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Technik

selbst so riesenhafte Schlitze, wie die Ansätze der oberen und unteren Bordüren durch
Nähte erledigten; ein Verfahren, das seine Dauerhaftigkeit im Laufe der Jahrhunderte
bewährte. Die neuere Methode, größeren Spalten einen besseren Halt durch perio-
disch eingelegte etwa 5 bis 10 cm lange Bindungen zu verleihen, findet sich bei früheren
niederländischen Arbeiten, — soweit mein Prüfungsergebnis diese Feststellung zuläßt —
nicht. Dagegen kommt mitunter eine Technik vor, die in ihrer Wirkung an die „ge-
schlagenen Schraffen" erinnert, deren Eigenart noch eingehendere Besprechung findet.
Die Methode besteht einfach darin, abwechselnd den Einschlag der Grenzkette dem
einen und dem anderen Farbenfeld zuzuteilen und so die Bindung herzustellen. Das
Verfahren ist namentlich zweckmäßig, wenn es sich um Felder nahverwandter Farben
handelt, z. B. wenn Weiß mit Hellgelb verbunden wird, Gelb mit Braun usw. Es
wechseln dann, einander verzahnend, weiße Punkte mit gelben (Abb. 32). Die Methode
führt letzten Endes zu dem System von Deyrolle, der zur Erzielung neuer Nuancen
bewußt freie Farben miteinander kombinierte.

Erforderlich wird die Bindung bei schmalen Farbenstreifen, zumal wenn dieselben
einen stark unregelmäßigen Charakter zeigen. Abb. 33 bringt ein derartiges Beispiel.
Kombiniert werden die drei Farben A, B und C. Der Ton A baut sich in der be-
kannten Weise auf, die Kettfadenzahl wechselt entsprechend der Linienführung der
Patrone. Schwieriger gestaltet sich die Einführung des schmalen Streifens B und die
Verankerung mit C. Deckt der Farbenfleck B noch drei und mehr Kettfäden, so ist
eine Bindung technisch noch nicht erforderlich; bleiben dagegen zwei oder gar nur
ein Kettfaden als tragendes Moment übrig, so muß die Verschlingung mit der an-
schließenden Farbe durchgeführt werden, sofern die Struktur der Wirkerei nicht Not
leiden soll.

Kehren wir zu den doppelt und dreifach gesetzten Schraffen zurück. Die vorauf-
gegangenen technischen Erläuterungen erklären ohne weiteres den Vorgang (Abb. 34).
Die winzigen, durch die Ausschaltung des dritten Fadens bedingten Schleifen sind
deutlich erkennbar. Bei dem Demotteschen Beispiele ist Schraffe / rotbraun, Schraffe //
karmin, der Grund himbeerfarben. Die Abstufung der einzelnen Schraffen richtet sich,
wie bereits erwähnt, ganz nach der Eigenart der Vorlage. Es ist durchaus nicht not-
wendig, daß die einzelnen Absätze in symmetrisch fortlaufenden Längen gelegt werden.
Handelt es sich z. B. um eine scharfe Gewandfalte, so wird es erforderlich, den Uber-
gang des einen Farbentones energischer zu fördern, d. h. die Schraffensätze nach dem
Schattengrunde hin zu häufen und zu kürzen.

Doppelseitige Schraffen werden namentlich dann verwandt, wenn es gilt in hellerem
Grunde kurze, wuchtige Schatten zu betonen.

Lacordaire erläutert in seinen „Notices" eine jüngere Lösung der Schraffen, die
für die Bildteppichmanufakturen bis zum Beginne des 19. Jahrhunderts bedeutungslos
geblieben ist (22). Es handelt sich um das System Deyrolle, das um 1812 in den
Gobelins bei den Basselisseateliers in Aufnahme kam und später (1825) auch bei dem
hochlitzigen Stuhl eingeführt wurde. Der Erfinder, ein bewährter alter Praktiker,
geht von dem Grundsatze der „superposition" aus, d. h. er legt verschieden gefärbte
Schraffen abwechselnd übereinander; der Zusammenklang der beiden Nuancen ergibt
den gewünschten Ton. Abb. 35 illustriert das Schema der „hachures ä deux nuances".
Schraffe / ist rot, Schraffe 77 blau, /// wiederum rot, IV blau; das Endergebnis be-
deutet ein leuchtendes Violett. Legt man rötliche und grünliche Schraffen nebenein-
ander, so entsteht ein zartes Grau, bei Rot und Gelb blüht ein Orange auf, bei Blau
und Gelb ein intensives Grün. Die Methode erstrebt in erster Linie, den Färbeprozeß
nach Möglichkeit einzuschränken, Tonwerte zu erzielen, die sich auf chemischem Wege
nur unter großen Schwierigkeiten und Kosten erreichen lassen. Der Nachteil des Ver-
fahrens liegt darin, daß das Verbleichen der übereinander gesetzten Nuancen nicht im
gleichen Maßstabe stattfindet, daß der erwünschte Farbenzusammenklang nur eine
gewisse Lebensdauer besitzt, um einer unberechenbaren Tönung, die nicht selten die
Harmonie der Farben in gröblichster Weise stört, zu weichen. Der Prozeß erinnert

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