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E n g h i e n

aus der Manufaktur Enghien stammen, ist zweifelhaft, jedenfalls waren die gestohlenen
Arbeiten durchweg guter Qualität, es handelte sich um «fyne soe bruesselsche als
engiensche tapitzerie". An der Plünderung sind verschiedene Antwerpener Wirker
mittelbar als Helfershelfer beteiligt. Der ganze Raub wird in die Wohnungen
des Francisco de Ontoneda, des Diego Alonzo de San Yitores und des Martin
de Chavaria geschafft, Peter und Daniel Steurbaut, Peter Zeghers, Lukas de Keyser,
Gheerde van der Linden und Wilhelm Jacobs sind in den darauffolgenden Tagen
mit der Sichtung und Verpackung des gestohlenen Gutes gegen entsprechende Ver-
gütung — Daniel Steurbaut erhält einen Enghiener Türbehang von 24 Quadratellen —
beschäftigt. Unter den im Juli 1577 durch den Händler Diego Fernando de Miranda
verschobenen Wirkereien finden sich auch sieben Stück, „ouvraige d'engien nomme
vulgairement rotesque (Grotesken) contenant diverses figures et ymaiges d'hommes,
bestes, satyres et semblables choses".

Der empfindliche Verlust, den mehrere der hervorragendsten Manufakturen Enghiens
durch den gutorganisierten Raubzug erleiden, scheint die weitere Beschickung der Pant
wesentlich beeinträchtigt zu haben.

1582 wird Philipp van der Cammen wiederum erwähnt, diesmal in seiner Eigen-
schaft als Tuchhändler. Wahrscheinlich war er, ähnlich wie Hellinck, mehr Kaufmann
als Wirker. Donnet bringt ferner einige Namen, die für den Betrieb der maßgebenden
Manufakturen Enghiens aber kaum in Betracht kommen. Es handelt sich um Gesellen,
die nach Antwerpen übergesiedelt sind. Wieder andere Wirker Enghiens suchen
ihren Lebensunterhalt in fremden Diensten, wie Jean de la Courstuerie, der 1580 für
den Statthalter des Hennegaus, den Grafen Philipp von Lalaing, zeitweilig auch für
den Statthalter Peter Ernst Graf von Mansfeld tätig ist. Zu Ende des 16. Jahrhunderts
scheint die Wirkereiindustrie in Enghien bis auf einige Kleinbetriebe erloschen zu sein.
Die bekannte Folge der Feste Heinrichs III. und Katharinas von Medici, hat mit Enghien,
wie bisweilen behauptet wurde, nichts zu tun (11). Die Wirkereien, gegenwärtig in
der Galerie der Arazzi in Florenz, sind um 1580 in Brüssel entstanden. Einer der letzten
Wirker von Bedeutung, Hans van der Biest verläßt mit seinen Gesellen, Joseph van
der Altenkirchen, Hans van der Bosch, Jakob de Visch, Jan van den Oaele, Pasquier
und Andreas de Necke, 1604 die Stadt, um in die Dienste Herzog Maximilians I. von
Bayern überzutreten.

Das Urteil des Chronisten Vinchant (f 1635) ist für den Zustand der Enghiener Manu-
faktur im ersten Drittel des 17. Säkulums nicht ohne Interesse; er erwähnt lobend die
Wirkereibetriebe der Stadt, setzt jedoch vorsichtig hinzu, daß Enghien früher einen
wesentlich größeren Ruhm — umais paravant davantaige recommandable" — in dieser
Kunst gehabt habe.

Um 1605 tritt Jan Mostinck als Hoftapissier in den Dienst des englischen Königs.
Georg Leemans siedelt 1638 nach Brüssel über, ihm folgen Jan Bauwens (16-43) und
Philipp Ost (1644) (12).

Ähnlich wie in anderen flämischen Tapisseriezentren wird auch in Enghien die
Wirkerei nicht allein in der Stadt sondern auch in der nächsten Umgebung gepflegt.
Die Beaufsichtigung durch die Innung muß eine ziemlich ausgiebige und genaue ge-
wesen sein; starke Qualitätsunterschiede wie z. B. in Oudenaarde finden sich in Enghien
nicht. Ein sicheres Urteil läßt sich jedoch erst abgeben, sobald die Einreihung der
Unsumme einfacher Verdüren, die in der Regel der niedrigen Herstellungskosten halber
keine Signatur tragen, wenigstens in den gröbsten Zügen durchgeführt sein wird.
In Frage kommen die Orte HeYimes, Marcq, Saint-Pierre-Capelle, Petit-Enghien und
andere bis nach Lembecq und Hai.

Im Laufe des 17. Jahrhunderts werden verschiedentlich Wirker von Enghien er-
wähnt, denen aber kaum eine sonderliche Bedeutung zuzusprechen ist, 1627 trägt
Peter van der Waerde einen Prozeß mit dem Antwerpener Händler Jakob de Moor
aus. Johann Pzegre (Seghers) steht vor 1660 in Diensten des Oberintendanten Fouquet,
er arbeitet auf dem Schlosse Vaux-le-Vicomte. 1671 siedelt Johann Oedins mit acht

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