Valenciennes
Die zahlreichen im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts erscheinenden Namen von
Hautelissiers sind für unsere Kunst ohne Belang (5).
Als im Januar 1"40 Kaiser Karl V. in Valenciennes weilt, ist kein Wirkteppich in
der Stadt aufzutreiben.
Maria von Ungarn läßt durch den Statthalter des Hennegau, den Herzog von Aerschot,
Boten nach Enghien schicken, «esquelles l'on en poura trouver grand nombre", um
die nötigen Wandteppiche zum würdigen Empfange des erlauchten Bruders zu be-
schaffen. Die Tatsache spricht mit genügender Deutlichkeit.
Wenn es noch eines weiteren Beweises bedarf, mit welcher Vorsicht der terminus
technicus „hautelissier" zu gebrauchen ist, so gibt die Valencienner Verordnung von
1565 den denkbar klarsten Aufschluß. Es handelt sich um die Arbeitsvorschriften der
Zunft der „haultelisseurs, bourgeteurs et trippiers de velour" — von Tapissiers ist
keine Rede —-; die Wiedergabe der wesentlichsten Stellen im Anhange läßt über die
Technik keinen Zweifel (6).
Mit diesen Feststellungen fällt die Theorie, der prächtige Turnierteppich im Museum
zu Valenciennes sei das Erzeugnis einer einheimischen Manufaktur.
Die in den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts entstandene Wirkerei hat mit den
Ateliers von Valenciennes nicht das geringste zu tun. Die Hoheitszeichen der Bordüre
nehmen Bezug auf Kursachsen, sie stellen dar: das Wappen des Reichsmarschallamtes,
des Herzogtums Sachsen, Kursachsens, der Landgrafschaft Thüringen, des Mark-
grafentums Meißen, der Mark Landsberg, der Pfalz Sachsen und Thüringen, der Graf-
schaft Brena, der Grafschaft Orlamünde, der Herrschaft Pleißen, der Burggrafschaft
Altenburg, der Herrschaft Eisenberg, der Burggrafschaften Meißen und Leisnig, der
Herrschaften Biberstein und Colditz, der Burggrafschaft Dohna, der Herrschaft Eilen-
burg und des Herzogtums Sagan(7).
Es handelt sich zweifelsohne um eine Brüsseler Arbeit. Sie wird 1496 zum ersten
Male in dem Inventar Friedrichs III. von Sachsen erwähnt, noch 1566 erscheint der
„debich mit einem thornier, umbher mit der hern von Sachsen wappen." Die Wir-
kerei fällt bei der Grimmensteiner Teilung Herzog Johann Wilhelm zu (8). Auf welch
seltsamen Wegen der Bildteppich nach Valenciennes gelangte, dürfte sich kaum mehr
feststellen lassen.
1620 steht der Rat der Stadt mit den beiden Oudenaarder Meistern, Vinzenz van
Ouickelberghe und Anton Blommaert in geschäftlicher Verbindung. Der erstere liefert
eine Verdürenfolge „de chasse, paysage et aultres semblables effigies de bestes sau-
vages"; die Bordüre zeigt in den vier Ecken das Wappen von Valenciennes. Meister
Blommaert bringt die „Histoire de Moyse faisant sortir d'Egypte les enfants d'Israel"
zur Ablieferung; er bezieht als Vergütung den Betrag von 872 Livres. Es ist kaum
anzunehmen, daß derart umfangreiche Bestellungen nach außerhalb vergeben werden,
wenn leistungsfähige Wirkereibetriebe am Orte vorhanden sind.
1677 geht Valenciennes in französischen Besitz über. Das allgemeine Streben, die
Finanzkraft des Landes durch Gründung von Manufakturen zu heben und zu fördern,
schlägt auch in dem Hauptorte des Hennegaus Wurzel. Bereits 1678 setzen Be-
mühungen des Stadtkommandanten und des Magistrates ein, der Bildwirkerei neuen
Boden zu bereiten. 1679 beginnt der Hautelissier Philipp de May (du May, du Metz)
seine Tätigkeit. Die Benennung Hautelissier charakterisiert diesmal einen regelrechten
Wirker; aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich jedoch um keinen Hautelissier,
sondern um einen „Basseüssier." Die Tatsache erklärt sich aus dem Sprachgebrauche.
Man bezeichnete im 17. und 18. Jahrhunderte ganz allgemein Wirkteppiche als Haute-
lissen, ganz gleichgiltig, ob dieselben auf dem hochlitzigen oder tiefschäftigen Stuhle
gefertigt waren. Meister Philipp ist noch 1690 nachweisbar. Er arbeitet in der
Hauptsache Verdüren; die vornehmste Folge seiner Manufaktur schildert die „Geschichte
des heiligen Ägidius." Jakob Albert Gerin liefert die Entwürfe gegen eine Vergütung
von 441 1. 10 s; die Übertragung in natürliche Größe läßt Du May durch einen seiner
Angestellten bewirken. Die für den Schmuck der Valencienner St. Peterskapelle be-
517
Die zahlreichen im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts erscheinenden Namen von
Hautelissiers sind für unsere Kunst ohne Belang (5).
Als im Januar 1"40 Kaiser Karl V. in Valenciennes weilt, ist kein Wirkteppich in
der Stadt aufzutreiben.
Maria von Ungarn läßt durch den Statthalter des Hennegau, den Herzog von Aerschot,
Boten nach Enghien schicken, «esquelles l'on en poura trouver grand nombre", um
die nötigen Wandteppiche zum würdigen Empfange des erlauchten Bruders zu be-
schaffen. Die Tatsache spricht mit genügender Deutlichkeit.
Wenn es noch eines weiteren Beweises bedarf, mit welcher Vorsicht der terminus
technicus „hautelissier" zu gebrauchen ist, so gibt die Valencienner Verordnung von
1565 den denkbar klarsten Aufschluß. Es handelt sich um die Arbeitsvorschriften der
Zunft der „haultelisseurs, bourgeteurs et trippiers de velour" — von Tapissiers ist
keine Rede —-; die Wiedergabe der wesentlichsten Stellen im Anhange läßt über die
Technik keinen Zweifel (6).
Mit diesen Feststellungen fällt die Theorie, der prächtige Turnierteppich im Museum
zu Valenciennes sei das Erzeugnis einer einheimischen Manufaktur.
Die in den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts entstandene Wirkerei hat mit den
Ateliers von Valenciennes nicht das geringste zu tun. Die Hoheitszeichen der Bordüre
nehmen Bezug auf Kursachsen, sie stellen dar: das Wappen des Reichsmarschallamtes,
des Herzogtums Sachsen, Kursachsens, der Landgrafschaft Thüringen, des Mark-
grafentums Meißen, der Mark Landsberg, der Pfalz Sachsen und Thüringen, der Graf-
schaft Brena, der Grafschaft Orlamünde, der Herrschaft Pleißen, der Burggrafschaft
Altenburg, der Herrschaft Eisenberg, der Burggrafschaften Meißen und Leisnig, der
Herrschaften Biberstein und Colditz, der Burggrafschaft Dohna, der Herrschaft Eilen-
burg und des Herzogtums Sagan(7).
Es handelt sich zweifelsohne um eine Brüsseler Arbeit. Sie wird 1496 zum ersten
Male in dem Inventar Friedrichs III. von Sachsen erwähnt, noch 1566 erscheint der
„debich mit einem thornier, umbher mit der hern von Sachsen wappen." Die Wir-
kerei fällt bei der Grimmensteiner Teilung Herzog Johann Wilhelm zu (8). Auf welch
seltsamen Wegen der Bildteppich nach Valenciennes gelangte, dürfte sich kaum mehr
feststellen lassen.
1620 steht der Rat der Stadt mit den beiden Oudenaarder Meistern, Vinzenz van
Ouickelberghe und Anton Blommaert in geschäftlicher Verbindung. Der erstere liefert
eine Verdürenfolge „de chasse, paysage et aultres semblables effigies de bestes sau-
vages"; die Bordüre zeigt in den vier Ecken das Wappen von Valenciennes. Meister
Blommaert bringt die „Histoire de Moyse faisant sortir d'Egypte les enfants d'Israel"
zur Ablieferung; er bezieht als Vergütung den Betrag von 872 Livres. Es ist kaum
anzunehmen, daß derart umfangreiche Bestellungen nach außerhalb vergeben werden,
wenn leistungsfähige Wirkereibetriebe am Orte vorhanden sind.
1677 geht Valenciennes in französischen Besitz über. Das allgemeine Streben, die
Finanzkraft des Landes durch Gründung von Manufakturen zu heben und zu fördern,
schlägt auch in dem Hauptorte des Hennegaus Wurzel. Bereits 1678 setzen Be-
mühungen des Stadtkommandanten und des Magistrates ein, der Bildwirkerei neuen
Boden zu bereiten. 1679 beginnt der Hautelissier Philipp de May (du May, du Metz)
seine Tätigkeit. Die Benennung Hautelissier charakterisiert diesmal einen regelrechten
Wirker; aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich jedoch um keinen Hautelissier,
sondern um einen „Basseüssier." Die Tatsache erklärt sich aus dem Sprachgebrauche.
Man bezeichnete im 17. und 18. Jahrhunderte ganz allgemein Wirkteppiche als Haute-
lissen, ganz gleichgiltig, ob dieselben auf dem hochlitzigen oder tiefschäftigen Stuhle
gefertigt waren. Meister Philipp ist noch 1690 nachweisbar. Er arbeitet in der
Hauptsache Verdüren; die vornehmste Folge seiner Manufaktur schildert die „Geschichte
des heiligen Ägidius." Jakob Albert Gerin liefert die Entwürfe gegen eine Vergütung
von 441 1. 10 s; die Übertragung in natürliche Größe läßt Du May durch einen seiner
Angestellten bewirken. Die für den Schmuck der Valencienner St. Peterskapelle be-
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