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Galerie Schach.
für sich wiederholt;' auch gehen fast alle Anregungen zu dielen Compositionen nachweisbar bis zu
seiner Jugendzeit zurück.
Wenden wir schliesslich der allgemeinen künstlerischen Physiognomie der Werke Schwind's unsere
Betrachtung zu, so tritt auch hierin die bereits mehrfach hervorgehobene Wahrnehmung zu Tage, class
der Unterschied zwischen Jugend und Alter ein weit geringerer ist, als er sonst bei den Arbeiten eines
Künstlers aus verschiedenen Perioden seines Schasfens vorhanden zu sein pflegt. Noch während seiner
Wiener Lehrzeit hat Schwind für seine Idealfiguren, namentlich für die weiblichen, Typen ange-
nommen, denen er Zeit seines Lebens treu blieb; man traut kaum seinen Augen, wenn man sseht, dass
beispielsweise die ,,schöne Melusine", seine letzte Schöpfung, die Züge trägt, welche wir an weiblichen
Figuren aus der frühesten Zeit seines Schaffens kennen. Die lange gerade Nase, welche der mittleren
Partie des Gerichtes das Uebergewicht über Stirne und Kinn verleiht, die längliche Gesichtssorm, der
eio-enthümliche Ausdruck eines geheimnissvollen Seelenlebens und hoheitlicher Unnahbarkeit, zugleich
aber auch die von Süsslichkeit seiten ganz freie Anmuth finden wir an allen weiblichen Idealfio-uren des
Meisters; die Aenderungen an den feststehenden Typus sind so geringfügig, dass alle seine Meldinnen
eine stark ausgeprägte Familienähnlichkeit besitzen. Auch sonst ist das Wörterbuch seiner Formen-
sprache nicht besonders reichhaltig und gewisfe Wendungen bringt er von Jugend auf mit gerino-en
Varationen immer wieder vor Desshalb bemerkt Pec/it1 sehr richtig: Seit Paolo Veronefc war viel-
leicht kein Künstler mehr, der so frühzeitig aufgetreten und dann so unverändert geblieben wäre.
Betrachten wir die wahrhast unermessliche Reihe seiner Schöpfungen, so wird man kaum einen anderen
Unterschied in der künstlerischen Sprache wahrnehmen, als den einen allmäligen Reinigung des Stiles
und des Ideales überhaupt, sowie grössere Breite und Meisterhaftigkeit des Vortrages, wie sie die
nothwendige Folge der ungeheuren Uebung waren. Ist er doch selbst das Almanachartig-moderne und
Süsslich-Antikisirende der frühesten Wiener Arbeiten niemals ganz vollständig los geworden, so dass es
wie ein neckischer Kobold ihm gelegentlich einmal selbst in den schönsten Compositionen über die
Schulter guckt". Diesem Festhalten an dem Stil, zu welchem sich bereits in den Versuchen seiner
Lehrzeit dieAnsätze zeigen, ist es hauptsächlich zuzuschreiben, dass die Physiognomie einer Schwind'schen
Arbeit ganz unverkennbar ist;3 hiezu kommt, class seine Formen im Allgemeinen immer dieselbe edle
Anmuth und harmonische Rundung ausweisen, durch welche die Werke unseres Meisters das ihnen
stets eigenthümliche, mit den Arbeiten keines anderen Künstlers vergleichbare Gepräge erhalten.

1 So ist, wie srüher erwähnt, der „Rübezahl" in der Galerie Schack eine viel spätere Wiederholung des derzeit im Besitze des Barons
Suttner befindlichen Bildes; der „Vater Rhein" unserer Sammlung ist bekanntlich nur die Wiederholung der Hauptfigur aus dem vom Grasen
Raczynski angekausten Bilde; von „Des Knaben Wunderhorn", dem .Erlkönig" und dem , Abend" besitzt Maler Spitzweg in München Wieder-
holungen, ebenso Frau Marie Bauernseind in Wrien von dem „Traum des Ritters" und der ,. Donau", Von dem an und sür lieh nach der radirten
Composition gemalten „Einsiedler der die Rosse eines Ritters tränkt", besass Bildhauer Schwanthaler in München eine Wiederholung«. „Sanct
Wolsgang und der Teusel" besitzt die Wiener Kunstakademie als ein, offenbar früher entstandenes Aquarell; ebenso ist ein Aquarell von „Wie-
land der Schmied" vorhanden.
s S. dessen cit. Werk, S. 196.
3 Reder (in seinem cit. Werke S. 466) bemerkt mit Recht: Schwind's Stil war ein so persönlicher, dass Schüler, welche demselben nach-
strebten, nothwendig zu Manieristen werden mussten. Wir fügen bei: oder zu Copisten. Erst kürzlich kam uns in diesem Sinne ein ausfallender
Beweis der Unnachahmlichkeit des Schwind'schen Stiles zu Gesicht, als Leopold ßode, ein Nachahmer und kein eigentlicher Schüler Schwind's,
seine cyclische Composition zu de la Motte-Fouqui's „Undine" im Wiener Kunstverein zur Ausstellung brachte (vgl. Catalog der 287. Ausstellung
vom October 1S78) Wir wollen mit dem Künstler nicht darüber rechten, dass er sich zu seiner Arbeit direkt von Schwind's „Melusine" inspiriren
liess und sich in seiner Composition ohne Weiteres an diese, allerdings recht schä-zbare Vorarbeit hielt; wohl aber musfen wir hervorheben, dass
Bode's Darstellungen einem i otpourri Schwind'scher Figuren und Motive gleichen. In den zwei Bildchen Bade's, welche die Galerie Schuck
enthält: „Die Alpenbraut" nach einer Schweizer Volkssage und „Der Müller mit seinem Kinde" nach Brentano's „Chronik eines sahrenden
Schülers", zeigt sich der Künstler, trotz der ganz in den Bereich der Schwind'schen Romantik sallenden Stosse, in der Erfindung und im Vortrage
viel selbstständiger; es scheint somit, dass er beim Schöpsen seiner Inspirationen au^ dem Melusinenquell eini ge Gläschen Schwind mehr getrunken
als seine Originalität vertrug.
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