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Brüssel

Die architektonische Lösung endet entweder im Bilderrahmen — die Cäsarfolge aus
der Le Clercschen Manufaktur illustriert trefflich den Typ (Abb. 327) — oder in der
reinen Blumenbordüre, die, mit allerhand Emblemen verbrämt, das Mittelbild vielfach
durchbricht und malerisch faßt (Abb. 296). Die Folge der freien Künste aus der Werk-
statt des Jan Leyniers dürfte als Prototyp dieser Gattung gelten.

Von wesentlich größerer Bedeutung als die architektonische Fassung und ihre Aus-
läufer ist die Hohlkehlenbordüre der Barockzeit, gewissermaßen die Fortsetzung des
prächtigen Renaissancemotives. Sie verkörpert im eigentlichen Sinne den Bordürenstil
des 17. Jahrhunderts. Jede größere oder kleinere Manufaktur ist bemüht, sich eine
oder mehrere Fassungen zu schaffen, die für das Unternehmen charakteristisch sind.

Yan der Strecken arbeitet mit Vorliebe mit der bereits eingehend besprochenen
Rahmung der Konstantinsfolge (Abb. 344). Architektonische Glieder—Sima und Eierstab —
fassen die tiefe Kehle, stilisierte Adler, reiche Gefäße, Putten, Frucht- und Blumen-
gehänge, Kartuschen mit Inschriften und kleinen Landschaften füllen den Raum. Jan
van Raes liebt reiches Kartuschen werk, er arbeitet mit Füllhörnern, denen Blumen
und Früchte entquellen, mit Maskarons und buntgefiederten Vertretern der Vogelwelt
(Abb. 316, 318). Die Bordürenart des Franz van den Hecke illustriert Abbildung 304. Die
reichen Fassungen werden übrigens in der Regel nur für die kostbareren Personenfolgen
verwandt. FürVerdüren begnügt sich unser Meister mit einer einfachen Blumenbordüre;
Tulpen, Anemonen, Mohn und Früchte verschiedenster Art werden durch malerisch
verschlungene Bänder gehalten.

Auch Waffentrophäen bilden ein beliebtes Motiv in Verbindung mit Hermen, reichen
Gewinden, Draperien und dergleichen. Bisweilen geschieht des Guten zuviel, die An-
häufung von Waffen wirkt leicht störend und zerschlägt die einheitliche Wirkung
(Abb. 281). Eigenartig ist mitunter die willkürliche Einschaltung malerischer Partien —
Gott Hermes oder Aeolus in den Wolken — inmitten einer rein plastisch aufgebauten
Umrahmung, wie bei einer Decius-Musfolge der Manufaktur des Jan Raes (Abb. 317).

Geraert Peemans hält sich in der Zeichnung seiner Bordüren stark an die Fassungen
aus dem Atelier seines Schwiegervaters, ohne jedoch im geringsten seine persönliche
Note einzubüßen (Abb. 340).

Es führt zu weit, jede einzelne Manufaktur mit den für sie charakteristischen Bor-
düren anzuführen, schon der Vergleich des beigegebenen Abbildungsmaterials, das in
Rücksicht auf die Sonderart der Bildteppichfassungen ausgewählt ist, ermöglicht un-
schwer die gewünschte Klärung.

Die prächtige Fülle der barocken Hohlkehlenbordüre, mit ihrer Unzahl von Varianten
figürlicher und pflanzlicher Motive, beherrscht kaum länger als ein halbes Jahrhundert
die Brüsseler Bildwirkerei. Zu Ende des 17. Säkulums hat sich die von Ranken
und Arabeskenwerk durchsetzte Blumenfassung — zunächst gleichfalls in einer Hohl-
kehle gelagert — durchgerungen. Das Motiv mußte trotz seiner reizvollen Gliederung
zur Schematisierung führen und die endgültige Herrschaft des Rahmens vorbereiten.
Auch jetzt sind noch die Eigenarten der verschiedenen Ateliers unschwer zu erkennen.
Die außerordentlich fein durchgezeichneten Blumengehänge — Rosen, Tulpen, Wind-
röschen, Georginen, Azalien, Nelken, Astern, Chrysanthemen — wechseln mit Draperien,
auf denen sich Tauben schnäbeln, gekreuzten brennenden Fackeln und prächtig ver-
zierten Gefäßen; reichlicher Gebrauch wird von dem Quastenwerk gemacht; auch
Vertreter der Fauna fehlen nicht, Papageien wiegen sich auf dem Gerank, Modehündchen
springen über Hirtenflöten; mit besonderer Vorliebe werden Muscheln in den ver-
schiedensten Formen und Farben zur Darstellung gebracht. Aus allem spricht ein
lebhafter Naturalismus, die Freude an den Künsten des Gartens, die sich in den Mode-
blumen und nicht zuletzt in den virtuos wiedergegebenen Früchten und in der immer
wiederkehrenden Darstellung von Garten- und Hirtengerät spiegelt (Abb. 165—167,
288, 301, 324, 361). Die Kartuschen sind zu zarten Gebilden zusammengeschrumpft,
die unter der Fülle der Girlanden und allerlei zierlichem Beiwerk fast verschwinden.

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