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Brüssel

Madrider Folge dürfte um 1612, also noch zur Zeit des Zusammenarbeitens mit der
Witwe Geubels entstanden sein. Die eine Allegorie trägt das Monogramm des Jakob
Geubels, ein zweiter Teppich — Decius kündet den Zenturionen seinen Opferwillen —
zeigt das Reydams'sche Monogramm und in der Wirkerkante der oberen Bor-
düre den Namen JAC. GEVBELS. Die obere Lisiere dürfte als Ersatz einer schad-
haften Stelle eingefügt und einem anderen Teppich entnommen sein. Mehr wie ein-
mal ist die Deciusfolge aus dem Raes'schen Atelier hervorgegangen. Am 9. Novem-
ber 1916 schließen Jan Raes und sein Geschäftsfreund Franz Sweerts mit Franco Cat-
taneo einen Vertrag, der sie zur Lieferung von zwei vollständigen Tapisseriezimmern
mit der Geschichte des römischen Helden verpflichtet. Beide bestehen aus je sechs
Teppichen und zwei Supraporten — den zu der Reihe gehörigen Trophäen —, die
Größe der Parallelstücke variiert etwas. Der Einheitspreis beläuft sich auf 22 Gulden;
die Ausführung — wahrscheinlich unter Verwendung von Metallfäden — ist besonders
sorgfältig. Franco Cattaneo handelt als vorsichtiger Kaufmann, er setzt im Vertrage fest,
daß Rubens selbst als Sachverständiger fungieren und die fertiggestellte Folge begut-
achten soll (117). Fällt sein Urteil günstig aus, so ist der Käufer bereit, einen Gulden
auf den Einheitspreis zuzulegen.

Noch reicher gearbeitet ist die Deciusfolge, deretwegen Jan Raes 1625 mit dem in
Antwerpen ansässigen englischen Händler John Pelham in Verhandlungen steht. Zu-
nächst sollen zwei mit Gold und Silber durchwirkte Stücke, jedes sechs Ellen hoch,
dem Könige von England zur Ansicht zugesandt wTerden. Pelham verpflichtet sich,
die Teppiche abzusetzen oder innerhalb von zwei Monaten zurückzuerstatten. Der
Einheitspreis wird auf 46 Gulden normiert. Der Ankauf scheint nicht zustande ge-
kommen zu sein, wenigstens nennt das Inventar, das nach der Enthauptung Karls I.
aufgestellt wurde und als Auktionsunterlage diente, unter den zahlreichen Teppich-
folgen keine mit der Historie des Decius Mus. 1631 taucht der Name Jan Raes zum
letztenmal in den Belegen der Liller Rechnungskammer auf. Er liefert eine nicht
näher benannte Reihe, die die Infantin Isabella dem in Brüssel beglaubigten franzö-
sischen Gesandten, einem Herrn de Butrieu (du Bertrieu) als Geschenk überweist,
Möglicherweise handelt es sich um eine neue Wiederholung der Deciusfolge.

Die Fürstlich Lichtenstein'sche Galerie zn Wien besitzt sowohl die als Gemälde auf-
gefaßten Kartons der Decius-Mus-Reihe — die irrtümlich Ajax und Kassandra bezeichnete
Darstellung gehört mit zu der Folge, die Supraporten fehlen — als auch eine unvollständige
Serie von vier Teppichen, von denen zwei die Signierung des Jan Raes tragen. Ver-
schiedene andere Stücke der Deciusfolge befinden sich in der Wiener Stephanskirche,
im Besitze der Fürsten Auersperg und Solms-Braunschweig, sowie in der Sammlung
des Freiherrn von Stumm. Einzelteppiche der berühmten Serie tauchten mehrfach im
Handel auf; nach vorsichtiger Schätzung dürfte die Deciusgeschichte in den verschiedenen
Brüsseler Ateliers etwa 20mal wiederholt worden sein. Die Angabe bezieht sich aller-
dings nur auf die erzählenden Behänge der Reihe, die Allegorien sind erheblich sel-
tener, noch weniger sind die Supraporten, die Trophäen, anzutreffen.

Mit den geschilderten Folgen ist die Tätigkeit des Meisters bei weitem nicht er-
schöpft. 1910 erschienen auf der Brüsseler Kunstausstellung (118) zwei Teppiche aus
einer biblischen Serie — Mannalese und Abendmahl —, deren Entstehung Goffin in
das Jahr 1628 setzt; die Entwürfe stammen angeblich von dem Löwener Maler Hein-
rich De Smet. Der Wirker ist Jan Raes. Eine Pantherjagd mit der Brüsseler Marke
und der Signierung H(?) RAES befand sich 1906 im Besitze des Pariser Händlers
Duplessy (119). Nach der Bordürenbeschreibung scheint es sich um eine Arbeit des
Franz, nicht des Jan Raes zu handeln. Die Sammlung Berwick und Alba enthält außer
den schon erwähnten Taten der Apostel noch verschiedene Wandteppiche aus dem
Atelier Meister Jans und seines gleichnamigen Sohnes. Der Frühzeit gehört ein Teppich
aus der Trojafolge an, der noch aus der Zeit der gemeinsamen Tätigkeit der Geubels-
schen und Raes'schen Manufakturen stammt, Der Behang — Paris verwundet im Kampf-
gewühl Menelaus — trägt die Brüsseler Marke und die Monogramme beider Ateliers.

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