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Brüssel

feststellen konnten. Es sei nur an Digne Raponde (Dino Rapondi), den in Brügge an-
sässigen italienischen Bankier, erinnert, der Philipp von Burgund außer namhaften
Summen prächtig illuminierte Handschriften, Bildteppichfolgen und dergleichen mehr
zur Verfügung stellte und in besonderen Ateliers fertigen ließ. Ursprünglich wird Jan
van Roome Miniaturmaler gewesen sein, die wirtschaftlich günstige Lage der Bildteppich-
industrie veranlaßt den Meister zur Aufnahme dieses, dem Wesen seines Ateliers so
naheliegenden Kunstzweiges. Aller Wahrscheinlichkeit nach setzt schon früh ein in-
niges Zusammenarbeiten des van Roomeschen mit dem van Orleyschen Betriebe ein.
Eine derartige Annahme entspricht durchaus der Eigenart der Bildteppichmanufak-
turen, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts bereits einen fabrikmäßigen Einschlag auf-
weisen. Die stets kurz bemessenen Lieferungsfristen erzwingen für die Durchführung
der Patronen umfangreicher Folgen die Einstellung aller verfügbaren Kräfte entsprechend
ihrem Können und ihren Spezialleistungen. Bei vereinzelten Teppichen, wie bei
dem Herkinbaldbehang, ist schon eher eine einheitliche künstlerische Bearbeitung ge-
währleistet.

Von allen Autoren ist bislang der Beiname Meister Jans uvan Room" mit der ewigen
Stadt in Verbindung gebracht worden, eine Annahme, die vielfach als Beweis für Jans
Tätigkeit als Tafelmaler dienen sollte, dessen Eigenart der angebliche Besuch des klas-
sischen Bodens erklärte. Dabei liegt eine zweite, wesentlich wahrscheinlichere Schluß-
folgerung erheblich näher.

In Frankenthal, dem großen Sammelbecken brabantischer Künstler, wandert 1579
der seines Glaubens halber flüchtig gewordene Pieter van Roome ein, 1586 folgt ein
Franz van Roome. Das Geschlecht blüht im 18. Jahrhundert noch in Frankenthal,
Mannheim und Hanau. Der Name van Roome hat, ebensowenig wie bei unserem
Meister Jan, dessen unmittelbare Nachkommen die Geflüchteten vielleicht sind, mit der
Hauptstadt Italiens etwas zu tun, er leitet sich her von dem acht Kilometer west-
lich von Brüssel gelegenen Gehöft Roome bei Itterbeck. Schon 1259 nennt sich ein
Jehan Coleman nach diesem Hof „de Roman (176). Die Gleichsetzung des Namens
Jan van Roome mit Jan van Brüssel wird bei der geringen örtlichen Entfernung — der
Hof wurde wohl noch mit zu dem Stadtgebiete gerechnet — ohne weiteres verständ-
lich. Es ist kein Deckname, sondern ein Geschlechtsname, wie Pieter van Aelst und
andere mehr.

A. Thiöry bringt Johannes van Roome in Verbindung mit der berühmten Folge der
Geschichte Trojas, mit Teppichen, die bislang als französische oder Tournaiser Arbeiten
bezeichnet wurden.

Die Unterschiede zwischen den „patrons ä petit pied" und den in verschiedenen
Fragmenten noch vorhandenen Teppichen im Londoner Viktoria und Albert Museum,
in den Gerichtsgebäuden zu Montereau und Issoire, auf Schloß Sully, in der Kathe-
drale zu Zamora (Spanien) und in den Sammlungen L. Speyer (London) und Schu-
waloff, sind nicht unerheblich. Sowohl die Entwurfszeichnungen wie die hiernach ge-
wirkten Teppiche tragen mehrfach die Signierung des Meisters Johannes. Das gleiche
gilt von einem unlängst — Auktion Raoul Heilbronner, Paris 22.-28. Juni 1921 —
aufgetauchten weiteren Trojafragment, das die Kampfszene und die Beratung im Zelte
schildert. Wir finden I. N.; RON IPENAR und verschiedene, anscheinend will-
kürlich zusammengestellte Buchstaben. Die schon früher bekannten Fragmente bringen
ROEM, RON, vereinzelt auch nur I. R. Das Zelt, in dem Pyrrhus zum Kampf ge-
rüstet wird, trägt oben die Inschrift BRVS. BRABAN. Der hiernach gewirkte
Teppich im Londoner Viktoria und Albert Museum wiederholt die Bezeichnung, die
zweifelsohne auf Brüssel Brabant zu deuten ist.

Fragt man sich, wie Johannes von Roome mit diesen Entwürfen in Verbindung zu
bringen ist, so sind drei Fälle gegeben. Möglicherweise variierte der Meister im Auf-
trage eines bislang unbekannten Bestellers die 1472 von Pasquier Grenier Herzog Karl
dem Kühnen gelieferte Folge mit so wesentlichen Abänderungen, daß nicht nur neue
Naturgrößenkartons, sondern auch vorbereitende Entwurfsskizzen nötig wurden. Dem

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