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mitunter, wie Tkaufing mit Recht hervorhebt, an Feinheit, Schärfe und Lebendigkeit die Radirungen des Künstlers
und werfen vermöge der Gegenstände der Darstellungen ein helles Licht auf den Entwicklungsgang Callot's und
auf seine Art zu arbeiten.
Beim Ausschlagen des Bandes gewahren wir das Bildniss des Künstlers von seiner Hand, das wir, Dank der
Freundlichkeit des Verlegers der besprochenen Publication, unseren Lesern in einem sehr guten Holzschnitt vor-
führen können. Es srappirt durch seine ungeschminkte Natürlichkeit wie durch die Eleganz des Vortrages und
kann als das beste vorhandene Porträt Calloss bezeichnet werden. Hält man es mit dem von Lucas Vorflermann
sür die Ikonographie vanDijck's gestochenen Bildniss des Künstlers zusammen, das ihm in den Umrissen gleicht, so
weiss man sofort, wo eine grössere Porträtähnlichkeit zu finden: in des niederländischen Stechers wohlsrisirtem und
wohlgenährtem Manne, der den Eindruck eines behäbigen Antwerpner Stadtherrn macht, oder in dem geistreichen,
von leicht niederfallenden und ungeordnet ssatternden Haaren umgebenen Künstlerkopf mit dem klaren Blick des
scharfen Beobachters und dem etwas müden und blasirten Ausdruck eines phantasievollen, durch die Wirklichkeit
des Weltgetriebes aber bereits enttäuschten Mannes. Es erfolgt eine Reihe von Zeichnungen Callot's nach anderen
Meistern, unter denen acht Studien nach Holbein 's „Todtentanz" besonders interessant sind. Callot hat sich nicht
damit begnügt, die Compositionen des grossen deutschen Meisters einfach nachzuzeichnen, sondern er hat sie selbst-
ständig gruppirt und ihnen einen drarr.atischen Ausdruck geliehen, welchen man in den Originalen vergeblich
suchen würde. Bei Holbein erscheint der Tod als unerbittliches Naturgesetz und vollzieht die Vernichtung von
Menschen aller Stände ziemlich objectiv; Callot gibt dem Tod den Ausdruck dämonischer Schadenfreude und lässt
ihn seine grässlicheArbeit con amore verrichten. Diese Studien Callot's stehen in geistigemZusammenhange^mit seinen
in Form eines Frieses zusammengestellten ssüchtigen Kohlenzeichnungen in den Uffizien, welche ebenfalls Holbeins
Todesbilder frei behandeln. Tkaufing bemerkt scharssinnig, dass die erwähnten Federzeichnungen, welche im
Gegensinn zu den Formschnitten nach Holbein gehalten sind und von denen die Nachbildung des „Fuhrmannes"
das enteilende Pferd ganz ausgeführt zeigt, während es auf dem von Hans Liitzelburger unvollendet hinterlassenen
Holzschnitte nur zum kleinsten Theile sichtbar ist (vgl. „Die Graphischen Künste," Bd. I, 1879, S. 110) zu beweisen
scheinen, dass Callot die Vorzeichnungen Holbein 's für den Formsehneider vor sich gehabt habe. Allein da von
diesen Vorzeichnungen sich keine Spur gefunden und Callot sich leicht hat denken können, dass der Formsehneider,
wie es damals ganz üblich war, die Zeichnung im Sinne des Originals auf den Holzstock übertragen habe, sodass
er, Callot, im Gegensinne des Holzschnittes zeichnen musse, um das Oiginal herzustellen: so halten wir den frag-
lichen Beweis für ziemlich schwach. Auch scheint uns das von Callot ergänzte Pferd viel leichter und feuriger zu
sein, als der auf dem Holzschnitte ersichtliche gestürzte Karrengaul, und vermöge der Wiedergabe seiner Bewegung
nicht von dem Urheber dieses „Todtentanzes" zu slammen.
In dem Skizzenbuche folgen auf die Reproduktionen der HolbeiiiTchen Todesbilder mehrere Copien nach
Stichen von Lucas van Leyden und Albrecht Dürer, dann einige Copien nach Zeichnungen, deren Urheber sich
nicht genau bestimmen lassen. Zehn Blatter enthalten hierauf Originalstudien zu dem Hauptwerke Callot's, der auf
sechs Platten gestochenen grossen Darstellung der Belagerung von Breda. Bekanntlich war die Anfangs Juni 1625
erfolgte Übergabe der von den Spaniern unter Spinola durch volle neun Monate belagerten Festung Breda
in Spanien als ein so freudiges Ereigniss betrachtet worden, dass Velazquez im Auftrage PHlLirr'S IV. die heute
im Madrider Museum (Nr. 1060) befindliche, unter dem Namen „Las lanzas" berühmte Bild der Belagerung malen
musste, während seine Statthalterin in den Niederlanden, die durch Rubens verewigte Infantin ISABELLA CLARA
EuGENlA, bei Callot einen Stich bestellte. Das Skizzenbuch des Künstlers beweist nun, dass er sich schon während
der Belagerung der Stadt und nicht, wie man bisher glaubte, erst nach deren Einnahme dort aufgehalten hat;
auf einem Blatte hat er sogar sich selbst, mitten unter den Soldaten zeichnend, dargestellt. Der Rest des Skizzen-
buches enthält zum Theile Reminiscenzen an seine eigenen Kupferstiche, theils verschiedenartige Naturstudien
welche trotz aller Flüchtigkeit, grosse Unmittelbarkeit der AuffalTung und Schärfe der Beobachtung, sowie eine
aussergewöhnliche Sicherheit des Striches erkennen lassen
Für" den Entwicklungsgang des Meisters ist das besprochene Skizzenbuch desshalb von Bedeutung, weil es
in die Zeit fallt, in welcher derselbe in die reisste Epoche seines Schaffens trat, dem durch den Tod vorschnell
das Ziel gesetzt worden ist. In seiner vortresslichen Monographie „Recherches sur la vie et les ouvrages de Jacques
Callot" (Paris, 1860) unterscheidet Edouard Meaunie drei Perioden in der Entwicklung des lothringischen Meisters
und bezeichnet als die letzte das Decennium von 1625 bis zu seinem Tode. Da hat Callot alle Phantastereien seiner
ersten Periode, welche man die italienische nennen kann, schon abgestreift; er gibt sich nicht mehr mit Copien
 
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