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Deutung

derung des Helden Eneas, folgen in bunter Reihe; zu guter Letzt spielt sich vor unseren
Augen die Eroberung Englands durch Wilhelm von der Normandie ab. Es scheint,
der gelehrte Abt gibt eine Art Resume der köstlichsten Arbeiten aus dem Textilien-
schatze des Eroberers, mit dem er liebenswürdig die Kemenate seiner Dame schmückt.
Entsprechend dem mittelalterlichen Prinzipe bauen sich die Szenen in breiter, weit-
läufiger Darstellung vor dem Beschauer auf, den „Burgen" der Mysterienspiele ver-
gleichbar. Der Hauptnachdruck liegt auf der nicht mißzuverstehenden Erzählung, die
durch zugefügte Schriftrollen erläutert wird. Daß Wirkteppiche, besser gesagt Rücken-
laken, in der Art des gestickten Bayeuxteppichs, im 11. Jahrhundert gefertigt wurden,
zeigt der in der norwegischen Kirche zu Baldishol vor einigen Jahren aufgefundene
Behang mit den Monatsdarstellungen.

Charakteristisch ist ferner eine Stelle im Blancandin. Der junge Held durchstöbert
neugierig den Palast und entdeckt im Zimmer der Königin einen Teppich, der Kampf-
szenen wiedergibt. Sein Lehrer, der „latinier", erklärt ihm die Einzelheiten, wahr-
scheinlich an Hand der lateinischen Schrifttafeln des Behanges (2).

Noch üppiger wuchern die Schilderungen in dem Galerentroman des Renaut(3).

Auf dem von der Fee Gente verfertigten Teppich spielt sich das Leben Flores und
Blancheflores ab; wir erblicken den Raub der Helena, die zwölf Monate des Jahres
und die vier Elemente (4).

Ein Hinweis auf die Technik findet sich bei der Schilderung der zehn „paveillons",
die Claris Gauwain, Yvain und dessen Schwester Marine auf ihrer Fahrt zu Laris
finden. Wieder wird die Herstellung der Wunderwerke einer Fee zugeschrieben,
die diesmal Madoine heißt. Der Dichter hat zweifelsohne gesehene Bildteppiche in
Erinnerung, die er malerisch ausschmückt. Es handelt sich um geschichtliche Motive
und die etwas pedantische Darstellung der Himmelskörper. Die einzelnen Szenen sind
„ouvrez a euvres sarrazines" (Vers 29202). Der Hinweis ist mit gewisser Vor-
sicht aufzunehmen, er ist nur in seltenen Fällen gleichbedeutend mit Basselissetechnik;
zumeist sind golddurchwirkte orientalische Seidenstoffe gemeint (5).

29203 „Toutes les vraies medecines
I sont escrites en Ebreu
Et Ii Sarradin et Ii Geu
I sont portret trop richement,
Li Crestien meismement
Et les batailles, qu'il on fetes,
Qui a toz jours seront retretes;
Les estoires du firmament
I sont pourtretes richement
Et Ii soleus et les planetes
Li experiment, les carretes,
Li signe, Ii avenement
Qu'avienent par le firmament.
Si est, con les foudres descendent
Et en quel point que il esprendent
La terre par divers pais."

„Li Roman de Claris", dem die vorstehenden Verse entnommen sind, gehört dem
Ende des 13. Jahrhunderts an; die Dichtung schildert üppige Behänge, die wie Vor-
läufer der reichen Arraswirkereien anmuten.

„La mort de Tristram et d'Iseut", ein Prosaroman aus der Zeit Philipps des Guten,
der auf alten Traditionen fußt, beschreibt augenscheinlich eine tatsächlich vorhandene
Folge „et estoit toute la Chambre .... encourtinee d'une courtine la plus belle et la
plus riche qui oncques fust, car toute l'istoire d'Artus si comme il avoit conquis la
seigneurie sur les Bretons y estoit pourtraite, et tous les sept ars ... .*

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