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Hände zu arbeiten, und so entstand unter der beständigen Aufsicht, Fürsorge, ja Mitarbeiterschaft des
Meisters der Porträtmalerei die schönste aller vorhandenen Sammlungen von Porträtstichen: VanDijck's
Ikonographie. Nach van Dijck's geist- und lebensvollen Portätskizzen von zeitgenössischen politischen,
gelehrten und künstlerischen Persönlichkeiten, welche zum grössten Theile uns erhalten geblieben sind,
arbeiteten die aus der Rubens'ich&n Stecherschule hervorgegangenen und an den Werken dieses Mei-
sters geschulten reproducirenden Künstler der Epoche, vor Allen Poniius (Du Pont) mit seinem ebenso
glänzenden wie charakteristischen Stichel, Schelte a Bolswert in seiner auf malerische Wirkung abzielenden
Weise, und der ältere Vorflerman, welcher in seiner delicaten Mache mit so grosser Intelligenz und
Geschmeidigkeit über die Mittel der graphischen Darsteilung zu verfügen wusste. Viele der auf uns
gekommenen Probedrucke von den nicht ganz vollendeten Platten weisen Retouchen von der Hand
van Dijck's auf, welche zur Direktive für die Stecher bestimmt waren. Diese unmittelbare Einwirkung
des genialen Meisters entrieth nicht der inspirirenden Wirkung auf die nachbildende Hand des Stechers;
auf jeder Platte der Ikonographie ruht in der That ein Abglanz jenes feinen Formgefühls und jener vor-
nehmen Anmuth, welche wir an den gemalten Bildnissen van Dijck's bewundern. Uebrigens griff der
Meister bekanntlich auch selbst zur Nadel, theils um einige Vorätzungen für die spätere Stichelarbeit zu
liefern, theils um in einer Eingebung guter Laune den einen oder den anderen interessanten Kopf aus
der Schaar seiner Freunde festzuhalten. Auch seine eigenen aristokratischen Züge, die er so oft mit dem
Pinsel wiedergegeben, hat er mit der Nadel reizvoll hingeschrieben, und dieses im ursprünglichen Platten-
zustande äusserst seltene Blatt, das wir in einem vom k. k. militär-geographischen Institut in Wien trefflich
hergestellten Lichtkupferstich nach dem schönen Exemplare der Albertina bringen, bietet eine vollgiltige
Probe derpsychologischen Kraft und künstlerischen Feinheit,1 mit welcher die Ikonographie ausgestattet ist.
Die auf Kosten van Dijck's während eines Zeitraumes von ungefähr zehn Jahren, etwa von 1630
bis 1640, hergestellten, vom Verleger Martinus van den Enden debitirten Porträtstiche waren achtzig
an der Zahl. Erst nach dem Tode des Meisters, im Jahre 1645, veranstaltete der Antwerpener Verleger
Gillis Hendrickx eine Gesammtausgabe, indem er durch Beifügung fast aller Originalradirungen van
Dijck's und einiger anderer Bildnisse nach diesem Meister die Zahl der Blätter auf hundert brachte,
woher die ebenfalls landläufige Bezeichnung des Werkes als „Centurie van Dijck's" flammt. In der
Folge wurde die Publication der Platten durch länger als ein Jahrhundert zum Gegenstand der Specu-
lation einer ganzen Reihe von Verlegern gemacht, welche dem ursprünglichen Stamme der achtzig
Platten zahlreiche andere Porträtblätter nach dem Meister in vielfacher Variation beifügten, so dass die
„Ikonographie van Dijck's", wie sich ihr Begriff bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts herausgebildet hatte,
schliesslich nahezu zweihundert Porträts umfasste. Dieselben ssottiren heute einzeln auf dem Kupferstich-
markt; nur sehr seiten findet sich noch eine Anzahl in einem alten Sammelbande vereinigt.
Unbestritten gilt das Werk als die werthvollste aller ikonographischen Unternehmungen. Es
erweckt und befriedigt wie keine andere der zahlreichen ähnlichen Publicationen in gleich hohem
Masse neben dem künstlerischen auch das culturhistorische, biographische und physiognomische Interesfe.
Es ist daher begreissich, dass die Blätter der Ikonographie von jeher Gegenstand eifrigen Sammelns
und steigender Werthschätzung waren und es noch heute sind. In den Bereich systematischer Kunst-
forschung aber ist van Dijck's Ikonographie erst in neuester Zeit gezogen worden, als das Interesse an
den Erzeugnissen der graphischen Künste ein regeres wurde und das Bedürfniss einer kritischen Sich-
tung sich fühlbarer machte. Heute hat die Ikonographie schon eine recht stattliche Literatur aufzu-



1 Aus S. 471 seiner gediegenen „Geschiedenis der Antwerpsche Schilderschool" (Gent, Ad.Hoße, 1878) macht Max Roofes die treffende
Bemerkung: „Van Dijk's etsen behooren tot het levendigste en volmaaktste, wat de graveerkunst voortbracht. AI die personages krijgen
onder zijne naald eene beweging, eene bevalligheid, en geestigheid, die nauwelijks door de meest asgewerkte schilderingen geevenaard wordt."
 
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