nützlich waren, dafs
fie es Lescot möglich machten, einen Entwurf zu liefern, der demjenigen Serlio's
vorgezogen wurde. Hieraus geht hervor, dafs Serlio wahrfcheinlich einen Entwurf
für den Louvre angefertigt hat, und der Umftand, dafs dem König der Entwurf
Lescot's beffer gefiel, als jener von Serlio, ift noch kein Beweis dafür, dafs letzterer
nicht auch eine gute Leiftung war, oder gar Anlafs dazu, Serlio als fchaffenden
Architekten verächtlich zu behandeln, wie dies von mancher Seite gefchieht. Was
Rivoalen unlängft 395) vom Einflufs der Abbildungen im Buche Serlio s auf die Archi-
tektur von Flandern und England geäufsert hat, gilt in gleicher Weife über feinen
Einflufs auf viele franzöfifche Meifter gerade in der Zeit der beginnenden Hoch-
Renaiffance, wo man endlich fo weit gelangt war, die Formen der Antike und der
Bramante' ichva Architektur Italiens nicht mehr nach phantafiereichen Gedanken zu
überfetzen, fondern fie um ihrer objectiven Schönheit willen zu fchätzen anfing. Auch
durch Beantwortung von Fragen, wie die von Goujon geftellten (fiehe im Folgenden:
Säulenordnungen, dorifches Kapitell) und durch directen Unterricht, wie der an
Philander ertheilte, hatte Serlio gleichfalls Gelegenheit, feinen Einflufs auszuüben.
t) Andere italienifche Meifter.
Aufser den hervorragenden, im Vorhergehenden vorgeführten drei Architekten
find noch einige andere aus Italien flammende Meifter hervorzuheben.
1) Girolamo della Robbia, Mitglied der berühmten Florentiner Terracotta-Künftlerfamilie, kam um
1527 nach Frankreich und verdient wegen feiner mindeftens 35-jährigen Thätigkeit in diefem Lande und
der verfchiedenen Formen, in denen diefelbe auftritt, Erwähnung. Vom König als Bildhauer mit 240 Livres
Gehalt angeftellt, führte er zuerft im Verein mit Pierre Gadier aus Tours und nach des letzteren Tode
393) Siehe: De l'Orme, Ph. Le Premier tome de l'architecture. Buch VII, Kap. 1. S. 202V.
3'U) In: Perrault, Cl. Architecture generale de Vitruve, reduite en abrege. Paris 1674. — Im Vorwort fchreibt er
(fiehe: Revue gen. de l'arch. 1887, S. 135), que lorsque le Roy Francoi I. fit venir d'Italic Seb. Serlio, a qui il donna la
conduite des bafiiments de Fontainebleau, nos architectes profitirent fi bien de Res inflructions ..que, pour le projet du Louvre,
le dejjin d'un Francais, Vabbe de Clagny- fut preferb au de/Jin de Serlio —“. Als Marginal-Anmerkung fchreibt hier
Perrault: Jean Goujon, Pari/ien et M. Ponce.
395) Siehe: Planat, a. a. O., Bd. 6, S. 357 (Artikel: Englifche Renaiffance.)