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linken Seite des Behanges wiederkehrt. Andere Holzhauer arbeiten mit der Axt, auch
das schwere, gebogene Messer fehlt nicht, mit dem die Äste zerkleinert werden.
Ein Polier mit turbanartiger Kopfbedeckung legt die zersägten Stämme in Klaftern
zusammen. Der Eichenwald wird durch Hirsche und allerlei sonstiges einheimisches
Getier belebt; die Vorliebe der Tournaiser Manufakturen für exotisches Raubzeug zeigt
sich in einem eigenartig getupften Vierbeiner; auch ein kleiner Löwe, auf den die
Dogge Jagd zu machen scheint, fehlt nicht.
Der Teppich verleugnet wTeder im Stil noch in der Technik seinen Tournaiser Ur-
sprung. Wahrscheinlich handelt es sich um ein früheres Exemplar — Rolin scheidet nach
vierzigjähriger Tätigkeit 1462 aus seinem Amte aus — der Grenierschen Folge «toute
emplye de bosquaille et de verdure et partout esdites pieces sont plusieurs grans per-
sonnaiges come gens paysans et bocherons lesquels font maniere de ouvrer et labourer
audit bois par diverses facons".
Der zweite Holzhauerteppich in dem erwähnten Pariser Museum beschäftigt sich
schon mit edlerem Materiale. An die Stelle des heimischen Eichenwaldes tritt ein
Orangenhain. Die typisch gekleideten Arbeiter hausen schlimm in dem Bestände. Wie
entgegen jedem forstmännischen Brauche der abzuholzende Eichwald in vollem Blätter-
schmucke prangt, so tragen hier die Orangen in üppigen Kronen reichen Früchte-
segen.
Der dritte Teppich gehört möglicherweise zu der 1505 erwähnten Holzhauerfolge,
die Philipp der Schöne von Jehan Grenier erwirbt. Der Herr des Waldes, in reichem
Seidenmoiregewande, nimmt den Bericht des Vorarbeiters entgegen. Männer und
Frauen beladen einen Wagen mit Kloben. Die Behandlung des Baumschlages, der
liebevoller wie gewöhnlich detaillierte Hintergrund mit seinen Bauernhäusern und Burg-
anlagen lassen die Zuschreibung an Tournai vielleicht zweifelhaft erscheinen; der
Charakter der Figuren spricht dagegen entschieden für unsere Manufaktur (30).
Der prächtige Behang im Londoner Viktoria und Albert Museum (Abb. 235) kom-
biniert Motive aus dem Holzfäller- und Hirtenleben. Die Vorbühne füllt Je jeu ä la
main chaude", im Hintergrunde erscheint die Schloßherrschaft; Waldarbeiter hacken
und binden die Kloben. Von besonderem Reize sind die Darstellungen eines zweiten
Tournaiser Behanges — gleichfalls in der Londoner Sammlung —; der Jungherr pflegt
des Weidwrerkes, Schäfer und Schäferinnen verkürzen sich die Zeit durch Bad und
Spiele (Abb. 236).
Eine typische Tournaiser Arbeit der einfachen, gängigen Art stellt ein kleiner, dem
zweiten Jahrzehnte des 46. Jahrhunderts angehöriger Winzerteppich dar. Eigenartig
wirken die riesigen Orangenblätter und Früchte gegenüber den Gestalten der beiden
Winzer, die eifrig mit dem Verschnitte oder vielleicht auch mit dem Pantschen des
Weines beschäftigt sind (Abb. 237). Die Bordüre arbeitet mit schematisch neben-
einandergereihten Motiven.
Die Tournaiser Bildwirkerei macht sich, zumal in der Spätzeit, die Durchbildung
der Umrahmungen in der Regel ungebührlich leicht. Gegenüber den prächtigen, fein
detaillierten Brüsseler Bordüren der Zeit, erscheinen die ständigen Wiederholungen
ein und desselben Musters reichlich langweilig. Die Begründung liegt in dem Be-
streben, billig und rasch, d. h. konkurrenzfähig zu liefern, mag auch die Qualität dar-
unter leiden (S. 285). Zu der gleichen Gattung gehört ein Fragment im Museum zu Mon-
tauban. Auf schwarzem Grunde stehen die bekannten schematisch aufgereihten Blumen-
büschel. Ein Knecht mit einem seltsam ins Gesicht gedrückten spitzen Federhut
arbeitet unter dem scheltenden Zureden eines Aufsehers. Das Schriftband: Chescum
(chacun) nie menassc (menace) nully..scheint auf den Vorgang Bezug zu nehmen (31).
Wesentlich früher in der Durchbildung und im Stile edler, ist ein Winzerfragment
aus der Sammlung fimile Gaillard (8 — 16. Juni 1904).
Der Teppich gehört mit zu dem Besten, was je Tournai erzeugte; die Entstehung
fällt in die siebziger oder achtziger Jahre des 15. Jahrhunderts.
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linken Seite des Behanges wiederkehrt. Andere Holzhauer arbeiten mit der Axt, auch
das schwere, gebogene Messer fehlt nicht, mit dem die Äste zerkleinert werden.
Ein Polier mit turbanartiger Kopfbedeckung legt die zersägten Stämme in Klaftern
zusammen. Der Eichenwald wird durch Hirsche und allerlei sonstiges einheimisches
Getier belebt; die Vorliebe der Tournaiser Manufakturen für exotisches Raubzeug zeigt
sich in einem eigenartig getupften Vierbeiner; auch ein kleiner Löwe, auf den die
Dogge Jagd zu machen scheint, fehlt nicht.
Der Teppich verleugnet wTeder im Stil noch in der Technik seinen Tournaiser Ur-
sprung. Wahrscheinlich handelt es sich um ein früheres Exemplar — Rolin scheidet nach
vierzigjähriger Tätigkeit 1462 aus seinem Amte aus — der Grenierschen Folge «toute
emplye de bosquaille et de verdure et partout esdites pieces sont plusieurs grans per-
sonnaiges come gens paysans et bocherons lesquels font maniere de ouvrer et labourer
audit bois par diverses facons".
Der zweite Holzhauerteppich in dem erwähnten Pariser Museum beschäftigt sich
schon mit edlerem Materiale. An die Stelle des heimischen Eichenwaldes tritt ein
Orangenhain. Die typisch gekleideten Arbeiter hausen schlimm in dem Bestände. Wie
entgegen jedem forstmännischen Brauche der abzuholzende Eichwald in vollem Blätter-
schmucke prangt, so tragen hier die Orangen in üppigen Kronen reichen Früchte-
segen.
Der dritte Teppich gehört möglicherweise zu der 1505 erwähnten Holzhauerfolge,
die Philipp der Schöne von Jehan Grenier erwirbt. Der Herr des Waldes, in reichem
Seidenmoiregewande, nimmt den Bericht des Vorarbeiters entgegen. Männer und
Frauen beladen einen Wagen mit Kloben. Die Behandlung des Baumschlages, der
liebevoller wie gewöhnlich detaillierte Hintergrund mit seinen Bauernhäusern und Burg-
anlagen lassen die Zuschreibung an Tournai vielleicht zweifelhaft erscheinen; der
Charakter der Figuren spricht dagegen entschieden für unsere Manufaktur (30).
Der prächtige Behang im Londoner Viktoria und Albert Museum (Abb. 235) kom-
biniert Motive aus dem Holzfäller- und Hirtenleben. Die Vorbühne füllt Je jeu ä la
main chaude", im Hintergrunde erscheint die Schloßherrschaft; Waldarbeiter hacken
und binden die Kloben. Von besonderem Reize sind die Darstellungen eines zweiten
Tournaiser Behanges — gleichfalls in der Londoner Sammlung —; der Jungherr pflegt
des Weidwrerkes, Schäfer und Schäferinnen verkürzen sich die Zeit durch Bad und
Spiele (Abb. 236).
Eine typische Tournaiser Arbeit der einfachen, gängigen Art stellt ein kleiner, dem
zweiten Jahrzehnte des 46. Jahrhunderts angehöriger Winzerteppich dar. Eigenartig
wirken die riesigen Orangenblätter und Früchte gegenüber den Gestalten der beiden
Winzer, die eifrig mit dem Verschnitte oder vielleicht auch mit dem Pantschen des
Weines beschäftigt sind (Abb. 237). Die Bordüre arbeitet mit schematisch neben-
einandergereihten Motiven.
Die Tournaiser Bildwirkerei macht sich, zumal in der Spätzeit, die Durchbildung
der Umrahmungen in der Regel ungebührlich leicht. Gegenüber den prächtigen, fein
detaillierten Brüsseler Bordüren der Zeit, erscheinen die ständigen Wiederholungen
ein und desselben Musters reichlich langweilig. Die Begründung liegt in dem Be-
streben, billig und rasch, d. h. konkurrenzfähig zu liefern, mag auch die Qualität dar-
unter leiden (S. 285). Zu der gleichen Gattung gehört ein Fragment im Museum zu Mon-
tauban. Auf schwarzem Grunde stehen die bekannten schematisch aufgereihten Blumen-
büschel. Ein Knecht mit einem seltsam ins Gesicht gedrückten spitzen Federhut
arbeitet unter dem scheltenden Zureden eines Aufsehers. Das Schriftband: Chescum
(chacun) nie menassc (menace) nully..scheint auf den Vorgang Bezug zu nehmen (31).
Wesentlich früher in der Durchbildung und im Stile edler, ist ein Winzerfragment
aus der Sammlung fimile Gaillard (8 — 16. Juni 1904).
Der Teppich gehört mit zu dem Besten, was je Tournai erzeugte; die Entstehung
fällt in die siebziger oder achtziger Jahre des 15. Jahrhunderts.
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