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DIE MODERNE ITALIENISCHE GRAPHIK.

(Anläßlich der italienischen Kunstausstellung im Frühjahr 1933 in Wien.)

Gleichzeitig mit einer Bilderschau hat die
rührige Genossenschaft der bildenden Künstler
Wiens im Frühjahr 1933 eine interessante Auswahl
italienischer Graphik ausgestellt, welche einige
der bedeutendsten lebenden Künstler umfaßt. Die
wichtige Erkenntnis derimmermehrzunehmenden
Bedeutung, die der italienischen Graphik im euro-
päischen Kunstleben zukommt, gibt mir Gelegen-
heit, dieses Thema im Rahmen der vorliegenden
Zeitschrift ausführlich zu behandeln.

Dank dem korporativen Verwaltungssystem
des faschistischen Staates sind heute in Italien
über 300 Graphiker bekannt, die verschiedenen
Künstlervereinigungen angehören. Ihre ideellen
und materiellen Interessen vertritt in vorbildlicher
Weise die »Sezione Bianco e Nero« des »Sindacato
Nazionale Fascista Belle Arti«, welche vor vier
Jahren zu diesemZweck insLeben gerufen wurde.
Zahlreiche interessante Ausstellungen von nationaler und ausländischer Kunst, die sich eines
wachsenden Zulaufs erfreuen, sowie eine Sammlung zeitgenössischer italienischer Graphik, welche
die »Sezione Bianco e Nero« in der »Regia Calcografla di Roma« errichtet hat, geben einen klaren
Begriff von der Vielseitigkeit und Bedeutung des italienischen Schaffens auf diesem Gebiete.

Die Hauptvorzüge unserer modernen Graphiker sind Ehrfurcht vor der Tradition und solide
technische Vorbildung. Dabei halten die besten unter ihnen nicht etwa an erstarrten, längst über-
lebten Formen fest, sie versuchen vielmehr, ihre eigenen Ausdrucksmittel dem neuen Zeitstil
anzupassen und unterzuordnen, und vermeiden absichtlich jede Art von künstlerischer Übertreibung,
die zur effektvollen Phrase verleitet. Einige gehen freilich in dieser reaktionären Richtung etwas
zu weit. Sie verachten jede gefällige Wirkung, entkleiden die Natur ihrer sinnlichen Schönheit und
beschränken sich auf die dürftigsten Darstellungsmittel. Sie erreichen dadurch wohl öfters eine
größere Ausdrucksfähigkeit, die allerdings mit physischer Schönheit nicht unvereinbar wäre, aber
in erster Linie durch eine fast asketische Strenge, durch unermüdliches Studium und künstlerische
Selbstdisziplin erreicht wird.

Im Lager des »Bianco e Nero« erscheint die Graphik im Gefolge und als Variante ihrer
Schwesterkunst, der Malerei. Die Mitglieder dieser Vereinigung, die meist selbst Maler sind, machen

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