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Brügge

Brügge.

Brügge bietet im 14. und in der größeren Hälfte des 15. Jahrhunderts ein Bild, das
in seinen Hauptzügen vielfach dem Antwerpens in seiner Blütezeit (1470—1600) ähnelt.
In beiden Städten liegt das Schwergewicht auf einem weitverzweigten Handel — dessen
kommerzielle Basis allerdings grundverschieden ist —•; hier wie dort finden wir ein
ausgeprägtes Luxusbedürfnis, dem eine kraftvolle Malerschule die Wege ebnet; sowohl
in Brügge als auch in Antwerpen sind die Grundbedingungen für die Entwickelung
einer lebensfähigen Wirkerzunft scheinbar gegeben.

Der wirtschaftliche Aufschwung, den Flandern nach dem Erlöschen des Schwarzen
Todes (1380), begünstigt durch die glückliche und friedliche Regierung Ludwigs von
Maele, nimmt, rückt Brügge an die erste Stelle der maßgebenden Handelszentren des
Nordens. Die Stadt wird zum offiziellen Sitze des «Deutschen Kaufmanns*; die weit-
verzweigten Beziehungen des mächtigen Seebundes wandeln Brügge zum internationalen
Stapelplatze. Geldverkehr und Tauschhandel nehmen einen ungeahnten Aufschwung. Die
maßgebenden italienischen Bankinstitute, Bernardo und Tommaso Portinari, Tommaso
Guidetti, als Vertreter des Hauses Medici, errichten Zweigstellen; mailändische, luccesische
und Pisaner Geld- und Handelsunternehmungen schießen aus dem Boden; die Großwirker
Tournais, Pasquier Grenier, Arnould Poissonnier und andere, errichten besondere Filialen.
1472 liefert Meister Pasquier dem Brügger Magistrate die Folge der Zerstörung Trojas,
die Karl dem Kühnen als Gabe der Stadt zugedacht ist. Von ähnlichen Ankäufen
berichten Pinchart, Guiffrey, Soil, Dehaisnes, der Graf de Laborde und Prost (1). Fast
in allen Fällen handelt es sich bei dem Erwerbe auswärtiger Wirkteppiche um ein
Zwischengeschäft; nur selten tritt der Erzeuger unmittelbar in Erscheinung. In erster
Linie beschäftigen sich italienische Firmen mit dem Vertriebe dieses ausgesprochenen
Luxusartikels. 1423 verkauft der Lucceser Großhändler Giovanni Arnolfini Herzog
Philipp dem Guten die Reihe der Geschichte der Madonna. Die sechs Behänge stellen
sich auf 345 Livres, der burgundische Herrscher verehrt die prächtige Folge Papst
Martin V. Eine ähnliche Gabe wandert 1441 an den päpstlichen Hof. Diesmal findet
ein Kaufmann Grigoire de Couchiz als Mittelsperson Erwähnung. Die Behänge strahlen
in Gold und Silber — der hohe Preis von 918 liv. 15 s. rechtfertigt diese Annahme —;
in allegorisch moralisierenden Darstellungen erscheinen Papst, Kaiser und Adel. Die
zahlreichen Käufe Philipps des Guten und der ihm befreundeten Fürsten einzeln an-
zuführen, geht zu weit; die Daten geben zwar ein Bild der überragenden Bedeutung
des Brügger Tapisseriehandels, sie tragen jedoch nur wenig zur Klärung der ansässigen
Wirkerkolonie bei. Jacques de Herl ist Händler und Wirker; 1377 betraut ihn die
Herzogin von Burgund mit der Verlängerung verschiedener Behänge. Huart Walois
(1380) ist mit dem bekannten Arraser Kaufmann identisch; Richard Hanis (Danis?
1440) und Michel Lottin (1457) scheinen lediglich Händler gewesen zu sein. Colart
de Paris „tapissier de haulte liehe, demeurant ä Bruges* vergrößert 1376 im Auftrage
des Herzogs von Burgund verschiedene Behänge (2). 1436 ist «Egidio tapisario"
aus Brügge für den König von Schottland beschäftigt. Noch wenig geklärt ist die
Tätigkeit des als «marcheteur* (Basselissier) bezeichneten Jehan Glisous, der 1481 die
nach dem Ableben des Tournaiser Wirkers Hacquinet Le Scellier unvollendet gebliebene
Nabucodonosorfolge fertigstellt; das gleiche gilt von Nicolas de Labye, der 1472 der
Stadt mehrere Teppiche leiht. Wirker im eigentlichen Sinne sind ferner Wilhelm
Moreel, Alard de Meestre und Jan Lancbaert, sie hefern nach altem Brauche (1472—79)
die gewirkten Kissenblätter (mit dem Stadtwappen) für den Saal der Schöffen. Meister
Lancbaert arbeitet 1481 eine Verdüre in Größe von 32 Quadratellen zur Ausschmückung
des gleichen Raumes. Schließlich verdienen noch Luc Julyen, der 1471 den Schöffen
von Oudenbourg einen Teppich mit dem Wappen Karls des Kühnen liefert, und

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