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Vorwort.

d

as kunsthistorische Interesse für das Mittelalter der deutschen Ostsee-
länder hat sich bisher grösstentheils den Backsteinbauten zugewandt
(und daneben die Erzeugnisse der Plastik und der Malerei in den
Hintergrund treten lassen. Wo dieselben in Betracht gezogen sind,
ist es entweder nur durch Einzelbeschreibungen geschehen, oder sie
sind ohne historische Bestimmung zusammengestellt. Man ist viel-
fach von vorneherein von der Ansicht ausgegangen, dass fast Alles,
was der Beachtung werth erscheint, von auswärts importirt ist und be-
zeichnete in der Malerei die älteren Schöpfungen als kölnisch, die etwas
jüngeren als niederländisch. Eine nähere Untersuchung aber lehrt,
dass die eigene Kunstthätigkeit des Landes eine durchaus eifrige und
fruchtreiche gewesen ist, dass wir es allerdings mit einem jungen
Culturlande zu thun haben, welches sich die Grundlagen seiner
künstlerischen Ausbildung aus den Stammlanden mitbrachte, welches
aber gerade wegen seiner jugendlichen Frische und seines eifrigen
Weiterstrebens von dieser Mitgift einen ausgiebigen selbstständigen
Gebrauch machte.

Natürlich fand die Thätigkeit in den grösseren Städten ihren
Mittelpunkt, und als bedeutendste derselben, besonders im Mittelalter,
tritt uns Lübeck entgegen. Dieser Ort eignet sich daher wohl am
besten, den Anfang einer eingehenderen Betrachtung zu bilden.
Hierfür ist auch zugleich der Umstand günstig, dass eine verhältniss-
mässig sehr grosse Zahl von Werken, wenn auch zum Theil in sehr
mangelhaftem Zustande, bis in unsere Tage erhalten ist.

Die Gesichtspunkte, welche sich bei der Behandlung der Lü-
becker Kunst als die hauptsächlichsten herausstellen, werden im
grossen Ganzen auch für die weiteren baltischen Küstenländer bis

zu den russischen Ostseeprovinzen massgebend sein, da die äusseren
Verhältnisse dieselben bleiben. Ferner aber ist Lübeck auch in
directer Beziehung von bedeutsamen Einfiuss auf diese Länder ge-
wesen, da von ihm aus eine grosse Reihe von Kunstwerken über
dieselben verbreitet wurden.

Plastik und Malerei Hessen sich nicht getrennt von einander
behandeln, da sie sich so oft zu gemeinsamen Werken verbinden,
und häufig die historische Bestimmung auf dem einem Gebiete zur
Datirung auf dem andern verwandt werden muss.

Die Wandmalereien, welche, wie man aus Resten an den ver-
schiedensten Stellen sowie aus manchen urkundlichen Angaben er-
sehen kann, keine geringe Rolle in den Kirchen spielten, sind
einstweilen unbeachtet gelassen, da die an Umfang kleinen Stücke,
welche hinter der Tünche hervorgeholt sind, schlecht erhalten, die
grossen schlecht restaurirt sind, und es noch weiterer Aufdeckungen
und eingehenderer Studien bedarf, um ein Urtheil fällen zu können.
Ebenso sind auf dem Gebiete der Plastik die kunstreichen Form-
ziegel nicht mit berücksichtigt worden, da dieselben sich enger an
die Architectur anschliessen.

Auf Vollständigkeit kann die Arbeit keinen Anspruch machen,
da auf archivalischem Gebiete ausser den Angaben, welche ich
Andern verdanke und ausser dem Materiale, welches ich selbst durch-
gesehen, noch ein beträchtlicher Theil zur Durchforschung übrig
bleibt, und da ferner auch ein ausgedehnterer Vergleich mit andern
Werken, besonders in den Ostseeländern selbst, den Resultaten viel-
fach eine bestimmtere Fassung ermöglichen wird.
 
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