Brüssel
Wundervoll harmonisch klingen die Töne in dem Brautnachtteppich zusammen. Amo-
retten schlagen die grünen, reich mit Gold durchwirkten Bettvorhänge zurück. Die
Überdecke zeigt den prächtigsten Brokatbezug, die Wände decken köstliche Textilien,
ein Stuckfries vermittelt den Ubergang zur Decke. Die Durchführung des Innen-
raumes, der nicht ohne weiteres dem Wesen des Wirkteppichs entspricht, ist hervor-
ragend gelöst; alle Einzelheiten sind bis in die kleinsten Details mustergültig behandelt.
Sei es der Saum eines Gewandes oder die Decke einer Kredenz, seien es die zarten,
jetzt ergrauten Fleischtöne, alle Teile schließen sich in harmonischem, zugleich weichem
Farbenschmelze zusammen.
Der Meister hat neben den kostbarsten Folgen auch einfache Arbeiten nicht ver-
schmäht. Im allgemeinen stehen die für den spanischen Hof gelieferten Wirkereien mit
dem Pannemakerschen Zeichen auf der gleichen technischen und künstlerischen Höhe.
Es scheint, daß die Mehrzahl dieser Serien in dem Meisteratelier selbst entstanden ist.
W ilhelm de Pannemaker hat das königliche Regal, das ihm Befreiung von bindenden
Zunftvorschriften zusicherte, gründlich aber nicht unwürdig ausgenutzt. Ee versteht
sich von selbst, daß die Teppichreihen für Margarete von Parma, Alba, Granvella und
andere einflußreiche Größen von den gleichen geschulten Kräften erledigt wurden
wie die königlichen Bestellungen. Andererseits sind einzelne Folgen einfacherer Art, so
ein Behang, der anscheinend zu einer Geschichte der Kleopatra gehört, mit geringerer
Sorgfalt gearbeitet, Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß die Teppichreihen, die
nicht besonders für Madrid oder Wrien gewirkt wurden, schon des lieben Friedens
halber andere Brüsseler Firmen zur Mitausführung erhielten, und nur das eine oder
andere Stück in dem Meisteratelier selbst entstand. Der Umstand erklärt auch die
Tatsache, weshalb ein und dieselbe Serie bisweilen • fünf und mehr verschiedene
Wirkerzeichen trägt. Der Großunternehmer, mag er Pannemaker oder Geubels
heißen, vergab die betreffende Folge, für die in der Regel eine kurze Lieferfrist vor-
geschrieben war, nicht einer Firma, er verteilte die Teppiche unter die Berufsgenossen,
die gerade genügend Stühle frei hatten oder ihm günstige Ausführungsangebote
machten.
Meister Wilhelm beschließt sein langes und arbeitsreiches Leben als „concierge",
d. h. als Verwalter und Haushofmeister des königlichen Lusthauses „de Sassignies".
Das ihm am 17. September 1578 verliehene Amt bedingt keineswegs eine unterge-
ordnete Tätigkeit. Der Verwalter ist eine angesehene Persönlichkeit, die Verleihung
ist im Grunde genommen nichts weiter als eine Sinekure, ein königlicher Gnaden-
beweis, ein Ruhepöstchen.
In den Spätjahren des Pannemakerschen Unternehmens macht sich die jüngere
Konkurrenz stark bemerkbar, in erster Linie tritt das Atelier des Franz Geubels in
Erscheinung. Meister Franz dürfte im Lebensalter etwa ein bis zwei Jahrzehnte hinter
Wilhelm de Pannemaker zurückstehen. Er besitzt bereits 1544 einen vorzüglichen
Ruf und wird mit als einer der Begutachter der Tunisfolge erwähnt. Am 19. Novem-
ber 1545 erscheint Franz Geubels aus Brüssel in einer Antwerpener Notariatsakte ge-
legentlich der Ermietung des Hauses, «genaempt de Halle van Weerdt^, für seinen
Schwiegervater Jan van Atrecht. Geubels Name war bisher auf das engste verknüpft
mit einer der schönsten Orleyfolgen, den „Jagden Maximilians^. Die Signatur läßt es
zweifelhaft erscheinen, ob wir es mit einem Mitgliede der Familie Geubels zu tun
haben. Die Annahme von Wauters, der den oberen Teil des Monogramms unrichtig
als W liest und hieraus einen Willem Geubels konstruiert, ist nicht haltbar.
Wer war der Wirker der Maximiliansjagden (Abb. 70, 71,184,276)? Die urkundlichen
Belege fehlen vollkommen. Die Kartons sind, nach den dargestellten Architektur-
anlagen zu schließen, um 1525 entstanden; die Übertragung in die Wirktechnik dürfte
spätestens in den dreißiger Jahren erfolgt sein. Der Auftraggeber war kein Mitglied des
Königshauses, andernfalls müßte der eine oder andere Rechnungsbeleg der schon zur
damaligen Zeit berühmten Teppichreihe vorhanden sein. Lediglich das Inventar des
Brüsseler Herzogsschlosses (35) vom Jahre 1544 erwähnt eine aus dem Nachlasse Eberhards
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Wundervoll harmonisch klingen die Töne in dem Brautnachtteppich zusammen. Amo-
retten schlagen die grünen, reich mit Gold durchwirkten Bettvorhänge zurück. Die
Überdecke zeigt den prächtigsten Brokatbezug, die Wände decken köstliche Textilien,
ein Stuckfries vermittelt den Ubergang zur Decke. Die Durchführung des Innen-
raumes, der nicht ohne weiteres dem Wesen des Wirkteppichs entspricht, ist hervor-
ragend gelöst; alle Einzelheiten sind bis in die kleinsten Details mustergültig behandelt.
Sei es der Saum eines Gewandes oder die Decke einer Kredenz, seien es die zarten,
jetzt ergrauten Fleischtöne, alle Teile schließen sich in harmonischem, zugleich weichem
Farbenschmelze zusammen.
Der Meister hat neben den kostbarsten Folgen auch einfache Arbeiten nicht ver-
schmäht. Im allgemeinen stehen die für den spanischen Hof gelieferten Wirkereien mit
dem Pannemakerschen Zeichen auf der gleichen technischen und künstlerischen Höhe.
Es scheint, daß die Mehrzahl dieser Serien in dem Meisteratelier selbst entstanden ist.
W ilhelm de Pannemaker hat das königliche Regal, das ihm Befreiung von bindenden
Zunftvorschriften zusicherte, gründlich aber nicht unwürdig ausgenutzt. Ee versteht
sich von selbst, daß die Teppichreihen für Margarete von Parma, Alba, Granvella und
andere einflußreiche Größen von den gleichen geschulten Kräften erledigt wurden
wie die königlichen Bestellungen. Andererseits sind einzelne Folgen einfacherer Art, so
ein Behang, der anscheinend zu einer Geschichte der Kleopatra gehört, mit geringerer
Sorgfalt gearbeitet, Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß die Teppichreihen, die
nicht besonders für Madrid oder Wrien gewirkt wurden, schon des lieben Friedens
halber andere Brüsseler Firmen zur Mitausführung erhielten, und nur das eine oder
andere Stück in dem Meisteratelier selbst entstand. Der Umstand erklärt auch die
Tatsache, weshalb ein und dieselbe Serie bisweilen • fünf und mehr verschiedene
Wirkerzeichen trägt. Der Großunternehmer, mag er Pannemaker oder Geubels
heißen, vergab die betreffende Folge, für die in der Regel eine kurze Lieferfrist vor-
geschrieben war, nicht einer Firma, er verteilte die Teppiche unter die Berufsgenossen,
die gerade genügend Stühle frei hatten oder ihm günstige Ausführungsangebote
machten.
Meister Wilhelm beschließt sein langes und arbeitsreiches Leben als „concierge",
d. h. als Verwalter und Haushofmeister des königlichen Lusthauses „de Sassignies".
Das ihm am 17. September 1578 verliehene Amt bedingt keineswegs eine unterge-
ordnete Tätigkeit. Der Verwalter ist eine angesehene Persönlichkeit, die Verleihung
ist im Grunde genommen nichts weiter als eine Sinekure, ein königlicher Gnaden-
beweis, ein Ruhepöstchen.
In den Spätjahren des Pannemakerschen Unternehmens macht sich die jüngere
Konkurrenz stark bemerkbar, in erster Linie tritt das Atelier des Franz Geubels in
Erscheinung. Meister Franz dürfte im Lebensalter etwa ein bis zwei Jahrzehnte hinter
Wilhelm de Pannemaker zurückstehen. Er besitzt bereits 1544 einen vorzüglichen
Ruf und wird mit als einer der Begutachter der Tunisfolge erwähnt. Am 19. Novem-
ber 1545 erscheint Franz Geubels aus Brüssel in einer Antwerpener Notariatsakte ge-
legentlich der Ermietung des Hauses, «genaempt de Halle van Weerdt^, für seinen
Schwiegervater Jan van Atrecht. Geubels Name war bisher auf das engste verknüpft
mit einer der schönsten Orleyfolgen, den „Jagden Maximilians^. Die Signatur läßt es
zweifelhaft erscheinen, ob wir es mit einem Mitgliede der Familie Geubels zu tun
haben. Die Annahme von Wauters, der den oberen Teil des Monogramms unrichtig
als W liest und hieraus einen Willem Geubels konstruiert, ist nicht haltbar.
Wer war der Wirker der Maximiliansjagden (Abb. 70, 71,184,276)? Die urkundlichen
Belege fehlen vollkommen. Die Kartons sind, nach den dargestellten Architektur-
anlagen zu schließen, um 1525 entstanden; die Übertragung in die Wirktechnik dürfte
spätestens in den dreißiger Jahren erfolgt sein. Der Auftraggeber war kein Mitglied des
Königshauses, andernfalls müßte der eine oder andere Rechnungsbeleg der schon zur
damaligen Zeit berühmten Teppichreihe vorhanden sein. Lediglich das Inventar des
Brüsseler Herzogsschlosses (35) vom Jahre 1544 erwähnt eine aus dem Nachlasse Eberhards
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