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verschiedensten Gründen, u. a. durch den Druck einer wenig glücklichen Steuer- und
Zollpolitik, ohnehin jede Möglichkeit gedeihlicher Weiterentwicklung eingebüßt hatte.

Die Verordnung vom 10. März 1377 regelt in Tournai den Verkauf der „noeves
sarges tapis et couvretoirs". Es ist unklar, ob Stoffe oder gewirkte Behänge in Frage
kommen. Umfangreicher sind die Vorschriften vom 8. August 1380, die die „draps
velus" behandeln. Augenscheinlich sind wollene Stoffe, einer der Hauptindustrieartikel
der Stadt, gemeint. Eine Deutung auf Knüpfteppiche ist auf Grund der beigegebenen
technischen Einzelheiten ausgeschlossen. Von Bedeutung ist der Erlaß vom 26. März
1397 „sur le fait des mestier et marchandises de la tapisserie haulteliche et draps
velus." Der zweite Absatz besagt, daß ttnul ouvrier ä le marche ne de hauteliche"
zweifelhafte oder verbotene Rohmaterialien verwenden darf. Absatz 4 spricht von den
„ouvrages de hauteliche et de broque", die gleichfalls unter „audit mestier de sargerie"
fallen. Die Zunft der Serschenmacher schließt zu Ende des 14. Jahrhunderts die ver-
schiedensten Handwerker, die „hautelicheurs", die „ouvriers ä le marche", auch „mar-
cheteurs" genannt, und die Meister, die mit dem „brocque" arbeiten, zusammen.
Schließlich werden als vierte Gattung die Hersteller der „ draps velus" in die Vor-
schriften der Verordnung mit einbezogen. Das Bild erscheint unklar; die verschiedenen
technischen Angaben bringen noch mehr Verwirrung in die Materie.

In Arras ist der Ausdruck „drap de hauteliche" gleichbedeutend mit einem ge-
wirkten Wandteppich; dementsprechend sind „ouvriers de hauteliche" Wirker in
unserem Sinne. Eine Trennung in hautelissier und basselissier ist nicht klar durch-
geführt; der Begriff ist ein Sammelname.

In Tournai dürfte in dem ersten Drittel des 14. Jahrhunderts eine genaue Scheidung
zwischen Wirkern „tapisseurs, marcheteurs, brocheteurs", Stoff- und Leinenwebern
„haultelicheurs" und Wollentuchfabrikanten „ouvriers de draps velus" noch nicht
erfolgt sein. Die Bildteppichindustrie ist zu wenig bedeutungsvoll, um den vor-
gesetzten Behörden klärende Verordnungen notwendig erscheinen zu lassen.

Am 7. August 1408 folgen neue Vorschriften über die „haulteliche" genannten Tücher;
sie regeln zugleich die Arbeitsverhältnisse der Meister, Gesellen und Lehrlinge. Ab-
satz 3 bringt eine nicht unwesentliche Vorschrift über die Art des Schwarzfärbens.
Die Kettfäden bestehen aus Leinen; das Schwarz soll durch ein Waidbad „de cau-
diere fors en wedde vert ou vermeil" erzielt werden. Absatz 4 schreibt vor, „que
chacun drap de haulteliche ait de long tout fait et ouvret XXXVIII aulnes ou environ
a lausne de Tournay". Die Angabe wäre für einen Wandteppich, dessen Länge sich
nach den Sonderwünschen des Bestellers richtet, sinnlos; sie hat dagegen durchaus
ihre Berechtigung für ein Stück Zeug.

Die Verordnung vom 9. Dezember 1410 behandelt den „fait del ouvrage et ouvriers
de tapisserie sarasinoise appellöe a le marche". Hier werden die „ouvriers sarasinois11
klar und deutlich als diejenigen Wirker bezeichnet, die mit dem Gezeug „a le marche",
d. h. [mit dem regelrechten Basselissestuhl arbeiten. Der von Arras übernommene
Ausdruck verschwindet in den darauffolgenden Jahrzehnten; am 10. Februar 1438 ist
nur noch von „marcheteurs" die Rede. Bemerkenswert ist der erste Absatz der zu-
letzt angeführten Verordnung. Die Verwendung von Leinenketten — caines de lin —
ist ausdrücklich verboten. Die technische Kontrolle wird entsprechend den Gepflogen-
heiten der anderen Wirkerstädte durch eine Sonderkommission ausgeübt, die in
unserem Falle aus zwei „marcheteurs" und einem Mitgliede der Zunft der „broqueterie"
besteht; d. h. zwei Basselissiers und ein Hautelissier sind die maßgebenden Aufsichts-
personen. Wie „le marche", die Tretvorrichtung, der wesentlichste Teil des tieflitzigen
Stuhles, der Zunft den Namen gibt, so dient „le broque" (broche), die lange, dünne,
mit Wolle oder Seide beschickte Wirkerspule, dem Hautelissier als Charakteristikum.

Die Maßnahme der „Konsuln", die beide Zweige der Bildwirkerzunft mit der Kon-
trolle beauftragen, zeugt von klarem technischem Erkennen; das gleiche gilt von der
Vorschrift, die für jeden nachgeprüften Basselissebehang das Bleisiegel mit der ein-
geschlagenen Inschrift „marchetrie" vorschreibt. Die Wirker am Hochstuhl sind er-

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