Technik
stab liegt die ungerade Gruppe 1, 3, 5, 7 usw., hinter dem Kreuzstab das gerade Fach
% 4, 6, 8 usw. Bei der ersten Serie genügt ein leichtes Yorholen, bei der zweiten
ist ein starkes Ziehen mit Hilfe der Litzen, die die Kettfäden bis zum ungeraden Fache
und über dieses hinaus zerren, erforderlich, um die Spalte zu erzielen; d. h. die an-
gelitzten Ketten erleiden andauernd eine weitaus schärfere Spannung wie die unge-
litzten. Aus der Tatsache folgt ohne weiteres, daß das gerade Fach viel schneller
schlaff wird wie das ungerade. Die Eigenart tritt um so stärker in Erscheinung,
je länger das Aufrollen und Neuspannen hinausgeschoben wird. Das Ergebnis auf die
Struktur des Gewebes äußert sich darin, daß bei Beginn der Arbeit die Rippen in
gleicher Stärke, oder wie der alte Ausdruck heißt, im gleichem «Korne" erscheinen;
nach und nach macht sich eine winzige Ungleichheit bemerkbar; der schlaffere Faden
bildet eine etwas stärkere Rippe, das ungerade Fach bleibt in der alten straffen, d. h.
etwas niedrigeren Form. Den Meistern der Gobelins war das Merkmal zweifelsohne
nicht fremd; man wußte den Fehler, wenn dieser Ausdruck überhaupt berechtigt er-
scheint, durch rechtzeitiges Neuspannen zu vermeiden, und erzielte alsdann die eben-
mäßige Fläche der Basselissewirkerei, bei der beide Fadengruppen durch Schäfte in
Betrieb gesetzt werden. Als Unterscheidungsmerkmal diente der rote Faden. Im übrigen
verlangt die erwähnte Feststellung ein geübtes Auge. Auch Basselisseteppiche zeigen
nicht selten den Wechsel zwischen starker und flacher Rippe. Die Erscheinung hat
jedoch mit dem Wesen des Einschlages nichts zu tun, sie entsteht durch nachlässige,
ungleichmäßige Arbeit, durch unsachgemäßes Niederkämmen. Zudem tritt sie nie mit
der periodischen Regelmäßigkeit auf.
Ein Charakteristikum der tieflitzigen Technik, das allerdings nicht in der Eigenart des
Kettfaches, sondern in der Benutzung der Fliete begründet ist, findet in den folgenden
Abschnitten nähere Erläuterung.
Der tieflitzige Stuhl.
Die Konstruktion des tieflitzigen Gezeuges entspricht im wesentlichen dem alten
Handstuhl der Leinenweber; das Riedblatt fehlt naturgemäß, es wird durch den Wirker-
kamm ersetzt. Abb. 12 eröffnet den Blick in einen alten Basselissesaal der Gobelins.
Den Kettenbaum — im Vordergründe — deckt das schützende Laken, die Handwerker
sitzen unmittelbar hinter dem Warenbaum. Deutlich erkennbar sind die Schäfte;
Trittvorrichtungen, die das gerade und ungerade Kettenfach je nach Wunsch heben
und senken. Die Konstruktion der Stühle zeigt bereits die Neilson-Yaucansonsche
Verbesserung aus dem Jahre 1757; ein Schraubengewinde schiebt den Kettenbaum
nach Bedürfnis vor- oder rückwärts, spannt oder lockert das Fach. Das letzte Gezeug
des Saales illustriert die einfache von nur einem Wirker bediente Vorrichtung. Um
eine Nachprüfung des in Arbeit befindlichen Teiles der Bildwirkerei zu ermöglichen,
sind die Stühle zum Aufklappen eingerichtet. Im Rücken der Arbeitenden hängt an
Rollenzügen der Karton. Im Vordergrunde bespult ein Wirker die Flieten, ein zweiter
paust Werkpatronen. Eine Leiter führt zu einer Art Hängeboden, dem Aufbewahrungs-
orte für die Wollen und Seiden. An der Decke hängt an Rollenzügen eine derbe
Stange, dazu bestimmt, die fertigen Wandteppiche dem Beschauer vorzuführen. Abb. 13
zeigt den tieflitzigen Stuhl mit der alten Seilspannung. Die Konstruktion ist ohne
weitere Ausführungen verständlich. Die Wiedergabe eines Gezeuges alter Konstruktion
illustriert ein Barockteppich, der sich vor einigen Jahren im Besitze der Berliner Kunst-
handlung F. Rozendaal befand. Es handelt sich um eine mythologische Darstellung,
meiner Erinnerung nach um den Streit Athenes mit der kunstreichen Weberin Arachne.
Die Göttin ist am Basselissestuhl mit der Fertigung einer reichen Wirkerei beschäftigt.
Der Behang zeigt die Konstruktion mit allen Einzelheiten.
Die nun folgende Abb. 14 bringt An- und Aufsicht des verbesserten Gobelinstuhles,
der sich im übrigen trotz seiner anerkannten Vorzüge nur sehr langsam einbürgerte.
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stab liegt die ungerade Gruppe 1, 3, 5, 7 usw., hinter dem Kreuzstab das gerade Fach
% 4, 6, 8 usw. Bei der ersten Serie genügt ein leichtes Yorholen, bei der zweiten
ist ein starkes Ziehen mit Hilfe der Litzen, die die Kettfäden bis zum ungeraden Fache
und über dieses hinaus zerren, erforderlich, um die Spalte zu erzielen; d. h. die an-
gelitzten Ketten erleiden andauernd eine weitaus schärfere Spannung wie die unge-
litzten. Aus der Tatsache folgt ohne weiteres, daß das gerade Fach viel schneller
schlaff wird wie das ungerade. Die Eigenart tritt um so stärker in Erscheinung,
je länger das Aufrollen und Neuspannen hinausgeschoben wird. Das Ergebnis auf die
Struktur des Gewebes äußert sich darin, daß bei Beginn der Arbeit die Rippen in
gleicher Stärke, oder wie der alte Ausdruck heißt, im gleichem «Korne" erscheinen;
nach und nach macht sich eine winzige Ungleichheit bemerkbar; der schlaffere Faden
bildet eine etwas stärkere Rippe, das ungerade Fach bleibt in der alten straffen, d. h.
etwas niedrigeren Form. Den Meistern der Gobelins war das Merkmal zweifelsohne
nicht fremd; man wußte den Fehler, wenn dieser Ausdruck überhaupt berechtigt er-
scheint, durch rechtzeitiges Neuspannen zu vermeiden, und erzielte alsdann die eben-
mäßige Fläche der Basselissewirkerei, bei der beide Fadengruppen durch Schäfte in
Betrieb gesetzt werden. Als Unterscheidungsmerkmal diente der rote Faden. Im übrigen
verlangt die erwähnte Feststellung ein geübtes Auge. Auch Basselisseteppiche zeigen
nicht selten den Wechsel zwischen starker und flacher Rippe. Die Erscheinung hat
jedoch mit dem Wesen des Einschlages nichts zu tun, sie entsteht durch nachlässige,
ungleichmäßige Arbeit, durch unsachgemäßes Niederkämmen. Zudem tritt sie nie mit
der periodischen Regelmäßigkeit auf.
Ein Charakteristikum der tieflitzigen Technik, das allerdings nicht in der Eigenart des
Kettfaches, sondern in der Benutzung der Fliete begründet ist, findet in den folgenden
Abschnitten nähere Erläuterung.
Der tieflitzige Stuhl.
Die Konstruktion des tieflitzigen Gezeuges entspricht im wesentlichen dem alten
Handstuhl der Leinenweber; das Riedblatt fehlt naturgemäß, es wird durch den Wirker-
kamm ersetzt. Abb. 12 eröffnet den Blick in einen alten Basselissesaal der Gobelins.
Den Kettenbaum — im Vordergründe — deckt das schützende Laken, die Handwerker
sitzen unmittelbar hinter dem Warenbaum. Deutlich erkennbar sind die Schäfte;
Trittvorrichtungen, die das gerade und ungerade Kettenfach je nach Wunsch heben
und senken. Die Konstruktion der Stühle zeigt bereits die Neilson-Yaucansonsche
Verbesserung aus dem Jahre 1757; ein Schraubengewinde schiebt den Kettenbaum
nach Bedürfnis vor- oder rückwärts, spannt oder lockert das Fach. Das letzte Gezeug
des Saales illustriert die einfache von nur einem Wirker bediente Vorrichtung. Um
eine Nachprüfung des in Arbeit befindlichen Teiles der Bildwirkerei zu ermöglichen,
sind die Stühle zum Aufklappen eingerichtet. Im Rücken der Arbeitenden hängt an
Rollenzügen der Karton. Im Vordergrunde bespult ein Wirker die Flieten, ein zweiter
paust Werkpatronen. Eine Leiter führt zu einer Art Hängeboden, dem Aufbewahrungs-
orte für die Wollen und Seiden. An der Decke hängt an Rollenzügen eine derbe
Stange, dazu bestimmt, die fertigen Wandteppiche dem Beschauer vorzuführen. Abb. 13
zeigt den tieflitzigen Stuhl mit der alten Seilspannung. Die Konstruktion ist ohne
weitere Ausführungen verständlich. Die Wiedergabe eines Gezeuges alter Konstruktion
illustriert ein Barockteppich, der sich vor einigen Jahren im Besitze der Berliner Kunst-
handlung F. Rozendaal befand. Es handelt sich um eine mythologische Darstellung,
meiner Erinnerung nach um den Streit Athenes mit der kunstreichen Weberin Arachne.
Die Göttin ist am Basselissestuhl mit der Fertigung einer reichen Wirkerei beschäftigt.
Der Behang zeigt die Konstruktion mit allen Einzelheiten.
Die nun folgende Abb. 14 bringt An- und Aufsicht des verbesserten Gobelinstuhles,
der sich im übrigen trotz seiner anerkannten Vorzüge nur sehr langsam einbürgerte.
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