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Lübecker Malerei im Anfange des 16. Jahrhunderts.

benso wie in der Plastik ist auch in der Malerei dieser Zeit die
Aufnahme auswärtiger Motive das Massgebende, wobei hier allerdings
der niederländische Einfluss der bei Weitem vorwiegende ist. Am
besten wird es sein, die Bilder in Parallele mit den Gruppen zu be-
trachten, die wir in der Sculptur unterschieden haben.

Also zuerst die Flügelbilder derjenigen Altäre, welche auf
plastischem Gebiete die schwachen Ausläufer der alten Richtung
bildeten und durch neue Einflüsse noch nicht zum Aufschwünge ge-
langt waren. Während wir dort im Schnitzwerke bei mehreren
Schreinen eine ziemlich starke Gleichartigkeit beobachteten, weichen
die entsprechenden Bilder stark von einander ab. Nur das haben
sie gemein, dass sie in der Ausführung, besonders der Hände und
Gesichter, sehr mittelmässig sind. Am besten ist in dieser Beziehung
noch der Braueraltar St. Thomae (Taf. 38),]) welcher deutlich den
Zusammenhang mit der älteren Bildergruppe des Lucasaltarcs von
1484 — 1501 aufweist und besonders in den Engeln noch die ge-
nauen Abbilder jener früheren bringt; auch zeigt er die hellen
Farben jener Malweise.

Der Altar der Maria Magdalena (Taf. 38) von 151!) weicht
dagegen schon vollkommen von der alten Weise ab. Zwar kenn-
zeichnet die äusserst gelungene Wiedergabe der Schiffe mit den
Segeln und der fein ausgeführten Takelage den Maler als Bewohner
einer Seestadt, in diesem Falle den Lübecker, dagegen sieht man
in den Landschaften mit grosser phantastischer Scenerie, in der
Säule mit Renaissanceformen auf dem Bilde der Bekehrung des
Königspaares links oben, in dem Kopfputz der Maria Magdalena
und der Tracht der übrigen Frauen einen Complex von Entlehnungen
aus fremden niederländischen oder oberdeutschen Einzelheiten.

Reichlicher sind die gemalten Renaissanceformen bereits an
Säulen und GeräthSchäften auf dem Laurentiusaltar von 1522, welcher
jedoch stark übermalt ist.

Gegenüber diesen schwächeren Werken , bei denen das Um-
hertasten und die Unselbstständigkeit es nicht zu befriedigenden Re-
sultaten kommen lässt, steht die zweite Gruppe besserer Werke,
deren Ausbildung auf der plastischen Seite wir zum grössten Theile
oberdeutschem Einflüsse zuschrieben. Auch in der Malerei zeichnen
sie sich bedeutend von den ebengenannten aus, besonders durch
eine viel richtigere Zeichnung der Einzelheiten und durch kräftigere,
sattere Farben.

l) Catharinenchor No. 10.

Die Bilder des Antoniusaltares (Taf. 39) von 1522 sind laut er-
haltenem Ausgabenverzeichnisse der Brüderschaft ') von Meister Hans
van Collen3) gemalt, welcher dafür 150 / bezahlt erhielt. Keineswegs
stammt derselbe seines Namens wegen aus Cöln, denn Familien
van Collen existirten schon seit alter Zeit in Lübeck, und wie Hans
jetzt den Altar zusammen fertigt mit dem Schnitzer Benedict Dreycr,
so scheinen diese beiden Familien auch schon früher in Zusammen-
hang gestanden zu haben, denn im Jahre 1490 vererbt Geselle Dreycr
das Haus Pferdemarkt No. 942, eines der Häuser, in welchen be-
ständig Maler wohnten, einem Hans van Collen, welcher bereits
1493 stirbt, vielleicht dem Vater unseres Hans van Collen ;1).
Seine Bilder gehören zu den besten Lübecker Malereien dieser Zeit,
die Landschaft, besonders der Baumschlag ist ausserordentlich fein
ausgeführt, die Behandlung der Haare sehr sorgsam, die Zeichnung
der Hände nach der Natur. Aber dabei bediente er sich der
Hülfsmittel, die ihm von auswärts geboten wurden. Die Scene der
Versuchung des Antonius durch das AY'eib (Taf. 39) zeigt in den beiden
Hauptfiguren deutlich die Benutzung des entsprechenden Stiches von
Lucas von Lcyrfcn von 1509 '), mit welchem Meister auch sonst
die Bildung der Köpfe und Hände sowie der Faltenwurf Aehnlieh-
keiten aufweist.

Auch die Einführung der Glaskugel, die als Weltball bei
Christus verwandt ist und mit besonderer Vorliebe von jetzt an bei
allen Bildern dieser Gruppe wiederkehrt, muss wohl von den Malern
der Niederlande oder des Niederrheines hergeleitet werden, wo sie
am häufigsten und frühesten auftritt.

Vergleicht man nun die übrigen Malereien, welche zu den
entsprechenden Schnitzwerken gehören, mit diesen Bildern, so ist
allerdings ein Zusammenhang sichtbar. Es gehören hierher die
durch Absägen verkleinerte Tafel No. 28 auf dem Catharinenchore mit
St. Jacobus und St. Christopherus (Taf. 40), welche früher die Rückseite
zur erwähnten Krönung der Maria (Taf. 34)5) bildete und die 13 Halb-
bilder der Madonna, der Anna Selbdritt und der 11 Apostel an der

x) Vergl. W. Brehme!', i. Jahresber. d. Ver. v. Kunstfreunden in Lübeck.
1881/82.

') Vergl. K.-Verz.
:)) Vergl. K.-Verz.

') Bartsch No. in. Mvrard No. 123. (Abb. b. Woermann: Gesch.
der Malerei. II. S. 533.)

ö) Catharinenchor No. 10.

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