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Brügge

Jakob Apans, dem 1480 drei Wappen Wirkereien nach den Entwürfen des Jennyn
Fabiaen für den großen Gerichtssaal in Auftrag gegeben werden, der Erwähnung.

Philipp Sellier ist identisch mit dem Tournaiser Händler Philipp Le Sceliier. 1487
erwerben Maximilian und seine Gattin Maria, die Erbin von Burgund, von der Brügger
Filiale Seiliers verschiedene kostbare Wirkereien zum Gesamtpreise von 1014 Livres
12 Sous. Es handelt sich im ganzen um fünf Behänge, die jedoch keine einheitliche
Folge bilden. Zwei Teppiche sind „historiöe de l'empereur Maximinien"; sie umfassen
1527a flämische Quadratellen und stellen sich bei einem Einheitspreise von 48 Solz auf
366 Livres 12 Solz. Die dritte Wirkerei, ein Antependium, zeigt die Anbetung der heiligen
drei Könige. Die Kosten belaufen sich bei dem kleinen Behänge (35 Quadratellen)
auf nicht weniger als 210 Livres. Der vierte, nicht näher benannte, reich mit Gold
gearbeitete Teppich wird mit 168 Livres veranschlagt. Das letzte Stück schließlich
bringt eine Episode aus der Geschichte Absalons; die 33 Quadratellen kommen auf
270 Livres zu stehen. Die Wirkereien wandern als diplomatisches Geschenk nach
England, an den «grant chambellan dudit royaume, pour aucunes matieres secretes,
dont ne voulons icy autre ne plus ample d^claration estre faicte." Die ganze Art des
Kaufes macht den Eindruck, als ob Sellier gewisse Restbestände seines Lagers an den
Mann zu bringen sucht. Es ist im allgemeinen nicht üblich, daß ein Wirker vereinzelte
Teppiche selbständiger Folgen abgibt, ohne den Auftrag zur Fertigstellung der be-
treffenden Reihen gleichzeitig zu erhalten. Ziehen wir das Fazit aus den bislang be-
kannten urkundlichen Belegen der Brügger Wirkerei des 14. und 15. Jahrhunderts, so
verzeichnen wir als Schlußergebnis lediglich die Namen einiger kleiner Meister, die sich
mit der Herstellung gewirkter Wappenkissen und einfacher Yerdüren befassen. Hier-
mit fallen bis auf weiteres die Hypothesen verschiedener Kunsthistoriker, die Brügge
einige der reichsten Wirkteppiche aus dem Ende des 15. Säkulums zuschreiben, u. a.
die bekannte Krönung der Jungfrau (1485) im Louvre Museum. Es ist nach dem Stande
der Forschung kaum anzunehmen, daß eine genauere Durchsicht der einschlägigen
belgischen Archive, die durch die Folgen des Weltkrieges zur Zeit leider ausgeschlossen
ist, genügend neues Material zutage fördert, das Brügge über den Rang einer kleinen
Manufaktur hinauszuheben vermag.

Noch spärlicher fließen die Quellen, sobald die Patronenzeichner in Frage kommen.
Keiner der bekannten Miniatur- und Tafelmaler ist mit einem Brügger Wirkereiatelier
in Beziehung zu bringen. Der schon erwähnte Jennyn Fabiaen wird 1469 in Brügge
als Meister aufgenommen, er fertigt mehrfach Wappenteppichentwürfe, unter anderem
stammt von ihm der Karton „van eenen wilden man ende van eenen wilden wive"
für die «vierschare van den Vriien" zu Brügge. Gilles den Stichele steht 1429 in
Diensten des Pieter de Meestere, dem er die Ausführungszeichnungen für die Bank-
kissen des Schöffensaales liefert. Meister Pieter erscheint in dem Belege als «sarazinoos
werker^. Der Erlaß von 1460 spricht von „sarazinoos werkers meter maertse", er bezeich-
net also unzweideutig den Wirker als „basselissier", als Künstler am tiefschäftigen Stuhle.
Die Hautelissetechnik scheint demnach in Brügge nur wenig Raum gefunden zu haben.

Die Tatsache, daß Brügge mit seinen an und für sich günstigen Vorbedingungen bis
zum Beginne des 16. Jahrhunderts keine eigene größere Wirkereimanufaktur zu er-
zeugen vermag, findet einesteils in dem stark ausgeprägten Tauschhandel, andererseits
in der Arbeitsmethode der zeitweise übermächtigen Tuchmachergilde — ihr gehörten
wahrscheinlich auch die Wirker an —, die alle verfügbaren Kräfte in ihren Dienst
stellte, Schlüssel und Begründung.

Brügges Aufschwung und Niedergang erklärt sich aus jenem eigenartigen mittel-
alterlichen Wirtschaftsprinzip, das den ausländischen Kaufmann zwang, durch In-
anspruchnahme eines eingesessenen Vermittlers Käufe und Verkäufe abzuschließen;
der Brügger Kaufmann war kein Großhändler im heutigen Sinne, er arbeitete in der
Hauptsache als Makler. Der Grundsatz wird mit besonderer Zähigkeit von Brügge
verfochten, auch noch zu einer Zeit, als die Basis stark ins Wanken gerät, eine voll-
kommene Neueinstellung zur Lebensnotwendigkeit wird.

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