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Tech n i k

Das Wesen des hochlitzigen Stuhles erschließt sich am schnellsten an Hand der Tafeln
der Diderotschen Enzyklopädie.

Abb. 1 eröffnet den Blick in den Bildwirkersaal. Der Grundriß zeigt eine lang-
gestreckte Galerie; es handelt sich wahrscheinlich um das BAtelier du Nord" der
Gobelins, in dem einst Jan Jans mit acht Gezeugen tätig war. Die Gesamttiefe des
Raumes beträgt etwa 4,25 m; dem Wirker hinter dem Gezeug steht ein Arbeitsraum
von nur 80 cm zur Verfügung. Die Spannweite der Stühle, d. h. der lichte Raum
zwischen den beiden Stützsäulen wechselt zwischen 4,70 m und 5,50 m.

Auf einem durch eiserne Bänder mit dem Boden verbundenen Fußgestell erheben
sich die schweren seitlichen Säulen, in dem Diderotschen Plane mit / bezeichnet.
Unten tragen sie den Warenbaum, oben den Kettenbaum (d). Der bereits fertig-
gestellte Teil des Teppichs ist deutlich erkennbar; bei dem ersten Gezeug lugt das
Gesicht eines Wirkers zwischen dem Kettfach hervor. Eine große hölzerne Tafel (c)
schützt die aufgerollte Wirkerei vor Beschädigungen und Staub; entsprechend deckt
ein Leinenstreifen die Kette des oberen Baumes. Die kleinere Tafel b blendet den
störenden Reflex des Bodens ab. Schwere Spannhölzer sind mittels Tauwerk an den
Stützsäulen verankert.

Der Saal ist verhältnismäßig hoch; eine unmittelbare Befestigung der beiden Säulen-
köpfe mit den Deckenbalken — die im allgemeinen übliche Art — ist nicht möglich;
Verstrebungen dienen zur Sicherung der Stühle.

Die Art der Bedienung der Spannvorrichtung zeigt der letzte Stuhl. Drei Arbeiter (/)
zerren mit voller Kraft den Hebel nach unten. Bei dem vierten Gezeug ist der obere
Spannbalken ausgelöst; der Wirker rollt mit Hilfe des unteren Hebels den fertig-
gestellten Teil des Teppichs auf den Warenbaum. Vor dem dritten Stuhle kniet ein
Wirker; mit Hilfe einer Pinzette entfernt er vorstehende Unebenheiten des Behanges.
Ein Gehilfe trägt in dem Flietenkasten neues Arbeitsmaterial den Kollegen zu.

Im Vordergrunde entnimmt ein Wirker der Truhe die erforderlichen Flieten; eine
Frau ist eifrig mit dem Bespülen beschäftigt; ein Kind bringt Wollen- und Seidengarne.

Die nächste Abbildung (2) bringt den hochlitzigen Stuhl in seinen ver schiedenen
Ansichten. Fig. 1 zeigt das Gezeug von der Vorderseite. Wir erkennen die Ständer,
die in ihnen verzapften Bäume — die Kettennut des Warenbaumes ist dem Beschauer
zugekehrt —; als neues Element erscheint der Litzenstab. Zum Verständnis sei vor-
läufig bemerkt, daß man unter Litzen Fangschnüre versteht, die eine Fadengruppe,
den 2., 4., 6., 8., 10., 12. usw. Kettfaden mit Hilfe von Schlingen fassen und zu
einem System zusammenschließen. Die Litzen hängen in leichtem Bogen an dem
erwähnten Litzenschaft, der wiederum auf einem verstellbaren Eisen (Fig. 2e) ruht.
Das ungleichmäßige Fortschreiten der Arbeit bedingt die Einschaltung von Hilfslitzen-
stäben (Fig. 5 c), in dem Querschnitt (Fig. 2) durch den am oberen Litzenstab hängenden
zweiten Schaft markiert. Die Mauer ist nach oben schräg geneigt (Fig. 2); die vor-
stehenden Spannhölzer und Litzenschäfte erklären ohne weiteres die Zweckmäßigkeit
dieser Anordnung. Der enge Arbeitsraum wird noch beschränkter durch die hinter
dem Wirker aufgehängte Bildvorlage. Der in dem Boden angebrachte Versenkungs-
schlitz, in den mittels Seilzügen der Karton herabgelassen wTerden konnte, hat noch
keine Anwendung gefunden. Fig. 3 bringt den Schnitt durch den W arenbaum. Die
Kette (b) ist auf den Stab (c) aufgebäumt, ein derber eiserner Pflock drückt den
Schaft in die Nute und verhindert ein Herausspringen. Fig. 4 zeigt die außerordent-
lich einfache Spann Vorrichtung. Auf dem nächsten Bilde (Fig. 5) erscheint das Gezeug
vom Wirker aus gesehen. Der Litzenschaft (b) mit den daranhängenden Hilfslitzen (c)
ist unschwer zu erkennen. Die in den Stützsäulen vorgesehenen Löcher ermöglichen
eine beliebige Einstellung des Hauptschaftes. Die Spannweite des Stuhles zwischen den
Säulen beträgt rund 51/2 m, die Höhe bis Oberkante Kettenbaum etwa 2,60 m.

Die Technik des Spannens illustriert ausführlicher Abb. 3. Ein Detail (Fig. 2) bringt
den Schnitt durch den Kettenbaum, die Befestigung des Faches geschieht in der
gleichen Weise wie beim Warenbaum. Fig. 3 zeigt das Aufrollen des fertiggestellten

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