Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Lübecker Plastik bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts.

ie Betrachtung der Plastik wird dadurch erschwert, dass wir es mit
verschiedenem Material zu thun haben. In Lübeck finden wir vier
Arten: Metall, Holz, Stein und Stuck.1) Da die verschiedene
Technik auch verschiedene Formen bei parallelen Entwickelungs-
stufen hervorbringt, so kann man nicht immer ohne Weiteres aus
der einfachen Vergleichung Schlüsse ziehen, sondern muss das Vcr-
hältniss der Stoffe zu einander in Rechnung bringen.

Am meisten den gleichmässigen runden Formen wird sich wohl
der Stein zuneigen und daher wohl auch am conservativsten sein.
Der Stuck, der nach dem Erhärten dem Steine gleicht, zeigt viel
grössere Gegensätze und bietet neben durchaus scharfen Einzelheiten,
besonders an den Kanten, wieder viel weichere Formen, was aus
der mehrfachen Behandlungsweise des Schneidens, Knetens und
Aleisseins der weichen oder schon geharteten Masse hervorgeht.
Das Holz, welches seiner Natur nach eher den eckigen Linien sich
fügt, ist den verschiedenen Stilwandlungen am meisten zugänglich,
da es sich bei geübter Technik ebenso wohl zu runden Formen
bearbeiten lässt. Das Metall endlich richtet sich hauptsächlich nach
dem Materiale des Modelles, und da kommt für diese Zeit in erster
Linie das Holz in Betracht. Wenigstens finden wir im 15. und
IG. Jahrhundert vielfach erwähnt, dass die Modelle für den Metall
guss von Holzschnitzern oder Tischlern verfertigt wurden. So kosten
im Jahre 1470 die Holzmodelle für das grosse metallene Sacraments-
häuschen in der Marienkirche in Lübeck /1Ö1.10;2) so arbeitete
der bekannte Jan Sormatl, dessen Werk der Güstrower Altar ist,
und dem auch Werke in Lübeck von Einigen zugeschrieben werden,
1500 die Holzstatuen, nach denen in Brüssel Metallfiguren gegossen
werden sollten,3) und endlich einer der besten Bildschnitzer Lübecks
aus dem Anfang des IG. Jahrhunderts Benedictas Dreycr ') wird
noch 1540 für das Modell zu messingnen Armleuchtern bezahlt.")

Es ist dies deshalb wichtig, weil wir dadurch die Berechtigung

*) Die ThonplastUc ist einstweilen nicht in Betracht gezogen.
*) Jimmerfhal's Chronik S. 92: >Ao. 1476. Item to snydcnde dat
Bildertoerk, dar na all dink gaten worden, kostet # Jßl.lO. — Vergl. auch
Ztschr. f. Lüb. Gesch. IV. S. 91.

s) Vergl. Pinchart, Archives des Arts, Sciences et Lettres. Documcnts
inkl. Bd. I. S. 247. Anm.: »Jean Borreman qui fit en 1509 ks modeles
en bois de plusieurs stahics destinees a etre coulees en mime pour l'ornemen-
tation de la coiir de Bailles du palais de Bruxelles*.
4) Vergl. K. Verz.

B) Vergl. Wochenbuch der Marienkirche III. S. 259 Ao. 1540: »benedictus
dreycr cor dat munster tho den messynghesz armen to snydcnde etc. . .
1U 3ß*

erhalten, von den Arbeiten an metallenen Taufbecken, Sacramcnts-
häuschen und dergleichen, die zum grössten Theile datirt sind, auf
die meist undatirten Holzsculpturen Schlüsse zu ziehen. Dass Metall
und Holz sich sogar zu Kunstwerken vereinigten, zeigt die allerdings
nicht mehr erhaltene, aber in älteren Beschreibungen aufgeführte
metallene Grabplatte des Rathsherrn Arnold Wlome (f 1320)l) in
der Marienkirche, an welcher die erhabenen Theile wie Gesicht und
Hände aus bemaltem Holze verfertigt waren, und manche Metall-
werke erhielten durch eine bunte Bemalung, wie der grosse Hänge-
leuchter im Dom, welcher in seinen Formen ganz geschnittenen
Holzplatten gleicht,2) noch täuschender das Ansehen dieses Materiales.

Betrachten wir nun die Erzeugnisse Lübecker Elastik, welche
bis -in unsere Zeit erhalten sind! Wie in der Malerei treten uns
auch hier die ersten namhaften Werke im 14. Jahrhundert entgegen,
allerdings schon in der ersten Hälfte desselben. Doch kaum Steih-
werke sind zu verzeichnen in diesem Jahrhundert, Metall, Stuck und
Holz sind das Hauptmaterial. Es ist dies ja auch sehr erklärlich,
da in der Gegend selbst brauchbarer Stein für die Sculptur voll-
kommen fehlte, und erst bei verbessertem Verkehre und erleichtertem
Transporte aus dem Westen her der im 15. Jahrhundert viel ver-
wandte Baumberger Stein auf der grossen Handelsstrasse von West-
falen nach dem Osten geschafft wurde. Nur ganz vereinzelt finden
sich vor dem 15. Jahrhundert plastische Werke in Stein wie das
Bogenfcld Init dem thronenden Christus über dem Portale der nörd-
lichen Vorhalle am Dome und einige andere ornamentale Figuren
ebendaselbst, welche noch aus dem Ende des 13. Jahrhunderts
stammen, son$t nur wenige architektonische Zierstücke aus grobem
Kalksteine wie unbedeutende Figuren in Nischen der Aussenmauern
der .Marienkirche, zum Beispiel der Engel Nr. 1208 auf dem
Catharinenchore, aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts, ferner
Kapitale und Schlusssteine. Wie viele aber von den letzteren in
der alten Burg und in der Gatharinenkirche, mit figürlichen Dar-
stellungen, von Stuck oder von Stein sind, habe ich bisher nicht
untersuchen können.

Aber auch die grösseren Metallwerke des 14. Jahrhunderts dürfen
wir nicht für die Lübecker Kunst in Anspruch nehmen, denn die schönen
Messing-Grabplatten mit reicher Eingravirung wie die der Bischöfe

') Schnöbet a. a. O. S. 104. — Wilhelm Brehmer, Lübecks messingene
Grabplatten aus d. 14. Jahrh. S. 22.

2) Lichtdruck von Joll. Nöhring in Lübeck Nr. 25 und bei Hach, Dom
zu Lübeck.

-KS 7

--
 
Annotationen