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Brüssel

Die Tätigkeit der beiden letzten Vertreter der einst so rührigen Manufaktur steht
bereits unter dem lähmenden Drucke des unaufhaltsamen Niederganges. Alle behörd-
lichen Bemühungen, der alten ruhmreichen Industrie neue Wege zu erschließen,
müssen an der veränderten Geschmacksrichtung und den wenig günstigen Zeitläufen
scheitern.

Mitglieder der Familien Provost, Rombaud und Wirker mit weniger bekannten
Namen, wie die Destoch, Waske, Mage, siedeln nach Frankreich über. Der Rest der
Kleinmeister führt in dem ausgehenden 18. Jahrhundert ein wenig beneidenswertes
Dasein.

Zu den Mittelbetrieben gehört das Atelier der Wauters (Wouters). Bereits im 16. Jahr-
hundert ist ein Paul Wouters tätig, der 1569/70 die Doyenwürde bekleidete. Der
Hauptbetrieb scheint schon früh nach Antwerpen verlegt worden zu sein. Peter
Wauters ist einer der bedeutenderen Wirker und Händler der Scheidestadt. Ob
M(arkus) oder M(artin) Wauters, der Yerfertiger einer aus acht Teppichen bestehenden
Dido- und Aeneasfolge (Abb. 355) in der österreichischen Staatssammlung, ein Mitglied des
Antwerpener oder Brüsseler Zweiges ist, bleibt, da den Teppichen außer dem Wirker-
namen M. WAYTERS jede Stadtmarke fehlt, zunächst ungeklärt. Die Ausführung
der Reihe, die nach Entwürfen von Gian Francesco Romanelli arbeitet, ist handwerk-
lich tüchtig. Eine Wiederholung — drei Teppiche — findet sich im schwedischen
Textilienschatze (Lit Sa.). Schließlich ist Meister Peter eine «Reitschulserie^, nach den
bekannten Jordaenschen Vorlagen, zuzuschreiben. Auf einer Pariser Auktion (17. Mai 1907)
fanden zwei Teppiche der Folge für 13 650 Francs einen Abnehmer.

Die Familie Segers zählt zu den ältesten Brüssels. Jan de Zeghere wird 1422 als
«Knape" erwähnt, ihm folgen Heinrich Zegers 1-429 und Laureys Zegers 1434, die als
Lehrlinge der Leghwerkerzunft beitreten. 1433 amtiert Jan de Zeghere als Ge-
schworener. Sein Enkel Jan erscheint 1495, ein gleichnamiger Nachkomme macht sich
als Mitglied der Sankt Sebastiansbruderschaft verdient. Ihm folgt ein Jakob Segers;
ein Meister Wilhelm wohnt 1668 an der Anderlechter Heerstraße. Das Geschlecht
nimmt eine durchaus angesehene Stellung ein; trotz Jahrhunderte alter Tradition ge-
lingt es den Seghers nicht, zu den führenden Wirkerfirmen aufzurücken.

Der Grund mag wohl darin liegen, daß die Seghers die Teppichwirkerei nicht als
Haupterwerbsquelle betreiben; verschiedene Mitglieder werden urkundlich auch als
Seidenhändler erwähnt, wie der Vater des bekannten Blumenmalers Daniel Seghers.

Der Name ist in Brüssel nicht allzu selten, so daß bei dem vorliegenden unzu-
reichenden Material eine Klärung zunächst ausgeschlossen erscheint.

Wahrscheinlich ist der um 1655 in Gouda arbeitende Jan Jansz Segers ein Abkömm-
ling der Brüsseler Wirker.

Ein Meister gleichen Namens, der Sohn Jakob Seghers, ist in der ersten Hälfte des
17- Jahrhunderts in Paris ansässig, er übt die Tätigkeit eines Lagerverwalters oder
Faktors aus. Politische und wirtschaftliche Schwierigkeiten bedingen seine Rückkehr;
noch etwa 37 Jahre später wird Meister Jan als Leiter eines Brüsseler Ateliers er-
wähnt. Eine Verdürenfolge (Abb. 357) im österreichischen Staatsbesitze dürfte auf seinen
Betrieb zurückzuführen sein, der später von den drei Söhnen Jakob, Matthias und
Vinzenz übernommen wird.

Im gleichen Dunkel liegen die Manufakturen des Anton Tauton (um 1650), des Jan
Baptist Grimberchs und des Renö Le Roux, der 1677 privilegiert wird. Bei andern
Namen erscheint es zweifelhaft, ob wir es mit einem Wirker oder lediglich mit einem
Händler zu tun haben, wie z. B. bei Wilhelm Foulon aus Namur, der 1680 als Brüs-
seler Bürger aufgenommen wird. Er läßt in größerer Menge gängige Verdüren und
Wappenteppiche fertigen, „groene fyne boschagien, lantschappen, reposteros". Im
darauffolgenden Jahre wird seine Privilegierung ausgesprochen. Es ist mehr wie
wahrscheinlich, daß Meister Foulon ein «trockener Meister" ist, ähnlich verhält es sich
mit seinem Schwager Jan Gösch, dem 1699 die Vorrechte verliehen werden. Außer
den erwähnten Waldteppichen knüpfen sich eine Alexanderfolge sowie eine Reihe

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