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von Malereien auf der Verkehrslinie von dort nach der Ostseeküste
hin. Es bestätigt uns dies also die parallele Entwickelung mit dem
nordwestlichen Deutschland, wozu ja auch die Gleichheit des Volks-
stammes, der Sitten, der. Kleidung, der Handelsbestrebungen, die
stets von Neuem nachdringenden Auswanderer des Westens, die Be-
setzung vieler geistlicher Aeniter von Westfalen aus, eine genügende
Grundlage bildeten.

Zu bestreiten dagegen ist die Ansicht, dass die grössere Anzahl
der Werke direct aus Westfalen bezogen wurde, dafür war, wie aus
den früheren Angaben hervorgeht, die Kunstthätigkeit in Lübeck
selbst schon zu sehr verbreitet. Auch in dieser Zeit fehlt es nicht
an zahlreich überlieferten Namen von Malern und Bildschnitzern.1)

AVegen dieser gleichartigen Entwickelung nun dürfen wir wohl
bei einigen zeitlich nicht näher bestimmten Bildern den Vergleich
mit westfälischen zur Datirung herbeiziehen. Da ist besonders ein
einfacher kleiner, ganz gemalter Flügelaltar im Lübecker Dom
(Taf. 2),2) welcher so sehr den Werken aus der Zeit des Meisters
Conrad3) ähnelt, dass wir ihn wohl mit Recht ebenfalls in den
ersten Anfang des 15. Jahrhunderts setzen können, und wenn wir
ihn mit den bereits besprochenen Lübecker Werken vergleichen, so
steht er auch den Bildern von 1415—1435 näher als dem Grabower
Altar von 1379.

Ferner müssen auf Grundlage der soweit bestimmten Malereien
noch ganz in den Anfang dieses Jahrhunderts gerechnet werden:
Die 22 legendarischen Darstellungen an der Brüstung des Sänger-
chores im Heiligen-Geist-Hospitale und die den letzteren sehr nahe
stehenden Glasfenster aus der alten Dominicanerkirche zur Burg, die

') Vergl. K. Verz.

2) Derselbe enthält eine Darstellung der canonischen Tageszeiten, der in
der Mitte knieende Stifter scheint ein Domprobst zu sein — siehe Miinzenberger
I .frg. V. S. 102.

*) Vergl. d. grosse Altargemälde mit der Kreuzigung im Museum in Münster
und die Tafelbilder in Freckenhorst (Abb. i. Kunst- u. Gesch. Dkm. d. Prov.
YVestf. II. S. 124.) — Ueber Meister Conrad siehe Nordhoff in d. Bonner Jahrb.
Heft 07. 1879.

seit dem Anfange dieses Jahrhunderts im Chore der Marienkirche
angebracht sind. Die Zeichnung der letzteren entspricht ganz dem
Stile der übrigen Werke. Die Tradition, dass die Ausführung dem
Ircmccsco Domenici Livi de Ghambasso, einem Italiener, welcher
in Lübeck seine Kunst gelernt hatte und 1436 nach Florenz berufen
wurde, zuzuschreiben ist, wird durch keine authentische Nachricht
bestätigt, jedenfalls aber bekräftigen die Fenster die aus jenen Flo-
rentiner Documenten hervorgehende Kunde, dass in Lübeck zu dieser
Zeit bereits eine sehr ausgebildete Fertigkeit in der Glasmalerei
bestand. J)

Es folgt nun eine grosse Lücke in den uns überlieferten Werken,
kein einziges Bild wird durch äussere Gründe in die Mitteljahre des
Jahrhunderts gesetzt, und auch, wenn wir die übrigen Lübecker
Werke stilistisch in ihre Plätze eingeordnet haben, wird kaum etwas
Nennenswerthes für diesen Zeitraum übrig bleiben. Was mag der
Grund hierfür sein? Ist es Zufall, dass uns nichts erhalten ist, oder
ist nichts geschaffen? Gegen das Letztere spricht, dass wir in dem
Künstlerverzeichnisse in der Mitte des Jahrhunderts ebenso reichlich
Namen finden, wie im Anfange und am Ende, dass uns auch gerade
aus dieser Zeit urkundlich verschiedene Aufträge für Lübecker Altar-
tafeln überliefert sind. 2)

Ob die Stadt damals Meister hervorbrachte von der Tüchtig-
keit des gleichzeitigen Liesborner in Westfalen, können wir nicht
wissen. Vielleicht hilft uns die Plastik über diese Kluft hinaus.

') Vergl. Gaye, carteggio II. S. 441 ff. — Neue Lübeckische Blätter
1837 S. 395 u. 1840 S. 365. — Brehmer i. Mitth. d. Ver. f. Lüb. Gesch. etc.
1884 S. 109 ff. — Abb. bei Milde <C Dc.ecke: Dkm. bildender Kunst in Lübeck,
lieft II. Taf. 1—4. — Im Jahre 1399 bauten die Dominicaner zur Burg einen
prächtigen neuen Chor (Detmar's Chronik ed. Grautoff I S. 498), und in der
Chron. Oomeciae de Schorenborg des Frater Hermannus de Lerbeke (H.
Meibom Her. Germ. Tom. I 514), welche bis zum Jahre 1404 geht, werden
bereits »picturae fenestrarum apud Fratres predicatores in Lubeke erwähnt.
Vielleicht sind daher diese Fenster schon durch einen Vorgänger des Francesco
Domenici entstanden, wie es ja auch in den italienischen Documenten heisst,
dass dieser seine Kunst in Lübeck gelernt habe.

2) Vergl. K. Verz. unter Hans Backmester, Hans Scriver, Hinrik Junge.
 
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