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Technik

bietet die von der Berliner Gobelins-Manufaktur Ziesch & Co. instand gesetzte Berliner
Folge der Taten des Großen Kurfürsten im Schloßmuseum. Das Silber strahlt wieder
im ursprünglichen. Glänze; neben reiner Wirktechnik ist namentlich die Stickerei-
manier reichlich vertreten. Die Muster der Gewänder und Schabracken sind mit Sicher-
heit und Eleganz in dem weißen Metalle aufgestickt. Bisweilen strebt protzenhafte
Sucht, durch eingenähte Unterlagen mit aufgelegtem Gold und Silber plastische Wir-
kungen zu erzielen. Daß derartige Kunstgriffe der Bildwirkerei geradezu ins Gesicht
schlagen, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Stickereien im Wirkteppich begegnen uns im übrigen nicht nur beim Metallfaden;
auch die Seide dient hier und da dem gleichen Zwecke. Yon primitiven Behängen
abgesehen, in denen der ungeübte Wirker wohl oder übel zum Hilfsmittel der Stickerei
griff, finden wir eine ähnliche Technik auch in künstlerisch vollendeten Arbeiten der
Berliner Manufaktur und der großen französischen Staatswerkstätten.

Mit einer gewissen Vorsicht gehen die Gobelins zur Zeit Ludwigs XIV. zu Werk.
Das Gold wird zwar auch in der Bilddarstellung verwandt, das Hauptreservatrecht
jedoch der Bordüre zugeteilt. Der goldene Grund wirkt einheitlich und zugleich in-
different; selbst ein Nachdunkeln ist nicht imstande, die Harmonie der Farben zu
vernichten.

Die Wiederherstellung zerstörter Gold- und Silberfäden ist eine ebenso mühsame wie
undankbare Aufgabe. Es ist einesteils schwer, den richtigen Ton zu treffen, andern-
teils läßt sich die Haltbarkeit des neuen Materials kaum berechnen.

Die Instandsetzung schadhafter Bildwirkereien geht bisweilen recht weit, nicht selten
ist mehr wie die Hälfte zu ergänzen, wie bei der Indienfolge zu Malta. Es liegen
keine schwerwiegenden Bedenken vor, sofern die wichtigen Bestände des Behanges,
in erster Linie die Figuren, erhalten sind. Der Ersatz von Gewandteilen ist in der Regel
unschwer zu bewerkstelligen, zumal wenn die vorhandenen Teile über Struktur und
Lösung genügenden Aufschluß geben.

Zu verwerfen ist die Einfügung neuer Gruppen, der Ersatz von Köpfen, kurz jede
willkürliche Erfindung, die nur in den seltensten Fällen stil- und werkgerecht gelingt.
Schwierig ist die Frage des Bordürenersatzes. Ein hoher Prozentsatz der in den Samm-
lungen und im Handel befindlichen Wandteppiche besitzt nicht mehr die alten Bor-
düren. Die Unsitte, reiche „Leisten" zu Fenster- und Stuhlgarnituren zu verarbeiten,
hat namentlich in den siebziger und achtziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts
barbarisch unter den alten Tapisseriebeständen aufgeräumt. Ist es nun zweckmäßig,
die später angesetzten Bordüren — das Verfahren wurde bereits im 18. Jahrhundert
geübt — abzutrennen und nur das originale Mittelbild zu erhalten? Sofern die Bor-
düren dem Stile der Darstellung entsprechen, möchte ich die Frage verneinen. Ein
Wandteppich ist kein Bild; seine Wirkung beruht auf dem Zusammenklang des Motives
und der Fassung. Auch ein Neuersatz der Bordüre will mir aus diesem Grunde zu-
lässig erscheinen. Die erörterten Gesichtspunkte beziehen sich in erster Linie auf den
Privatbesitz, der den Wandteppich als dekoratives Moment verwertet.

Ein Umstand ist allerdings nicht zu übersehen, das nachträgliche Ansetzen der Bor-
düren in der betrügerischen Absicht, den Wert eines rahmenlosen Behanges zu er-
höhen. Die Gefahr will mir nicht allzu groß erscheinen. Der Kenner wird die später
angefügte Bordüre stets von ursprünglicher Arbeit zu unterscheiden wissen; der Laie
allerdings steht derartigen Fällen ratlos gegenüber; er erkennt ebensowenig, ob es sich
um eine aufmontierte alte Bordüre, um eine neue „Leiste" oder die Originalumrahmung
handelt. Wie oft sind Teppiche, die nach Renaissancepatronen im 17. Jahrhundert
gewirkt sind, die ehrlich ihre barocke Umrahmung zeigen, als zusammengestückelte
Arbeiten beanstandet worden! Bei den Preisen, die heutzutage für gute Bild Wirkereien
angelegt werden müssen, ist es das Gegebene, daß der Käufer, sofern er nicht über
genügendes Sachverständnis verfügt, sich mit Kennern der Materie zuvor in Verbin-
dung setzt.

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