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Technik

nach einwärts (Abb. 24), dementsprechend wird der Anschluß der Nachbarfarbe un-
genau, es entsteht eine Art Tal. Die Wellenbildung bringt zudem eine wenig er-
freuliche Folgeerscheinung mit sich. Die vorstehenden Teile des Behanges sind einer
stärkeren Abnutzung ausgesetzt; wir finden den nicht allzuseltenen Fall, daß die
winzigen Hügelchen der Vorderseite vollkommen verschlissen sind, während der
Schuß der Rückseite intakt geblieben ist. Die Wellenbildung kann auch einer an-
deren Ursache ihre Entstehung verdanken. Wolle und Seide verhalten sich ver-
schiedenartig gegen Nässe. Wohl die wenigsten alten Wandbehänge blieben vor
einem feuchten Bade bewahrt; dienten doch die reichen Folgen als köstlichster Straßen-
schmuck bei hohen kirchlichen und weltlichen Festen. Es liegt ein starker Unter-
schied zwischen dem Beinigen eines Teppichs im fließenden Wasser und einem gründ-
lichem Durchregnen. Auch im letzteren Falle läßt sich Schaden vermeiden, wenn der
Behang ohne scharfes Zerren vollkommen eben zum Trocknen ausgebreitet wird. Wir
finden die Wellenbildung ferner bei Wandteppichen, die ohne Luftzirkulation auf
feuchten Saalwanden befestigt sind. Die salpetrige Nässe, der sich Jahrhunderte alter
Staub als zerstörender Faktor hinzugesellt, vernichtet die Seide vollkommen; das Ge-
webe wird derart mürbe, daß selbst bei vorsichtiger Berührung ganze Fetzen heraus-
brechen und wie Pulver zerfallen. In starkem Maße zeigte sich der Vorgang bei der
berühmten Indienfolge in dem großen Saale des ehemaligen Ordensschlosses zu La
Valetta auf Malta. In kleinerem Umfange habe ich die Beobachtung leider allzuoft bei
wertvollen Brüsseler und Pariser Folgen machen müssen, bei deren Instandhaltung
und Hängung nicht die genügende Vorsicht geübt worden ist. Auch der alte deutsche
Privatbesitz kann in dieser Hinsicht nicht immer als Vorbild gelten. So manche präch-
tige Reihe fällt noch in unseren Tagen Staub, Feuchtigkeit und Insektenfraß zum
Opfer. Selbst der Hinweis auf den bedeutenden Wert der Teppiche vermochte in
vereinzelten Fällen den Eigentümer — es handelt sich um alt überkommenen Be-
sitz, nicht um Stücke in Händen kunstsinniger Sammler — zu einer Reparatur zu be-
wegen. Bequemlichkeit und die seltsame Idee, daß ein Wandteppich um so wert-
voller sei, je schlechter sein Zustand, verdammen köstliche Behänge zur Vernichtung.

Ist der Einschlag, wie bereits angedeutet, gelegt, erfolgt das Niederschlagen mit dem
Kamm. Beim werkgerechten Teppich läuft der Schuß in geraden Linien durch. Man
kann, namentlich bei den kommerziell eingestellten kleineren Manufakturen des öfteren
die Feststellung machen, daß Wolle und Seide nicht gleichmäßig verarbeitet sind,
d. h. daß auf die gleiche Höhe an der einen Stelle etwa 10 Schüsse, an der anderen
vielleicht 16 Schüsse kommen. Um die Wagrechte wieder zu gewinnen, blieb dem
Wirker nichts weiter übrig, als die durch nachlässige Arbeit oder ungleichmäßiges
Niederkämmen gebrochene Linie durch Hilfseinschläge aufzuhöhen (Abb. 25). Daß
die anschließenden Teile in Mitleidenschaft gezogen werden, Beulen und Schlitze ent-
stehen, bedarf keiner näheren Begründung. Die frühen deutschen Teppiche zeigen
das Übel in starkem Maße; Wirkereien aus Großmanufakturen dagegen nur selten.
Das gleichmäßige Legen des Einschlages ist lediglich Übungssache, jeder Anfänger hat
mit dieser Schwierigkeit zu kämpfen. Das Niederschlagen erfolgt im übrigen in der
entgegengesetzten Richtung des Einschlages; andernfalls tritt leicht ein Straffen der
Kette ein. Bei nachlässigem Niederkämmen bleiben bisweilen Teile der Kette un-
bedeckt, die als weiße Pünktchen — der Wirker spricht von «Läusen" — unangenehm
auffallen. Die Einschlagnormen, die das Verhältnis des Schusses zur Kettstärke regeln,
besitzen kaum praktische Bedeutung.

Die Beulenbildung kann schließlich auch bei einem vollkommen sachgemäß durch-
geführten Wandteppich unter gewissen Umständen in Erscheinung treten. Die Kette
befindet sich auf dem Stuhle unter erheblicher Spannung. Der Tapissier schafft durch
den Einschlag eine Art Querversteifung, die auf die Kettenspannung je nach der
Dichtigkeit des Schusses mehr oder weniger abschwächend wirkt. Wird der Teppich
vom Gezeug genommen, so hört die Spannung plötzlich auf; die Kettfäden suchen,
soweit es der Einschlag zuläßt, in die normale Lage zurückzukehren. War die Span-

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