Technik
ist die Einheitlichkeit des Materials; ein Vorzug, der'^die Gefahr der Monotonie nicht
bannt.
Die Farbenskala für Rot (rot-weiß), Grün (grün-gelb), Blau (blau-weiß), Braun (braun-
gelb-weiß), Gelb (gelb-weiß) wird in den Niederlanden zur feststehenden Regel, so daß
nähere Erläuterungen in den zeitgenössischen Verträgen, die sich in der Regel recht
eingehend mit den Einzelheiten befassen, vollkommen fehlen. Die Tatsache erklärt auch
die Behandlung des Kartons. Der erfahrene Patronenmaler legt den größten Wert auf
eine klar und exakt durchgeführte Zeichnung, er begnügt sich dagegen mit oberfläch-
lichen Farbenangaben; zumeist genügen handschriftliche Notizen, aus denen der Wirker
entnimmt, ob ein Gewand in Gelb und das aufgesetzte Brokatmuster in Grün durch-
zuführen ist usw. Weniger klar erscheint dagegen die Wahl der Lichter. Weshalb
arbeiten die Pariser Behänge des 17. Jahrhunderts so häufig von rot nach gelb und die
flämisch-brabantischen Wirkereien mit Vorliebe von rot nach weiß? Weshalb besitzt
Brüssel eine verhältnismäßig reiche Palette und weshalb verwendet Oudenaarde fast
nur Grün, Gelb, Braun, Blau und etwa Rot? Die Frage findet ihre Lösung in der
Eigenart der Färbereitechnik der betreffenden Stadt.
Man hat vielfach gegen Oudry den Vorwurf erhoben, er habe in grober Verkennung
des Wesens der Bildwirkerei den alten Farbenzirkel bekämpft, den selbständigen Künstler
zum elenden Kopisten erniedrigt. Der Angriff ist nicht unberechtigt. Immerhin bleibt
zu berücksichtigen, daß das Streben, mit dem Wandteppich reine Bildwirkungen zu
erzielen, uralt ist. Die Raphaelsche Folge der Taten der Apostel stellt ein typisches
Beispiel dar — die Ausführungen in dem Abschnitte Brüssel ersparen an dieser Stelle
längere Erörterungen —; die Rubensschen Teppiche sind unter dem gleichen Gesichts-
punkte entstanden.
Schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts versucht der Maler die Eigenart des
Staffeleibildes dem Wandteppich aufzuzwingen. Der Basselissier Brüssels steht zunächst
den in öl gemalten Patronen, die die scharfe Klarheit der Konturen und Farben missen
lassen, ziemlich ratlos gegenüber. Die Methode der Gobelins, den als Gemälde durch-
geführten Karton im Rücken des Wirkers aufzuhängen und eine Kopie auf durchsich-
tigem Papier unter das Kettfach zu legen, ist keine Errungenschaft der Pariser Staats-
manufaktur. Nach verhältnismäßig kurzer Zeit scheint sich der Tapissier mit der neuen
Art abgefunden zu haben. Er verwendet nach wie vor seinen Farbenzirkel und sucht
im übr igen dem Wesen des Ölgemäldes durch einige Farbenpatzen, in Gestalt mosaik-
artig nebeneinander gelegter Streifen, gerecht zu werden. Die Angriffe der Maler
gelangen nicht zum Schweigen; ihre Forderungen finden in der schnellen Entwick-
lung der Färbereitechnik die denkbar günstigste Unterstützung. Die gewohnte Ent-
gegnung, die Kopie eines Gemäldes sei von vornherein ein Unding, da die erforder-
lichen zahllosen Wollen- und Seidentöne fehlen, wird hinfällig. Oudry zieht die
Konsequenzen; er sucht das alte Ideal endgültig in die Wirklichkeit umzusetzen, ohne
zu bedenken, daß die praktischen Erfahrungen mit den zarten Übergangstönen noch
recht problematischer Natur sind, ohne zu überlegen, daß eingefärbte Wollen und
Seiden ganz andere Wirkungen auslösen, wie die Farben der Palette, ohne zu be-
achten, daß der klar durchgezeichnete Karton A und O jeder Bildwirkerei ist. Das
Verlangen Oudrys entfacht in den fachgenössischen Kreisen einen Sturm der Entrüstung.
Die Wirker zeihen ihren „Surinspecteur" mit Recht der gröbsten Sachunkenntnis;
ihre Weigerung führt zu hartnäckigem Kampfe, in dem Oudry nur zum Teile Sieger
bleibt. Wie sehr das Vorgehen des Malers die Wirker erbittert, zeigt vielleicht am
charakteristischsten die Leichenrede des «premier superieur", des technischen Leiters,
der die Verdienste des Verstorbenen in hellem Lichte erstrahlen läßt; er sei eine
Leuchte gewesen in der Kunst der Malerei, leider könne man mit dem besten Willen
nicht das gleiche von der Bildwirkerei behaupten (49). Der Erfolg gab den Tapissiers
Recht. Die Bildwirkereien, die in Nachahmung reiner Staffeleibilder zarte und freie
Töne banden, sind verblichen; die roten, blauen, grünen, gelben und weißen Farben
haben noch annähernd die alte Leuchtkraft bewahrt; die violetten, rosa, grünlichen
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ist die Einheitlichkeit des Materials; ein Vorzug, der'^die Gefahr der Monotonie nicht
bannt.
Die Farbenskala für Rot (rot-weiß), Grün (grün-gelb), Blau (blau-weiß), Braun (braun-
gelb-weiß), Gelb (gelb-weiß) wird in den Niederlanden zur feststehenden Regel, so daß
nähere Erläuterungen in den zeitgenössischen Verträgen, die sich in der Regel recht
eingehend mit den Einzelheiten befassen, vollkommen fehlen. Die Tatsache erklärt auch
die Behandlung des Kartons. Der erfahrene Patronenmaler legt den größten Wert auf
eine klar und exakt durchgeführte Zeichnung, er begnügt sich dagegen mit oberfläch-
lichen Farbenangaben; zumeist genügen handschriftliche Notizen, aus denen der Wirker
entnimmt, ob ein Gewand in Gelb und das aufgesetzte Brokatmuster in Grün durch-
zuführen ist usw. Weniger klar erscheint dagegen die Wahl der Lichter. Weshalb
arbeiten die Pariser Behänge des 17. Jahrhunderts so häufig von rot nach gelb und die
flämisch-brabantischen Wirkereien mit Vorliebe von rot nach weiß? Weshalb besitzt
Brüssel eine verhältnismäßig reiche Palette und weshalb verwendet Oudenaarde fast
nur Grün, Gelb, Braun, Blau und etwa Rot? Die Frage findet ihre Lösung in der
Eigenart der Färbereitechnik der betreffenden Stadt.
Man hat vielfach gegen Oudry den Vorwurf erhoben, er habe in grober Verkennung
des Wesens der Bildwirkerei den alten Farbenzirkel bekämpft, den selbständigen Künstler
zum elenden Kopisten erniedrigt. Der Angriff ist nicht unberechtigt. Immerhin bleibt
zu berücksichtigen, daß das Streben, mit dem Wandteppich reine Bildwirkungen zu
erzielen, uralt ist. Die Raphaelsche Folge der Taten der Apostel stellt ein typisches
Beispiel dar — die Ausführungen in dem Abschnitte Brüssel ersparen an dieser Stelle
längere Erörterungen —; die Rubensschen Teppiche sind unter dem gleichen Gesichts-
punkte entstanden.
Schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts versucht der Maler die Eigenart des
Staffeleibildes dem Wandteppich aufzuzwingen. Der Basselissier Brüssels steht zunächst
den in öl gemalten Patronen, die die scharfe Klarheit der Konturen und Farben missen
lassen, ziemlich ratlos gegenüber. Die Methode der Gobelins, den als Gemälde durch-
geführten Karton im Rücken des Wirkers aufzuhängen und eine Kopie auf durchsich-
tigem Papier unter das Kettfach zu legen, ist keine Errungenschaft der Pariser Staats-
manufaktur. Nach verhältnismäßig kurzer Zeit scheint sich der Tapissier mit der neuen
Art abgefunden zu haben. Er verwendet nach wie vor seinen Farbenzirkel und sucht
im übr igen dem Wesen des Ölgemäldes durch einige Farbenpatzen, in Gestalt mosaik-
artig nebeneinander gelegter Streifen, gerecht zu werden. Die Angriffe der Maler
gelangen nicht zum Schweigen; ihre Forderungen finden in der schnellen Entwick-
lung der Färbereitechnik die denkbar günstigste Unterstützung. Die gewohnte Ent-
gegnung, die Kopie eines Gemäldes sei von vornherein ein Unding, da die erforder-
lichen zahllosen Wollen- und Seidentöne fehlen, wird hinfällig. Oudry zieht die
Konsequenzen; er sucht das alte Ideal endgültig in die Wirklichkeit umzusetzen, ohne
zu bedenken, daß die praktischen Erfahrungen mit den zarten Übergangstönen noch
recht problematischer Natur sind, ohne zu überlegen, daß eingefärbte Wollen und
Seiden ganz andere Wirkungen auslösen, wie die Farben der Palette, ohne zu be-
achten, daß der klar durchgezeichnete Karton A und O jeder Bildwirkerei ist. Das
Verlangen Oudrys entfacht in den fachgenössischen Kreisen einen Sturm der Entrüstung.
Die Wirker zeihen ihren „Surinspecteur" mit Recht der gröbsten Sachunkenntnis;
ihre Weigerung führt zu hartnäckigem Kampfe, in dem Oudry nur zum Teile Sieger
bleibt. Wie sehr das Vorgehen des Malers die Wirker erbittert, zeigt vielleicht am
charakteristischsten die Leichenrede des «premier superieur", des technischen Leiters,
der die Verdienste des Verstorbenen in hellem Lichte erstrahlen läßt; er sei eine
Leuchte gewesen in der Kunst der Malerei, leider könne man mit dem besten Willen
nicht das gleiche von der Bildwirkerei behaupten (49). Der Erfolg gab den Tapissiers
Recht. Die Bildwirkereien, die in Nachahmung reiner Staffeleibilder zarte und freie
Töne banden, sind verblichen; die roten, blauen, grünen, gelben und weißen Farben
haben noch annähernd die alte Leuchtkraft bewahrt; die violetten, rosa, grünlichen
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