Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Technik

in gewissem Sinne an das Verbleichen mancher flämischen Yerdüren des 17. und 18. Jahr-
hunderts. Das aufgefärbte Gelb schwand, die voraufgegangene intensive Waid-Indigo-
Küpe läßt die Blätter in strahlendem Blau erscheinen. Andererseits finden wir auch
den umgekehrten Vorgang, das aufgesetzte Blau erwies sich als der schwächere Teil,
das Blattwerk ist gelb geworden. Das Deyrollesche System ist heutzutage meines
Wissens bei keinem europäischen Atelier mehr im Gebrauch. Das Verfahren wurde
in der französischen Staatsmanufaktur 1888 durch Gerspach abgeschafft.

Eine Neuheit stellte die Deyrollesche Methode auch zur Zeit ihrer Erfindung nicht
dar; sie ist in erster Linie bemerkenswert durch den systematischen Aufbau, der in
einer regelrechten Farbenlehre endet. Die Literatur ist verhältnismäßig umfangreich;
die als Manuskript gedruckte Schrift des Enkels (Luden Deyrolle) ist mehr allgemeinen
Inhalts (23). Deyrolle fußt auf einem Verfahren, das bereits im 16. Jahrhundert empi-
risch geübt wurde. Verwendet ein Bildteppich Wolle und Seide, so ist, namentlich
bei stärkeren Ketten, eine mehrfache Beschickung der Seidenflieten zur Erreichung
der Höhe des Wollenschusses erforderlich. Um gewisse Effekte zu erzielen, z. B. das
Glitzern eines blaustählernen Panzers, legte der Wirker blaue und weiße Seide auf
die Fliete. Er erhielt dann Flächen, in denen die blauen und weißen Pünktchen in
eigenartiger Zwischennuance vibrierten. Die Methode ist u. a. bei der Rüstung des
bärtigen Kriegers in dem Brüsseler Jakob- und Esauteppisch (Abschnitt Brüssel) mit
Geschick durchgeführt. Auch das altberühmte vjaune-verdätre" geht auf die gleiche
Arbeitsweise zurück. Dunkelgrüne Schatten lösen sich im hellen Geh) der Lichtfarbe-
Um den Übergang weicher zu gestalten, wird gelbe und grüne Seide gemeinsam auf-
getragen. Noch intensiver bedienen sich die Barockteppiche des Verfahrens, in dem
allegorischen Behang der Brüsseler Decius-Mus-Reihe — Decius (Mars) und Roma —
werden die Früchte der Bordüre in einer Weise gelöst ■— durch Zusammenspulung
von rosa und grüner Seide entsteht ein grauer Ton —, die stark an das Deyrollesche
System erinnert.

Unzählige frühe und späte Beispiele dieser Art lassen sich anführen. Dr. Fraunberger
erwähnt u. a. den frühen Behang w Jagd wilder Männer" im Bayerischen Nationalmuseum
zu München. Helle, sehr schmale Streifen lichten die dunklen Farbenflecken. Es handelt
sich in der Regel um lange, sehr dünne Schraffen, die bisweilen in Striche ausarten.
Die Barockzeit macht von diesem Hilfsmittel ausgiebigen Gebrauch. Van der Strecken
setzt in der „Begrüßung Kaiser Konstantins" mit Kühnheit und Sicherheit hellgelbe
Linien in schwarzbraune Gewandschatten, die erzielte Wirkung ist außerordentlich
günstig.

Die «Schichtung" (battages), nicht zu verwechseln mit der Schichttechnik der skan-
dinavischen Manufakturen, kommt in erster Linie bei stehenden Säulen, Lanzenschäften
und dergleichen zur Anwendung, d. h. in all den Fällen, bei denen ein Verschmelzen
der Farbentöne durch Schraffen der gewöhnlichen Art erschwert wird, aus dem ein-
fachen Grunde, weil ein Farbenwechsel auf lange Strecken nicht zu erreichen ist.
Trotzdem haben flämische Bildwirker die Lösung senkrechter Säulentrommeln —
beim Wirkverfahren liegen sie horizontal — auch mit Hilfe der gewöhnlichen Schraffen
zu erzielen gesucht; die Wirkung ist zumeist eine wenig glückliche. Findige Meister
halfen sich, indem sie die Säule in Farbenstellen auflösten, bunten Marmor oder
farbigen Sandstein vortäuschten. Als typisches Beispiel erscheint der mehrfach er-
wähnte allegorische Behang der Decius-Mus-Reihe (Abschnitt Brüssel). Eine Unzahl
farbiger Flecken ist geschickt neben- und übereinandergesetzt; Rundung und Charakter
des Steines wird in allzu mühsamer Technik erreicht.

Die Schichtung besteht in einem System übereinandergelegter Farbenstreifen, die
durch den Wechsel den Übergang vom Licht zum Schatten zu gewinnen suchen; sie
sind in gewissem Sinne Vorläufer des Deyrolleschen Systems, von dem sie sich in-
sofern jedoch wesentlich unterscheiden, als sie nicht die Erzielung neuer Töne, sondern
die plastische Gestaltung anstreben. Bei umfangreichen Körpern wird die Differenzie-
rung mitunter recht kompliziert. Um Rundimg und Materialfarbe zu erreichen, wird

20
 
Annotationen