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B r il s s e l

Auf dem letzten der zehn Teppiche — Plünderung von Tunis — erscheint Judocus
de Yos in der rechten Bildhälfte, in Gestalt eines Mannes in blauem Rocke, auf dem
Haupte eine barettartige Mütze (Abb. 351). Die Bordüre bringt den allgemein üblich
gewordenen vergoldeten Rahmen mit den gekrönten Wappen von Kastilien, Cordova,
Flandern und Brabant in den vier Ecken und dem kaiserlichen Doppeladler mit dem
österreichischen Bindenschild in der Mitte der oberen Umrahmung. Die Inschrifttafel
der unteren Bordüre erläutert den betreffenden Vorgang. Die zehn Behänge werden
1721 abgeliefert, die Gesamtunkosten belaufen sich auf rund 50000 Gulden.

Die stilistischen Vergleiche der ursprünglichen, von Wilhelm de Pannemaker ge-
wirkten Folge mit der de Vosschen Wiederholung und der dritten Kopie, die 1740
im Auftrage König Philipps V. in der Madrider Manufaktur entstand, zeigen deutlich
die starke technische Wandlung, die der Bildwirkerei im Laufe von zwei Jahrhunderten
beschieden war. Auch hinsichtlich der veränderten Farbengebung sind die drei Serien
außerordentlich lehrreich.

Die Eigenart unseres Meisters erschöpft sich nicht in der Wiedergabe großer histo-
rischer Ereignisse mit gedrängter Personenfülle; die Pastorellenfolgen in ihrer reizvollen
Verbindung von Architektur, Baumschlag, Staffage und Figuren bilden ein dankbares
Gebiet. Zahlreiche Serien dieser Art sind erhalten. Sie gehen zumeist unter dem
Sammelnamen Schäferszenen, tatsächlich handelt es sich um die Wiedergabe zeit-
genössischer und früherer Romane, in erster Linie um Guarinis Pastor Fido, um
Szenen aus dem Aminta, um Liebesepisoden aus dem Rasenden Roland oder dem Be-
freiten Jerusalem. Zwei der schönsten Pastoralen aus der Manufaktur des Judocus
de Vos besitzt die Wiener Staatssammlung (Abb. 354).

Einzelteppiche dieser Gattung sind nicht selten. So tauchten z. B. 1883 zwei Be-
hänge, signiert J. de Vos, bei der Versteigerung der florentinischen Sammlung Rusca
auf. Die Bildwirkereien erreichten bei tadelloser Erhaltung nur ein Gebot von
5050 Francs (157). Die gleiche Auktion brachte fünf Brüsseler Don Quijotetep-
piche, denen leider eine Signierung fehlte, sie erzielten 8100 Francs. Insgesamt
lassen sich mit einiger Sicherheit etwa sechs bis sieben Wiederholungen der Pastor
Fidoreihe aus der de Vosschen Manufaktur nachweisen, die vollständig sechs Be-
hänge zählt.

Fragmente aus einer Monatsreihe sowie die allegorische Folge «Neigungen des Men-
schen" (Abb. 352), mit der de Vosschen Signierung, finden sich in der österreichischen
Staatssammlung. Einen besonders gut durchgearbeiteten Europateppich aus der mehr-
fach erwähnten älteren Weltteilreihe besitzt die bekannte Münchener Kunsthandlung
L. Bernheimer. Auch die Achillesreihe fehlt nicht in dem Wirkereibestand des Judocus
de Vos (Abb. 353).

Feldzugsteppiche, in der Art der de Hondtschen Entwürfe, sind nicht selten. Ob
die «Siege des Prinzen Eugen von Savoyen" — Wauters schreibt die Folge gleich-
falls Josse de Vos zu und stützt sich auf die Memoiren des Grafen von Merode-Wester-
loo — je wiederholt wurden, entzieht sich meiner Kenntnis (158).

Jan Franz de Vos setzt das väterliche Unternehmen fort, seine Privilegierung fällt
in das Jahr 1719. Er gehört zu den Wirkern, denen 1736, zur Zeit des immer stärker
werdenden Rückganges der Bildwirkerei, der Brüsseler Rat einen jährlichen Zuschuß
von 40 Gulden bewilligt, sofern sie mindestens vier Stühle im Betriebe halten. Meister
Johann Franz ist in der glücklichen Lage, noch acht Gezeuge arbeiten zu lassen. Un-
klar ist allerdings, ob die städtischen Behörden die kleinen Stühle, die zur Herstellung
von Möbelbezügen dienen, als voll mitrechnen. Bildteppiche der Manufaktur ge-
hören zu den Seltenheiten. Im Kunsthandel sind bislang nur einige J. F. de Vos
signierte Pastorellenteppiche, nach Patronen des väterlichen Ateliers, bekannt geworden.
Ähnlich verhält es sich mit Johann Baptist de Vos, wohl ein Bruder unseres Wirkers.
Er scheint in erster Linie Lager- und Feldzugsepisoden, nach Entwürfen und Stichen
van der Meulens, gewirkt zu haben. Vereinzelte Arbeiten dieser Art tauchten im fran-
zösischen und belgischen Kunsthandel auf.

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