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Brüssel

Der Vollständigkeit halber sei auf die bekannten Teniersschen Wappenteppiche hin-
gewiesen, die auch zum Teil aus Wilhelm van Leefdaels, zum Teil aus Geraert van
der Streckens Manufaktur stammen.

Ferner ist noch eine Wiederholung der Decius-Musfolge — sechs Teppiche — im
Besitze des Fürsten Johann Lichtenstein zu erwähnen; von denen zwei den Namen
des Jan van Leefdael, zwei weitere den des Geraert van der Strecken tragen, die beiden
letzten Behänge sind unsigniert (153).

Schließlich schreibt Alphonse Wauters Wilhelm van Leefdael Teppiche einer Kleo-
patra- und eine Paulusfolge zu. Die ersteren sollen sich angeblich in Madrid befinden;
die letzteren in Belgien oder Italien; eine Nachprüfung erzielte keine einwandfreie
Klärung.

Zu den ältesten und größten Manufakturen des 17. Jahrhunderts gehört der Betrieb
der Wirkerfamilie de Vos. Bereits 1426 tritt Jan de Yos als Geschworener der Brüsseler
Legwerkerzunft auf; ein Willem de Vos wird 1433 als „Leerknape^ genannt, in der
gleichen Eigenschaft erscheint 1437 Heine de Vos; der Renaissancemeister Michael de
Vos fand bereits Erwähnung.

Marc de Vos beginnt seine Tätigkeit um 1655, er wird 1663 privilegiert und hat
zu diesem Zeitpunkte fünf bis sechs Stühle im Gange. De Vos beschäftigt außerdem
mehrere der kleinen selbständigen Meister und betreibt nebenbei einen schwunghaften
Bildteppichhandel. Nähere Lebensumstände sind nur unzureichend bekannt; die noch
erhaltenen Folgen sprechen deutlich für den Umfang und die Güte des Unternehmens.
Wahrscheinlich arbeitet Govaert de Vos, der 1676/77 als Doyen geführt wird, gemein-
sam mit Meister Marcus. Wenig geklärt ist die Tätigkeit eines Michel de Vos, der
1669 als Zunftältester Erwähnung findet.

Eine der schönsten Reihen aus dem Atelier des Marc de Vos barg einst Schloß Chalais.
Auf Grund einer Nachlaßbestimmung des Besitzers, des Herzogs von Talleyrand-
Pörigord, Prinzen von Chalais, ging das Anwesen mit seiner gesamten Ausstattung an
das Greisenasyl des Stadthospitals über. Der Einspruch der Erben, die den kostbaren
Besitz an Wandteppichen vor der Verschleuderung zu retten suchen, wird von dem
Pariser Appelationsgericht zurückgewiesen. Am 10. Juni 1898 kommen die Behänge,
die sich übrigens zum großen Teil in kläglichem Zustande befinden, in Paris im Hotel
Drouot zur Versteigerung. Außer wertvollen Arbeiten des 15. Jahrhunderts, die zumeist
in Museumsbesitz übergehen, finden wir eine aus acht Teppichen bestehende Folge
der Ceres mit prächtigen Bordüren; Füllhörnern entquellen Blumen- und Fruchtgehänge.
Die Reihe ist verhältnismäßig selten, so daß eine, wenn auch nur andeutungsweise
Beschreibung nicht unerwünscht sein dürfte. Der Göttin der Feldfrucht, Ceres, bietet
ein Mann ehrfurchtsvoll den gefüllten Korb dar, sein Gefährte verstaut den reichen
Segen des Landes auf dem Rücken eines Kameles. Vor dem ragenden Palaste mit vor-
gelagerten Gärten pflegen Frauen die Blumen. In waldiger, seenreicher Landschaft
tummeln sich Jäger und Fischer. Ähnlich ist die Auffassung des zweiten Behanges.
Ceres hält das Füllhorn. Zur Rechten sonnt sich ein Löwe am Fuße eines mächtigen
Baumes; eine Tigerkatze klimmt im Gezweig. Im Hintergrunde jagen Kavaliere. Mit
besonderer Liebe wird das Kleinwerk behandelt. Die übrigen Teppiche der Reihe
erzählen die Geschichte Proserpinas, der holden Tochter der Demeter-Ceres. Die Ent-
führung der Jungfrau durch Hades, den Herrn der Unterwelt, und der Mutter Wieder-
sehen bilden den Abschluß. Die Folge bietet literar- und kunsthistorisch manchen
eigenartigen Zug. Das Bacchanal, das den Hintergrund des zuletzt erwähnten Stückes
abgibt, dürfte auf die Berichte über das zu Anfang Dezember von den Frauen Roms
gefeierte nächtlich-bacchantische Fest der Bona Dea zurückzuführen sein. Auch An-
spielungen auf die mystische Braut des Jakchos scheinen nicht zu fehlen. Die Teppiche
sind zumeist mit der Brüsseler Marke und MARCUS .DE VOS gezeichnet.

Der neunte, der gleichen Manufaktur angehörige Teppich bildet ein Stück der Folge
der «fins Teniers". In einem Seehafen werden Warenballen zur Einschiffung ge-
bracht (154).

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