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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 3.1938

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Kurth, Betty: Zwei verschollene Werke Albrecht Altdorfers
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https://doi.org/10.11588/diglit.6338#0008
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Sammlung trägt das (vielleicht vom Original kopierte) Monogramm Albreclit Altdorfers (Abb. 2).
Eine Zeichnung im Pariser Louvre zeigt auf einem Stein zu Füßen des Heilandkreuzes die
gefälschte Signatur Lukas van Leydens mit der Jahreszahl 1512 (Abb. 3). Die vierte Zeichnung
im Städel-Institut zu Frankfurt a. M. ist 1518 datiert (Abb. 4), eine vereinfachte schwächere
Kopie in Erlangen 1517.1 Das sechste Blatt ohne Datum, vielleicht eine Pause, wird im Kupfer-
stichkabinett zu Basel verwahrt.

Zeigen schon die kühne Neuschöpfung, der wilde Rhythmus, die bewegte Dramatik der
groß gebauten Szene, daß es sich um die Erfindung eines bedeutenden Meisters handelt, so
weisen bezeichnende Stilmerkmale, wie die unruhige Beweglichkeit der Strichführung, die
alle Formen mit zackigen, spitz ausladenden Lineamenten umreißt, die flatternden Gewänder,
die erregten Konturen der weit sich erstreckenden Landschaft, die vegetabile Belebung der
toten Kreuzhölzer auf die charakteristische Handschrift Albrecht Altdorfers.

Viele Beziehungsfäden laufen zu anderen gesicherten Werken des Meisters. Der Grundplan
des kompositioneilen Aufbaues wiederholt sich im Gegensinn auf einem Gemälde des Ger-
manischen Nationalmuseums (Abb. 5). Hier kehren nicht nur die im Bildinnern sich kreuzen-
den Diagonalbewegungen wieder, sondern eine ähnliche vor Albrecht Altdorfer kaum nach-
weisbare Aufstellung und Verteilung der Kreuze in verschiedenen Ebenen des Bildraums.
Der Scherge in Zeitkostüm unter dem Kreuz des Herrn, der mit Hellebarde und emporgeho-
benem Arm den Drehpunkt der ganzen Darstellung bildet, erscheint ähnlich nicht nur auf
dem oben erwähnten Gemälde in Nürnberg, sondern auch auf einer Zeichnung mit dem
Sebastiansmartyrium von 1511 im Braunschweiger Kupferstichkabinett.2 Die scharfe Ver-
kürzung des Kreuzes, die Gestalt des Heilands mit dem wild flatternden Lendentuch sind
mit einer Zeichnung derselben Sammlung zu vergleichen,3 während die in Dreiecksform
zusammengefaßte Mariengruppe auf dem Kreuzigungsbild in Budapest ihre Analogie findet.4
Endlich sind die Fülle der Nebenaktionen, das Gewimmel der lebhaft bewegten Figuren des
Hintergrundes, die Gerichtsszenen mit Galgen, Rad und Exekution durchaus originelle, in
der Erfindungssphäre Altdorfers liegende Motive.

Geben auch die Kopien keinen sicheren Aufschluß über die Technik, in der das Original
ausgeführt war, so ist doch die Annahme gerechtfertigt, daß es sich um eine graphische Arbeit,
um eine Handzeichnung oder einen Kupferstich des Meisters handelte. Für einen Kupferstich
sprechen im besonderen die Häkchen bei der Innenzeichnung der Gewänder, die lineare
Präzision der Kopie des Meisters J. S., vor allem aber die Tatsache, daß sich noch eine zweite
Kopie dieses anonymen Monogrammisten, und zwar nach einem erhaltenen Kupferstich
Albrecht Altdorfers nachweisen läßt.5

Die Entstebungszeit des Urbildes ist in die Jahre 1510 oder 1511 zu setzen, da alle stilisti-
schen Einordnungsmerkmale zwischen Altdorfers Frühwerken von 1508 und der Hauptgruppe
seiner Meisterzeichnungen von 1512 die Brücke zu schlagen scheinen.

Eine andere Altdorfer-Komposition, die Enthauptung Johannes des Täufers, ist
in Ölgemälden und Zeichnungen überliefert. Qualitativ an erster Stelle steht das im Katalog
der Sammlung Lanna, Prag, noch als Werk Altdorfers angeführte Gemälde im Wiener Kunst-

1 Elfried Bock, Die Zeichnungen in der Universitätsbibliothek Erlangen. Frankfurt a. M. 1929. Nr. 816. S. 202.
Hier wird das Blatt als Kopie nach Meister J. S. bezeichnet.

2 Ed. Flechsig, Zeichnungen alter Meister im Landesmuseum zu Braunschweig. Frankfurt a. M. 1920—1922.
Taf. 15.

3 Flechsig, a.a.O. Taf. 16. — Max J. Friedländer, Albrecht Altdorfer. Berlin 1923. S. 55.
1 Max J. Friedländer, Albrecht Altdorfer. S. 137.

5 Max J. Friedländer und Elfried Bock, Zeichnungen alter Meister im Kupferstichkabinett Berlin. S. 5.
Inv.-Nr. 98. Kopie einer Kreuzigung nach dem Stich B. 8.

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