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io9

Weiter folgt die Falkenjagd und endlich die Leimruthe, die ein im Gebüsch ganz verborgener Jäger ausstreckt und
auf der wiederum eine Lockeule sitzt. Die zweite Langseite ist die glänzendste von allen. Sie enthält in zusammen-
hängender Composition ein grosses Turnier. Zu äusserst links ist die Musik, nämlich zwei Trompeter und ein
Paukenschläger, auf ihren abgezehrten Rösslein. Dann kommt der Turnierplatz selbst, durch eine der Länge nach
lausende Schranke in zwei Abtheilungen geschieden. In der oberen Rennbahn wird nur leicht turnirt, nämlich mit
Lanzen, die vorn drei kleine Spitzen haben. Es ist dies das „Lanzenbrechen" oder „über den Dill stechen." In der
unteren Rennbahn ist das „Scharfrennen," wobei es darauf ankommt, den Gegner aus dem Sattel zu heben. Den
Schluss dieser Reihe bildet, dem Anfang entsprechend, wieder Musik, nämlich ein Pfeifenbläser und ein Trommler
zu Fuss. Mit dieser Gruppe schliesst sich das Turnier an die Treibjagd auf der ersten Schmalseite an. Im inneren
Bilderkreis sehen wir zunächst die erwähnten Wappen der Besitzer; zwischen denselben und den Bilderreihen der
Langseiten ziehen sich zwei Gruppen hin. Über derjagdscene sieht man einen Mann in zerlöchertem Kleide auf
einem Zuber sitzen. Er stützt seinen Kopf traurig und nachdenklich auf die rechte Hand, der Mund ist ihm mit
einem grossen Vorlegschloss zugemacht. Rings um ihn her liegen in gräulicher Verwirrung alle möglichen Geräthe,
als: Schüssein, Küchengeschirr, Werkzeuge, Hausrath aller Art—Alles aber zerbrochen und beschädigt. Auf einem
Spruchbande liest man, wie aus unserer Schluss-Illustration zu ersehen, die Klage: „Ich (bin der) niemann. All Ding
m(nss) ich verbrochen han — Des t(rur)cn ich Das ich (nit kan) verantworten mich." Wir haben also hier die
bekannte im Mittelalter und noch später beliebte Darstellung des Niemand, der für alles Unglück und Missgeschick
in Haus und Hof, Küche und Keller herhalten muss, der Alles verloren, Alles zerbrochen und verunschickt haben soll.
Über dem Turnier sieht man einen schlafenden Krämer, aus dessen Tragkorb Putz- und
Spielsachen, und was zu weiblichen Arbeiten nöthig ist, von Affen herausgezerrt werden.
Auch dieseVorstellung war eine allgemein verbreitete und noch spät wiederholte Allegorie,
wahrscheinlich eine Satyre auf die Eitelkeit des affenhaften weiblichen Putzes. Neben diesen
zusammenhängenden Darstellungen sieht man jedoch noch viele andere; so die oben
abgebildeten zwei Knaben, welche auf Steckenpferden und mit Windhäspelchen gegen
einander rennen und als eine humoristische Nachahmung des Turniers erscheinen, ferner
einen als obrigkeitliche Person ausstasfirten, nebenstehend porträtirten Affen, der als
Anspielung an das Sprichwort: „Den Bock zum Gärtner setzen" erscheinen mag, dann
allerhand Gegenstände, welche auf einem Tische zu liegen pflegen: Früchte aller Art, Gold-
stücke, Spielkarten und einen Brief mit der überlegten Brille. Auf dem Siegel des Briefes
ist die Umschrift: HANS HO....., zu erkennen; ebenso neben dem Wappenschild die
Buchstaben H. H., welche man auch auf dem daneben liegenden Siegelstempel bemerkt. Der Brief, die Spielkarten
und die Goldstücke waren mit der Absicht gemalt, dass der an den Tisch Herantretende sie für wirkliche
Gegenstände halten und darnach greifen sollte, wie dergleichen Vexirbilder ja sehr beliebt waren.
Woltmann hebt an dieser Jugendarbeit Holbein's mit Recht hervor, dass sie eine schlichte und kindlich anein-
andergereihte Folge lustiger und launiger Vorstellungen bildet, mit welchen die Phantasie des Volkes vertraut war
und dass sie auf eine bedeutende, ebenfalls aus der früheren Zeit des Künstlers (lammende Arbeit hinweist: auf
die Randzeichnungen zum „Lob der Narrheit" von Erasmus, denen unser Meister die für seine fernere Laufbahn
so werthvollen Beziehungen zu dem grossen Gelehrten, einem der ersten Männer seiner Zeit, verdankte.
 
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