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Technik

nung zu scharf gewählt, so knickt die Kette namentlich an denjenigen Farbstellen ein,
die nur kurzen Einschlag aufweisen. Die Rippen verlaufen nicht mehr horizontal,
sondern mit mehr oder weniger häufigen Einbiegungen. Die Tatsache ist an unzäh-
ligen Wandteppichen zu beobachten. Von praktischer Bedeutung ist lediglich das
„Eingehen" der Kette, die Schrumpfungserscheinungen des Schusses — also senkrecht
zum Kettfach — sind bedeutungslos. Je ungenauer die Arbeit durchgeführt ist, je
weniger sorgfältig der Wirker das Niederschlagen des Schusses vorgenommen hat,
um so entstellender macht sich das Eingehen bemerkbar. Die Tatsache erklärt in
erster Linie die störenden Verzeichnungen der Bildteppiche. Bei grober Kette — die
Schuß Verbindungen sind weniger zahlreich, die Versteifung ist also schwächer —
macht sich das Eingehen stärker bemerkbar wie bei feiner Kette; die letztere hat
dagegen wieder den Nachteil, daß die dünnen Seidenlichter leichter schrumpfen, die
horizontale Rippe also häufiger geringe Einknickungen erleidet. Bestimmte Normen
über die Stärke des Eingehens zu geben, ist gewagt; der Effekt hängt von dem ver-
wandten Material, der Stärke der Kette und der Güte der Arbeit ab. Nach einer
Berechnung Fönailles beträgt die Einschrumpfung bei einem normalen Gobelinbehang
mindestens 5 cm auf den Meter Kettenlänge; sie kann sich bei mangelhaft durch-
geführter Arbeit wesentlich verstärken. Die schädigende Wirkung der Eingehens
äußert sich in erster Linie in der Veränderung der in dem Teppich wiedergegebenen
Konturen. Stehen Figuren senkrecht zur Kette, so schrumpfen sie zusammen, d. h. sie
werden schlanker, das Oval des Gesichtes wird spitz; verläuft die Kontur parallel zur
Kette, z. B. bei den unter den Rädern Zermalmten der Petrarcaschen Triumphe, so
werden sie gedrungener, das Gesicht geht in die Breite. Bei starken Einschrump-
fungen bilden sich Verzerrungen, die fast grotesk wirken. Der Patronenmaler, sofern
er sein Fach versteht, nimmt auf das unvermeidliche Eingehen Rücksicht, Es gehört
eine genaue Materialkenntnis dazu, den richtigen Maßstab zu treffen. Es kann auch
vorkommen, daß der Zeichner die Einschrumpfung zu weitgehend berücksichtigt; es
entstehen dann Erscheinungen wie die bekannten Keulenbeine, die nicht selten auf
Oudenaarder Behängen des 16. Säkulums anzutreffen sind. Das Eingehen ist in starkem
Maße davon abhängig, ob der betreffende Behang lange oder kurze Zeit auf dem
Gezeug verbleibt. Handelt es sich um eine umfangreiche Arbeit, die vielleicht ein
Jahr und länger in Anspruch nimmt, so verliert die Wollenkette an Elastizität; das
Eingehen wird wesentlich schwächer. Noch mehr macht sich diese Tatsache bei der
Baumwollenkette bemerkbar, bei der von einem Schrumpfen kaum noch die Rede ist.
Bei kleinen Stücken, die schnell fertiggestellt werden, ist hingegen die Gefahr des
Eingehens stark; die Verzerrungen so mancher Behänge schneharbeitender Manufak-
turen finden in dieser Erscheinung ihre Erklärung. Es fehlt noch an genügenden
Vorarbeitungen, um die auf das Einschrumpfen eingestellte Technik der Patronen-
malerei endgültig zu klären. Von Interesse wäre z. B. ein Vergleich der vatikanschen
Folge der Taten der Apostel mit den Londoner Kartons. Guillaumot sucht in seiner
mehrfach erwähnten „Notice" dem Einspannen im Blendrahmen, unmittelbar nach der
Fertigstellung, das Wort zu reden. Das störende Eingehen infolge der Kettspannung
und der Feuchtigkeit, die den Wollen und Seiden angeblich noch aus dem Färbe-
prozeß anhaftet, werde hierdurch in einfachster Weise vermieden. Der Vorschlag
entbehrt des Reizes der Neuheit. Bereits im 16. Jahrhundert spannte man kleinere
Wirkereien in Rahmen. Es sei nur auf die Nachlaßbestimmung des Tournaisers Claude
Dimence dit le Lombart von 1539 aufmerksam gemacht. „Je donne ä ma niepee
femme ä sire Simon Bernard mon ymaige de nostre Dame qui tient son enffant dans
ses bras, de tappisserie, avec que les chasis de bois pour y mettre quand on veult."
Der Erblasser hatte die richtige Empfindung, wenn er von dem kleinen Behang mit
dem zugehörigen Rahmen als Bild, „ymaige", sprach. So zweckmäßig der Blend-
rahmen in mancher Hinsicht sein mag, auf jeden Fall vernichtet er die Eigenart des
Wandteppichs, der nie zum Staffeleibild werden soll; er nimmt dem Behang Leben
und Beweglichkeit. Der Blendrahmen ist nur für Sonderfälle zu empfehlen, zum

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