Deutung
Anlehnung oder Umwandlung des flämischen Wahlspruchs Johanns ohne Furcht wik
hou" (ich halte fest), der seine Absonderungsgelüste gegenüber dem französischen
Könige mehr wie deutlich illustriert, dürfte kaum anzunehmen sein.
Das dekorative Motiv ist annähernd das gleiche, wie wir es mehr denn ein Jahr-
hundert später in einer Enghienfolge wiederfinden, die in einer PaUisadenumweh-
rung den Löwen mit den Wappen der Hennegauer Familien Jauche, Masmines, Lannoy,
Berlaimont und Floyon zeigt.
Zu dem erwähnten Zimmer im Besitze des Herzogs von Berry gehören ferner „le
dossieP, in Größe von 31/2 X 3 Pariser Ellen, „la couverture", 4x/a X 4 Ellen, eine
zweite gewirkte Uberdecke, 4X4 Ellen, und 5 Wandteppiche. Die neun Stück um-
fassen insgesamt 140 Quadratellen, die bei der Inventarisierung (1416) mit je 10 Sous
bewertet werden. Die Teppiche sind bereits «usöe et pertuisee", so daß der Gesamt-
preis von 87 livr. X s. t. keinen genauen Maßstab über die Art und Feinheit der Arbeit
zu geben vermag.
Ein gutes, wenn auch spätes Beispiel eines Betthimmels — es kann sich auch um
eine Uberdecke handeln — gibt eine Wirkerei aus dem Besitze der Münchener Anti-
quitätenhandlung L. Bernheimer. Den Untergrund des Tournaiser Fragments decken
schematisch in Streifen angeordnete blühende Pflanzen. Zwei wilde Männer halten
den Schild, der von einem riesigen Turnierhelm überdacht wird (Abb. 197). An Stelle
der geometrisch versetzten Pflanzenbüschel tritt bisweilen die farbige Streifung des
Untergrundes in Erscheinung, vielfach wird auch Streifung und Pflanzenwerk kombi-
niert. Die „tapiz limogeV*, die sich bis in das 12. Jahrhundert zurück verfolgen lassen,
fanden bereits mehrfach Erwähnung. Gewissermaßen als Vorläufer des erwähnten
Wildmännerfragments zählt das Inventar König Karls V. von Frankreich (21. I. 1379)
eine Folge von neun rot und weiß gestreiften Behängen auf „semez de plusieurs arbres
et ung homme sauvaige ou mylieu qui tient le heaulme du Roy."
Einen gut erhaltenen Betthimmel besitzt die Kathedrale zu Troyes. Auf blumigem
Grunde prangt in der Mitte ein geviertes Wappenschild, von zwei geflügelten Knaben-
gestalten gehalten, durch den beigegebenen Köcher als „dieux d'amour" charakterisiert.
Auf dem geschlossenen Helme trägt eine nackte Frauengestalt ein anscheinend ver-
stümmeltes Spruchband: LE MO YEN (87). Die Verbindung von Wappenemblemen
mit Verdürengrund ist die am häufigsten vorkommende Art heraldischer Wirkereien.
Eine eingehendere Schilderung, die mit dem Teppich Karls des Kühnen im Berner
Museum beginnen und mit dem prächtigen Behänge der Giovio im Viktoria- und
Albertmuseum schließen würde, verbietet sich an dieser Stelle. Die Durchsicht der
Manufaktur Tournai genügt, den erwünschten Überblick zu erhalten.
Wesentlicher erscheinen Wappenfolgen, die von dem üblichen Schema abweichen,
die der Heraldik den Vorrang einräumen und den Hintergrund lediglich als fassendes,
schließendes Motiv verwerten. Bisweilen überwuchert das Wappenwerk die ganze
Fläche. Ein charakteristisches Beispiel bietet eine Reihe, einst im Besitze Ludwigs I.
von Anjou. Der Herzog hängt mit besonderer Liebe an den prächtigen Behängen; er
nimmt sie, zusammen mit den Teppichen des «Veu du paon" und einigen Schäfer-
wirkereien, mit nach Languedoc: «Dix tapis ä neuz laciez blans, armoiez de feu Möns,
le Roy (gemeint ist Johann der Gute von Frankreich, f 8. IV. 1364), et des armes qu il
portoit paravant qu'il venist au gouvernement du royaulme (der König war vor seiner
Thronbesteigung Herzog von der Normandie), de beau cousin d'Estampes (Louis II.
d'Evreux, comte d'Estampes war gemeinsam mit Ludwig von Anjou erzogen und eng
mit ihm befreundet), et de noz (mit dem herzoglichen Wappen von Anjou) et sont
tous pareulx, sauf que il en y a les uns plus Ions que les autres et plus larges". Die
Schilderung gibt uns ein klares Bild, wie frühe Wappenteppiche unter Ausschaltung
des Blumengrundes zu denken sind.
Der verschlungene Knoten ist dem Wappen des Hauses Savoyen eigentümlich. Papst
Felix V., alias Amadeus VIII., Herzog von Savoyen, zeigt eine ausgesprochene Vorliebe
für das vielumstrittene Dekorationsmotiv. In dem Verzeichnis von 1440 finden sich
95
Anlehnung oder Umwandlung des flämischen Wahlspruchs Johanns ohne Furcht wik
hou" (ich halte fest), der seine Absonderungsgelüste gegenüber dem französischen
Könige mehr wie deutlich illustriert, dürfte kaum anzunehmen sein.
Das dekorative Motiv ist annähernd das gleiche, wie wir es mehr denn ein Jahr-
hundert später in einer Enghienfolge wiederfinden, die in einer PaUisadenumweh-
rung den Löwen mit den Wappen der Hennegauer Familien Jauche, Masmines, Lannoy,
Berlaimont und Floyon zeigt.
Zu dem erwähnten Zimmer im Besitze des Herzogs von Berry gehören ferner „le
dossieP, in Größe von 31/2 X 3 Pariser Ellen, „la couverture", 4x/a X 4 Ellen, eine
zweite gewirkte Uberdecke, 4X4 Ellen, und 5 Wandteppiche. Die neun Stück um-
fassen insgesamt 140 Quadratellen, die bei der Inventarisierung (1416) mit je 10 Sous
bewertet werden. Die Teppiche sind bereits «usöe et pertuisee", so daß der Gesamt-
preis von 87 livr. X s. t. keinen genauen Maßstab über die Art und Feinheit der Arbeit
zu geben vermag.
Ein gutes, wenn auch spätes Beispiel eines Betthimmels — es kann sich auch um
eine Uberdecke handeln — gibt eine Wirkerei aus dem Besitze der Münchener Anti-
quitätenhandlung L. Bernheimer. Den Untergrund des Tournaiser Fragments decken
schematisch in Streifen angeordnete blühende Pflanzen. Zwei wilde Männer halten
den Schild, der von einem riesigen Turnierhelm überdacht wird (Abb. 197). An Stelle
der geometrisch versetzten Pflanzenbüschel tritt bisweilen die farbige Streifung des
Untergrundes in Erscheinung, vielfach wird auch Streifung und Pflanzenwerk kombi-
niert. Die „tapiz limogeV*, die sich bis in das 12. Jahrhundert zurück verfolgen lassen,
fanden bereits mehrfach Erwähnung. Gewissermaßen als Vorläufer des erwähnten
Wildmännerfragments zählt das Inventar König Karls V. von Frankreich (21. I. 1379)
eine Folge von neun rot und weiß gestreiften Behängen auf „semez de plusieurs arbres
et ung homme sauvaige ou mylieu qui tient le heaulme du Roy."
Einen gut erhaltenen Betthimmel besitzt die Kathedrale zu Troyes. Auf blumigem
Grunde prangt in der Mitte ein geviertes Wappenschild, von zwei geflügelten Knaben-
gestalten gehalten, durch den beigegebenen Köcher als „dieux d'amour" charakterisiert.
Auf dem geschlossenen Helme trägt eine nackte Frauengestalt ein anscheinend ver-
stümmeltes Spruchband: LE MO YEN (87). Die Verbindung von Wappenemblemen
mit Verdürengrund ist die am häufigsten vorkommende Art heraldischer Wirkereien.
Eine eingehendere Schilderung, die mit dem Teppich Karls des Kühnen im Berner
Museum beginnen und mit dem prächtigen Behänge der Giovio im Viktoria- und
Albertmuseum schließen würde, verbietet sich an dieser Stelle. Die Durchsicht der
Manufaktur Tournai genügt, den erwünschten Überblick zu erhalten.
Wesentlicher erscheinen Wappenfolgen, die von dem üblichen Schema abweichen,
die der Heraldik den Vorrang einräumen und den Hintergrund lediglich als fassendes,
schließendes Motiv verwerten. Bisweilen überwuchert das Wappenwerk die ganze
Fläche. Ein charakteristisches Beispiel bietet eine Reihe, einst im Besitze Ludwigs I.
von Anjou. Der Herzog hängt mit besonderer Liebe an den prächtigen Behängen; er
nimmt sie, zusammen mit den Teppichen des «Veu du paon" und einigen Schäfer-
wirkereien, mit nach Languedoc: «Dix tapis ä neuz laciez blans, armoiez de feu Möns,
le Roy (gemeint ist Johann der Gute von Frankreich, f 8. IV. 1364), et des armes qu il
portoit paravant qu'il venist au gouvernement du royaulme (der König war vor seiner
Thronbesteigung Herzog von der Normandie), de beau cousin d'Estampes (Louis II.
d'Evreux, comte d'Estampes war gemeinsam mit Ludwig von Anjou erzogen und eng
mit ihm befreundet), et de noz (mit dem herzoglichen Wappen von Anjou) et sont
tous pareulx, sauf que il en y a les uns plus Ions que les autres et plus larges". Die
Schilderung gibt uns ein klares Bild, wie frühe Wappenteppiche unter Ausschaltung
des Blumengrundes zu denken sind.
Der verschlungene Knoten ist dem Wappen des Hauses Savoyen eigentümlich. Papst
Felix V., alias Amadeus VIII., Herzog von Savoyen, zeigt eine ausgesprochene Vorliebe
für das vielumstrittene Dekorationsmotiv. In dem Verzeichnis von 1440 finden sich
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