Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Editor]
Die Graphischen Künste — N.F. 4.1939

DOI article:
Bodmer, Heinrich: Die Entwicklung der Stechkunst des Agostino Carracci, [1]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6339#0127
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
1. Domenico Tibaldi: Madonna della Rosa,
nach Parmigianino

2. Cornelis Cort: Hl. Hubertus

Umschwung erfolgte erst gegen 1565, als der Künstler nach Venedig übersiedelte und unter
den Einfluß Tizians geriet. Über ein Jahr hat er in der Werkstatt des Altmeisters der vene-
zianischen Malerei gearbeitet und durch seine Stiche eine Reihe bekannter Bildkompositionen
des greisen Malers reproduziert. In enger Anlehnung an die Zeichenkunst Tizians, die schon
auf die frühere Generation der Stecher einen so großen Einfluß ausgeübt hatte, bildet er
einen neuen geschmeidigen und formklaren Stil aus, welcher dem reproduzierten Bildinhalt
eine ruhige monumentale Schönheit verleiht und gleichzeitig den dargestellten Gegenständen
ihre materielle und stoffliche Eigenart beläßt. Mit dieser Stechkunst stellt sich Cort in wenigen
Jahren an die Spitze der italienischen Graphiker und schafft die Grundlage für eine rasch
aufblühende und sich über ganz Italien ausbreitende Reproduktionskunst, die sich der Wieder-
gabe der klassischen Werke von Malerei und Bildhauerkunst widmet. Seiner außerordentlich
beweglichen und anpassungsfähigen, dabei vornehm zurückhaltenden Stechkunst war es vor-
behalten, nicht nur den mittelitalienischen Manierismus, sondern auch der gänzlich anders
gearbeiteten venezianischen Kunst das geschmeidige und willfährige Mittel zur Verbreitung
ihrer Bildgedanken in der Schwarzweißtechnik zu liefern (Abb. 2).

Agostino muß schon früh erkannt haben, welch große Entwicklungsmöglichkeiten in der
Kunst Corts schlummerten, der sich mit so souveräner Sicherheit von allen früheren Methoden
und Stechverfahren losgesagt hatte. Hier fand er die zeichnerische Klarheit und Limpidität,
welche seinem früheren Lehrer Domenico abging, hier fand er aber auch die Transparenz
und Lockerheit der Strichlagen, ohne die eine künstlerische Nachbildung eines gegebenen
Bildinhaltes nicht möglich war. Cort hat Agostino den Weg gewiesen, wie er die Härten des
von Domenico übernommenen manieristischen Verfahrens überwinden und sich zu einer
harmonisch in sich abgeklärten und lebensvoll wirklichkeitsnahen Form des graphischen Aus-

16*

123
 
Annotationen