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Galerie Schack.

im Bauzeichnen erhielt; mächtiger als dieser Unterricht aber regten ihn die Betrachtung der Natur
und das Vorbild des Thiermalers Hofner an, der zur Sommerszeit nach Schrobenhausen zu kommen
pssegte, um daselbst Studien zu machen. Der Knabe begann sseissig nach der Natur zu zeichnen und
benützte anfangs Thiere, später aber die Personen seiner Umgebung, seine Geschwister und Schul-
genossen, als Vorlagen. Frühzeitig schon entwickelte er ein besonderes Geschick im Treffen; die Bild-
nisse des kaum fünfzehnjährigen Knaben begannen ihm Geld einzutragen und Pecht erzählt dass ein
Selbstporträt Lenbach's im Alter von fünfzehn Jahren und das gleichzeitig gemalte Bildniss seines
jüngeren Bruders ihn „durch die Bestimmtheit der Modellirung in Licht und Schatten wie durch die
grosse Ähnlichkeit nach nahezu dreissig Jahren aufs Höchste frappirt haben." 1 Trotz der unverkenn-
baren grossen Begabung seines Sohnes und trotz mancher materieller Früchte, welche ihm dieselbe bald
einbrachte, hielt Vater Lenbach die Porträtmalerei für ein zu unsicheres Brod und bestand darauf, dass
der Junge das Maurerhandwerk tüchtig erlerne, bevor er ihn nach Augsburg auf die polytechnische
Schule schickte. In der alten Reichsstadt interessirte sich Lenbach weit mehr für die dortige Galerie,
welche unter zahlreichen bedeutenden Werken auch einige schöne Bildnisse enthält, als für sein Fach-
studium; er nahm regelmässigen Unterricht in der Ölmalerei, worin er erstaunlich rasche Fortsehritte
machte und ein gelegentlicher Abstecher nach dem nahen München, wo sein erster Gang der alten
Pinakothek galt, bestärkte ihn vollends in seinem Entschlusse, dem Baugewerbe Valet zu sagen, um sich
ganz der Malerei zu widmen. Der Tod seines Vaters räumte auch das letzte Hinderniss weg, welches
dieser Änderung der Berufswahl entgegenstand; Lenbach malte anfangs in seiner Heimat Votivbilder
für Wallfahrtskirchen, Häuserschilder, Bildnisse, um sich etwas zu verdienen und ging 1855 mit seinen
Ersparnissen und seinem kleinen väterlichen Erbtheil nach München, um sich an der dortigen Academie
fortzubilden. Ein glücklicher Zufall liess den Kunstjünger mit Piloty bekannt werden, welcher kurz
vorher die Professur an der Academie übernommen hatte; Lenbach trat in das Atelier dieses Meisters
ein und wurde sofort einer seiner bevorzugten Schüler. Schon 1856 durfte er, kaum zwanzig Jahre
alt, seinen Lehrer nach Rom begleiten und die Herrlichkeiten der alten Kunst schauen.
Anfangs schien Lenbach sich der Genremalerei zuwenden zu wollen; ein auf einer blühenden
Wiese ruhender „Hirtenknabe", wovon die Galerie Schack eine Wiederholung besitzt, welche durch das
saftige Colorit und die reizende Stimmung anzieht, und ein anderes bäuerliches Genrebild „Gebet
während des Gewitters", das wegen seiner damals ganz unerhörten naturalistischen Behandlung Auf-
seilen erregte, bezeichnen den Beginn seiner Künstlerlaufbahn. Aus Rom brachte Lenbach ausser
einigen Costümstudien, wie sie jeder Genremaler von der „spanischen Treppe", dem Hauptquartier der
römischen Modelle, sich holt, eine Ansicht des Forums mit dem Titusbogen im Vordergrunde und dem
Capitol als Abschluss, nach Hause, welche er, nach seinen eigenen Worten, halb in dem Bewusstsein,
mehr ein Kunststück als ein Kunstwerk zu Stande zu bringen, in wenigen sonnigen Tagen angefertigt
hatte. Pcclit erzählt, dass das Bild bei seiner Ausstellung „in den zahmen Räumen des Kunstvereines
sich des Beifalls der an die herkömmliche Romantik und an eine süss duftende Färbung gewöhnten
Liebhaber nicht erfreute und dem Künstler von Seite seiner Gegner den Vorwurf zuzog, dass er mit
Koth male und mit Tinte schattire." Lenbach liess sich jedoch dadurch an seinem Principe rücksichts-
loser ungeschminkter Wiedergabe der Natur nicht im Geringsten irre machen; er übertrug dasselbe
vielmehr auch auf jenes Kunsteebiet, das seine eieenste Domäne werden sollte und auf welchem nament-
lieh während der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts eine unkünstlerische Idealisirung zur
Gewohnheit der Maler wie des Publicums geworden war: auf das Porträt. Gleich mit dem bedeutenden
ersten Werke dieser Art, mit dem lebensgrossen Bildnisse eines in München allgemein bekannten
1 Vergl. Friedrich Pecht: „Deutsche Künstler des 19. Jahrhunderts." Nördlingen, C. H. Beck, 1S79, IL Reihe S. in,
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