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A r r a s

«que on dist a le marche". Die zu Ende des 14. Jahrhunderts bereits allgemein ge-
bräuchliche Bezeichnung „hautelissier" besagt nicht, daß die hochlitzige Technik sich
allgemein durchgerungen hat. Es handelt sich lediglich um einen Sammelnamen für
den Wirker an und für sich, ganz gleichgültig, welchen Stuhl er für seine Arbeiten
benutzt. Wir finden die Bezeichnung innner und innner wieder in den darauf folgen-
den Jahrhunderten bis zum entgültigen Erlöschen der edlen Kunst. Die Brüsseler
Wirker des 16., 17. und 18. Jahrhunderts sind, mit wenigen Ausnahmen, Basselissiers,
nennen sich aber Hautelissiers oder Tapissiers und ihre Erzeugnisse Tapisseries oder
Hautelisses. Der deutsche Sprachgebrauch vom 16. bis zum 18. Jahrhundert kennt nur
Tapetzereien und Hautelissen. Unendlich oft werden typische Basselissearbeiten, wie
die von Aubusson und Felletin, als Hautelissen bezeichnet. Die Benennungen im 14.
und 15. Jahrhundert sind schwankend und mit Vorsicht zu betrachten. In der gleichen
Zeitspanne besagt „Hautelissier" in Tournai einen Damast- und Leinenweber, in Arras
einen Wirker, in Lille und Valenciennes gehen die beiden Begriffe ineinander über.
Ähnlich verhält es sich mit dem Ausdruck sarazenisches oder heidnisches W erk. Auch
hier versteht man z. B. im Elsaß etwas anderes darunter als in Breslau oder Basel.

Schließlich ist eine weitere Möglichkeit, auf die sich die Benennung «tapis sarra-
zinois" beziehen kann, nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Arras besitzt
schon in den ersten Jahunderten der christlichen Zeitrechnung den Ruf einer hervor-
ragenden Färberstadt. In erster Linie dürfte dies auf den ausgebreiteten Waid- und
Krappbau zurückzuführen sein. Wir finden den Anbau der Färberröte (Krapp) bereits
in der Landgüterordnung Karls des Großen erwähnt. Blau und Rot sind die typischen
Farben fast aller- frühen Webereien und Wirkereien. Zu Gelb wird Färbeginster
(Genista tinctoria) ,benutzt, stellenweise auch Färberscharte (Serratula tinctoria), von
der Mitte des 13. Jahrhunderts ab Wau oder Gelbkraut (Reseda luteola). Es würde
zu weit führen, die gesetzlichen Regelungen und Zollvorschriften eingehender zu be-
handeln. Gewissermaßen als Grenzpunkte stehen zwei Verordnungen, eine aus der
Merowingerzeit, etwa aus der Epoche Dagoberts oder Childeberts, die die Zollabgaben
für W aid und Krapp für den Bezirk der St. Bertin-Abtei regelt, und die zweite, die
Zollordnung der Gräfin Johanna von Konstantinopel vom Jahre 1252, die sich zum ersten
Male mit dem Gelbkraut „Waute" befaßt." 1287 regelt das Rotbuch der „Vingtaine"
zu Arras — eine Körperschaft, die etwa dem Wesen der Handels- oder Gewerbekammer
entspricht — die Einfuhr fremder Färberröte. Die Fassung bezeugt zur Genüge, wTelche
Bedeutung dem heimischen Krappbau zukam (2). Der Anbau der Farbpflanzen ist für
Arras, einer ausgesprochenen Weber- und Tuchmacherstadt, nicht nur eine Quelle
hohen Wohlstandes, sondern geradezu eine Existenzbedingung. Die Verhältnisse än-
dern sich nicht unwesentlich zu Ende des 13. Jahrhunderts. Der venetianische Handel
bringt über Byzanz neue, heidnische (sarazenische) Farbstoffe und Drogen. Bereits
1194 ist in dem Zollvertrage zwischen Venedig und Ferrara die Rede von Bresilienholz
und Indigo, beides ostindische Erzeugnisse. Um 1300 begründet der Florentiner Rucellai
den Orseillehandel. Der levantinische Kermes wird durch italienische Kaufleute nach
den W eberstädten Flanderns und Nordfrankreichs verfrachtet. In den zwanziger Jahren
des 14. Jahrhunderts kennt man am Rhein schon das färbende Sandelholz, „sandel-
houltz". Kurz, es setzt eine langsame aber scharfe Konkurrenz gegen die alther-
gebrachten, einheimischen Färberdrogen ein. Der Kampf des Neuen gegen das Alte
wird, entsprechend der außerordentlichen wirtschaftlichen Wichtigkeit, mit besonderer
Schärfe geführt. Die Vorteile der neuen, zunächst noch teueren, aber lebhaften, zum Teil
leider wenig dauerhaften Farben, leuchten vielfach ein. Große Handelsverbände, in erster
Linie die Hanse, benutzen die Konjunktur und werfen die neuen Drogen auf den Markt.
Ein Blick in die hanseatischen Urkunden genügt, um zu erkennen, welche Bedeutung
schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts dem Farbstoffhandel zukommt.

Nach den bereits in knappen Zügen entwickelten wirtschaftlichen Grundlagen der'
Industriestädte besaßen die Woll-Kaufleute ein gewisses Aufsichtsrecht über die Färber.
W enn auch später im 14. Jahrhundert die Zunft Selbstverwaltung übt, so steht es,

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