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Technik

Wirkungen zu erzielen genügende Erklärung, ein gewisses Protzentum spielt zweifels-
ohne mit. Das Wörtchen «Gold- verfehlt auf den Menschen der Gotik und Renaissance
ebensowenig seine packende Wirkung, wie auf den Erdenpilger unserer Tage. Ob es
sich um die golddurchwirkten Behänge in der Halle Heorot handelt, um die glitzern-
den Wandteppiche Kardinal Wolseys, um die Taten der Apostel in der Sixtina oder
die Geschichte Ludwigs XIV., aus allen Schilderungen klingt laut und vordringlich das
Lob des gelben Metalles; nur wenig wird der Darstellung, der künstlerischen Durch-
führung der Motive gedacht. Die Frage, ob Gold- und Silberfäden sich für reiche Bild-
wirkereien eignen, ist oft und gründlich erörtert.

Von rein künstlerischem Standpunkte aus betrachtet, erscheint die Verwendung des
Metalles in Verbindung mit Wolle und Seide wenig glücklich. Gold und Silber üben
stets eine stark reflektierende Wirkung aus, Wolle und Seide dagegen absorbieren
das Licht. Der Metallfaden ist stets aufdringlich; die harmonische Ruhe, die beruhigte
Flächenwirkung, die auf den immer wiederkehrenden einheitlichen Übergängen von
Dunkel zu Hell basiert, wird durch das Geflimmer empfindlich gestört. Der Einwand,
Gold verleihe den Lichtern besondere Tiefe und Kraft, ist wenig stichhaltig. Gold
und Silber wirken im Wandteppich durchaus nicht als aufhellende Töne erster Ord-
nung. Es besteht ein Mißverhältnis zwischen den mit Gold gehöhten Farben und den
Teilen des Teppichs, die auf das Mittel verzichten. Der Übergang von Grün zu Gelb
ist wesentlich kräftiger und leuchtender wie von Grün zu Gold. Die alten W irker
scheinen die Tatsache empfunden zu haben; man ersetzt bereits früh Gold durch «gold-
farbene", d. h. hellorangengelb eingefärbte Seiden. Für ein bewußtes künstlerisches
Vorgehen sprechen unter anderem die Inventare des sächsischen Kurhauses, die aus-
drücklich „goldfarbene Teppiche" aufzählen und streng von den golddurchwirkten
Behängen scheiden.

Zu den künstlerischen Bedenken tritt ein Mißstand rein technischer Art. Der Gold-
faden bewahrt nur dann längere Zeit seine Frische, wenn das verwandte Material voll-
kommen einwandfrei hergestellt, d. h. wenn die Vergoldung des Silberstreifens, der
als Grundlage dient, genügend kräftig und sorgfältig durchgeführt ist. Trifft die An-
nahme nicht zu, so schlägt das Silber durch, binnen kurzem ist die Oxydierung voll-
zogen; der Metalleinschlag ist schwarz. An Stelle der glitzernden Pracht, den funkelnden
Lichtern erscheinen tote, stumpfe Flecken, die jede harmonische Farbenwirkung zer-
schlagen. Ein weiterer Übelstand besteht darin, daß der auf eine gelbe Seidenseele
aufgesponnene vergoldete Silberfaden nicht die Elastizität besitzt, wie das Wollen- und
Seidenmaterial. Er wird leicht brüchig, zumal wenn der Teppich längere Zeit gefaltet
liegt, die Metallparzellen springen ab, die gelbe Seidenseele lugt durch. Ganz und gar
zu verwerfen ist die Verwendung des Silberfadens, der schon nach kurzer Zeit er-
blindet und die denkbar trübseligste Wirkung auslöst. In vereinzelten Fällen wurde
Greisenhaar mit Silber durchwirkt; der Effekt ist geradezu grotesk. Die wahllose Ver-
wendung von Gold und Silber läßt sich schon verhältnismäliig früh feststellen. Wenn
der Vertrag Philipps des Guten von Burgund mit den Tournaiser W irkern Robert Dary
und Jehan de l'Ortie 1448 gelegentlich der Herstellung der Gideonfolge kurzerhand
bestimmt «Que ce qui se monstrera estre jaune esdis patrons devra estre de fil d'or
de Venize et ce qui se monstrera estre blanc devra estre de fil d'argent fin de Venize,
sauf et r6serv6 les visaiges et charnures (Fleischtöne) des personnaiges", so zeugt dies
nicht gerade von sonderlichem Verständnis für die edle Kunst der Wirkerei (47). Im
16. und 17. Jahrhundert wird die Verwendung des Goldes schon vorsichtiger gehand-
habt. Man benutzt den Metallfaden vielfach nur als rein dekoratives Moment, zur
Wiedergabe von Brokatmusterungen, reicher Gewand- und Rüstungsdetails. Neben
dem Metalleinschlag, der genau wie der Wollen- und Seidenschuß gehandhabt wird,
findet sich die atlasartige Bindung, gewissermaßen als Betonung des höchsten Effektes.
Das mehrfach nebeneinander gelegte Gold überspringt mehrere Kettfäden und deckt
den Grund in Gestalt einer Auflage. Auch an Fällen, in denen das Metall einem bereits
durchgeführten Tapisseriegrund aufgestickt ist, fehlt es nicht. Ein interessantes Beispiel

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