Technik
Großbetriebes anzusprechen? ' Erst die Schraffentechnik ermöglicht die systematische
Durchbildung jenes eigenartigen Farbenzirkels, der sich im Laufe der Zeit zur Grund-
lage der Bildwirkerei auswächst. Ob die Übergänge, z. B. von Grün zu Gelb, der Buch-
malerei entnommen sind, ob die Glasmalerei einen bestimmenden Einfluß übte, harrt
noch der endgültigen Klärung. Tatsache ist jedenfalls, daß die großen Kartons der
frühen Bildwirkereien in Ateliers entstanden sind, die der Pflege der Buchmalerei ihr
Hauptinteresse zuwandten.
Die Ansicht Berninis, die Technik bedinge das Zurückschrauben der sechs Malstufen
auf die vier Töne des Wandteppichs ist unbestreitbar richtig. Der Meister erklärt
jedoch nicht die wesentlich bedeutsamere Tatsache, weshalb der Wandteppich, im
Gegensatz zu dem Tafelbild, mit ganz anderen Farbenwerten operiert. Colbert scheint
von klareren Erwägungen auszugehen. Er erwähnt die Schwierigkeit, die Meister Jans,
der Ältere, zu überwinden hatte, von dem man zunächst augenscheinlich reine Gemälde-
kopien verlangte, der erst zur künstlerischen Ausreifung gelangen konnte, als ihm die
Interpretation seiner Vorlagen nach der alt überkommenen Weise freigestellt wurde.
Die Eigenart des flämisch-brabantischen Farbenzirkels liegt in der Struktur des Ma-
terials — der Wolle und Seide —, in der Färbereitechnik und in dem Wirkvorgang
selbst begründet. Die Wolle ist ein stark Licht aufsaugendes Material. Logischerweise
widersprechen größere eintönige Flächen, die stets tot und starr wirken, dem Wesen
des Wandteppichs. Erst die aufgesetzten Lichter, zahlreiche in den Farben wechselnde
Einzelheiten wandeln den Behang zum lebensprühenden Kunstwerk. Die Eigenart der
Technik fördert das Streben nach höchstem Reichtum. Einfarbige Flächen lassen sich
nur schwer mit Hilfe der Schraffentechnik überwinden, die mit den wenigen Farben-
werten, die ihr zur Verfügung stehen, unfehlbar in Konflikt gerät, Wir beobachten
die Tatsache in geradezu typischer Weise bei der Wiedergabe von Saalfliesen, Quadern
und dergleichen mehr. Der Meister zieht es in der Regel vor, die Fliesen durch Muster
zu beleben, die Quader in bunten Farben als Sandstein oder Marmor vorzutäuschen.
Nicht anders verhält es sich bei der Durchbildung großer Tierkörper; eine reiche Auf-
zäumung erspart dem Wirker die komplizierte Durchbildung der breiten Pferdebrust
mit Hilfe der Sch raffen.
Die Gewänder bereiten geringere Schwierigkeiten, schon der lebhaft bewegte Falten-
wurf verscheucht jede Eintönigkeit. Die aufgesetzten Brokatmuster sind weniger durch
die Technik, wie durch die Freude an reichem, üppigen Schmucke bedingt. Auch die
Verwendung der Metallfäden entspringt zum guten Teile dem gleichen Bestreben. Ver-
langt sowohl die Struktur des Materials, wie auch die Technik die Einfügung möglichst
zahlreicher Details, so wächst als logische Folgerung das Streben nach einheitlicher
Farbengebung. Es versteht sich von selbst, daß ein aus unendlich vielen Einzelheiten,
aus willkürlich wechselnden Farben zusammengefügter Teppich geradezu unmöglich
wirken muß, wenn nicht ein gewisser Rythmus die Töne harmonisch faßt, wenn nicht
ein einheitlicher Farbenzirkel dem Ganzen bindende Form verleiht.
Machen wir uns den Vorgang klar, wie Licht- und Schattenwirkung im Bilde ent-
steht, so zeigt sich stets, daß die Übergangsnuancen der gleichen Farbe angehören, daß
also nicht, wie im Wandteppich, ein roter Schatten mit einem gelbweißen Lichte kon-
trastiert. Erfolgt im Bilde die Überleitung von Hellrot zu Rot und Dunkelrot, so zeigt
der Bildteppich die Stufung von einem elfenbeinernen Weiß zu Hellrot und Rot; Dunkel-
rot findet nur in den tiefsten Schatten Verwendung. Es handelt sich um ein bewußtes
Aufhellen der Tonleiter, um eine klar und folgerichtig durchgeführte Materialberück-
sichtigung. Der gleiche Gedankengang bringt die Einfügung der Seide; die Lichter
strahlen in weichem Glänze. Wir finden das köstliche Material nie in den Schatten-
und Fleischtönen, dagegen werden gewisse Teile des Teppichs, deren Leuchtkraft be-
sonders betont werden soll — der Himmel, die Stickereien und Muster der Gewänder —
ganz in Seide gearbeitet. Selbstverständlich lassen sich auch die Lichter in Wolle her-
stellen; der eigenartige Effekt der Seide wird jedoch nur in den seltensten Fällen
erreicht. Der einzige Vorzug, der den nur aus Wolle gewirkten Behängen eignet,
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Großbetriebes anzusprechen? ' Erst die Schraffentechnik ermöglicht die systematische
Durchbildung jenes eigenartigen Farbenzirkels, der sich im Laufe der Zeit zur Grund-
lage der Bildwirkerei auswächst. Ob die Übergänge, z. B. von Grün zu Gelb, der Buch-
malerei entnommen sind, ob die Glasmalerei einen bestimmenden Einfluß übte, harrt
noch der endgültigen Klärung. Tatsache ist jedenfalls, daß die großen Kartons der
frühen Bildwirkereien in Ateliers entstanden sind, die der Pflege der Buchmalerei ihr
Hauptinteresse zuwandten.
Die Ansicht Berninis, die Technik bedinge das Zurückschrauben der sechs Malstufen
auf die vier Töne des Wandteppichs ist unbestreitbar richtig. Der Meister erklärt
jedoch nicht die wesentlich bedeutsamere Tatsache, weshalb der Wandteppich, im
Gegensatz zu dem Tafelbild, mit ganz anderen Farbenwerten operiert. Colbert scheint
von klareren Erwägungen auszugehen. Er erwähnt die Schwierigkeit, die Meister Jans,
der Ältere, zu überwinden hatte, von dem man zunächst augenscheinlich reine Gemälde-
kopien verlangte, der erst zur künstlerischen Ausreifung gelangen konnte, als ihm die
Interpretation seiner Vorlagen nach der alt überkommenen Weise freigestellt wurde.
Die Eigenart des flämisch-brabantischen Farbenzirkels liegt in der Struktur des Ma-
terials — der Wolle und Seide —, in der Färbereitechnik und in dem Wirkvorgang
selbst begründet. Die Wolle ist ein stark Licht aufsaugendes Material. Logischerweise
widersprechen größere eintönige Flächen, die stets tot und starr wirken, dem Wesen
des Wandteppichs. Erst die aufgesetzten Lichter, zahlreiche in den Farben wechselnde
Einzelheiten wandeln den Behang zum lebensprühenden Kunstwerk. Die Eigenart der
Technik fördert das Streben nach höchstem Reichtum. Einfarbige Flächen lassen sich
nur schwer mit Hilfe der Schraffentechnik überwinden, die mit den wenigen Farben-
werten, die ihr zur Verfügung stehen, unfehlbar in Konflikt gerät, Wir beobachten
die Tatsache in geradezu typischer Weise bei der Wiedergabe von Saalfliesen, Quadern
und dergleichen mehr. Der Meister zieht es in der Regel vor, die Fliesen durch Muster
zu beleben, die Quader in bunten Farben als Sandstein oder Marmor vorzutäuschen.
Nicht anders verhält es sich bei der Durchbildung großer Tierkörper; eine reiche Auf-
zäumung erspart dem Wirker die komplizierte Durchbildung der breiten Pferdebrust
mit Hilfe der Sch raffen.
Die Gewänder bereiten geringere Schwierigkeiten, schon der lebhaft bewegte Falten-
wurf verscheucht jede Eintönigkeit. Die aufgesetzten Brokatmuster sind weniger durch
die Technik, wie durch die Freude an reichem, üppigen Schmucke bedingt. Auch die
Verwendung der Metallfäden entspringt zum guten Teile dem gleichen Bestreben. Ver-
langt sowohl die Struktur des Materials, wie auch die Technik die Einfügung möglichst
zahlreicher Details, so wächst als logische Folgerung das Streben nach einheitlicher
Farbengebung. Es versteht sich von selbst, daß ein aus unendlich vielen Einzelheiten,
aus willkürlich wechselnden Farben zusammengefügter Teppich geradezu unmöglich
wirken muß, wenn nicht ein gewisser Rythmus die Töne harmonisch faßt, wenn nicht
ein einheitlicher Farbenzirkel dem Ganzen bindende Form verleiht.
Machen wir uns den Vorgang klar, wie Licht- und Schattenwirkung im Bilde ent-
steht, so zeigt sich stets, daß die Übergangsnuancen der gleichen Farbe angehören, daß
also nicht, wie im Wandteppich, ein roter Schatten mit einem gelbweißen Lichte kon-
trastiert. Erfolgt im Bilde die Überleitung von Hellrot zu Rot und Dunkelrot, so zeigt
der Bildteppich die Stufung von einem elfenbeinernen Weiß zu Hellrot und Rot; Dunkel-
rot findet nur in den tiefsten Schatten Verwendung. Es handelt sich um ein bewußtes
Aufhellen der Tonleiter, um eine klar und folgerichtig durchgeführte Materialberück-
sichtigung. Der gleiche Gedankengang bringt die Einfügung der Seide; die Lichter
strahlen in weichem Glänze. Wir finden das köstliche Material nie in den Schatten-
und Fleischtönen, dagegen werden gewisse Teile des Teppichs, deren Leuchtkraft be-
sonders betont werden soll — der Himmel, die Stickereien und Muster der Gewänder —
ganz in Seide gearbeitet. Selbstverständlich lassen sich auch die Lichter in Wolle her-
stellen; der eigenartige Effekt der Seide wird jedoch nur in den seltensten Fällen
erreicht. Der einzige Vorzug, der den nur aus Wolle gewirkten Behängen eignet,
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