Lübeck speciell in Anspruch nehmen können, da dieser Meister ')
ebenfalls nicht seinen ständigen Wohnsitz dort hatte, sondern seine
Hauptwerke während des Aufenthaltes in Hamburg vollendete, wo
er auch im Alter blieb, so sind doch vielleicht die Holzmodelle
dazu von einem Lübecker gefertigt. Dafür spricht wenigstens, dass
sich ebenfalls im Dome, für welchen die Taufe gemacht wurde, ein
kleiner Schnitzaltar (Taf. 8) erhalten hat2), an dessen Baldachinen sich
dieselbe absonderliche Form der Kreuzblätter befindet mit den
knollenartig verdickten Blattenden, die bei andern Werken nicht
wiederkehrt, am Bogen des mittelsten Baidachines auch dieselben
kleinen Eckblättchen wie bei den Bogen der Taufe, endlich auch
manche Aehnlichkeiten in der Behandlung der Haare und der Ge-
wänder. Auch kann man sich leicht vorstellen, dass aus einer
Werkstatt, aus welcher Schnitzereien für den Dom hervorgingen,
ebenfalls die Modelle zu- der dortigen Taufe geliefert wurden.
Jedenfalls liegt es nahe, die Schnitzerei in dieselbe. Zeit zu
setzen wie die Taufe, also um die Mitte des Jahrhunderts. Hierfür
spricht ferner, dass jene zu den späteren Werken nicht gehören
wird wegen des schlichten Goldgrundes, des süsslichen Gesichts-
ausdruckes, des weichen Faltenwurfes, vor den älteren sich aber
auszeichnet durch die grössere Wahrheit der Gewandung wie auch
dadurch, dass hier bereits wie an der Taufe der wirkliche, etwas
Hache Eselsrücken in den Baldachinen angewandt ist, der sich bei
keinem der älteren Werke findet.
Nachdem auf diese Weise ein kleiner Anhaltspunkt für Figuren
der Mitte des Jahrhunderts gewonnen ist, können wir auch andere
Werke heranziehen, die wir ebenfalls werler den älteren noch jüngeren
beigesellen können, die jedoch diesem entsprechen. So der kleine
Schnitzaltar der Stecknitzfahrer im Dom mit der Madonna und zwei
weiblichen Heiligen, ferner zwei Madonnen auf dem Halbmonde,
mit dem Christkind im Arme in der Sammlung auf dem Catharinen-
chore No. 2336 a und b, welche sowohl im Gesichtstypus wie in
der Gewandung den beiden Altären sehr nahe stehen, unter sich
aber so gleich sind, dass sie ohne Zweifel beide derselben Hand
angehören.
Viel wichtiger aber als diese sind die im Nationalmuseum in
München aufbewahrten Figuren Christi, der Maria und der zwölf
Apostel 3) (Taf. 9), welche von Lübeck dorthin gebracht wurden
und ursprünglich aus der Nähe dieser Stadt, nämlich aus Mölln,
jedenfalls aus einem Altarschreine, stammen. Leider haben dieselben
dadurch, dass man sie in München ihres Kreide- und Farbe-Ueber-
zuges entkleidete, auch zugleich die feinere Modellirung des Ge-
sichtes und der Hände, die in den Kreidegrund hineingearbeitet
war, verloren. Obgleich aber die Köpfe dadurch den grössten Thei)
ihres Ausdruckes eingebüsst haben und die Augen geschlossen er-
scheinen, sieht man doch das Bemühen, sie mannigfaltig und zugleich
naturwahr zu bilden, was dem Meister auch theilweise sehr gut
gelungen ist. Auch sie gehören dem Vergleiche nach in diese Zeit '),
und wenn wir das Gemeinsame der oben genannten Werke den
früheren Einzelstatuen gegenüber zusammenfassen, so besteht dies
erstens in einer Abschwächung der gezierten Haltung, die zuweilen
') VergL Mitthoff: Künstler u. Werkmeister S. 117 unter Grave.- -
Mitth. a. Ver. f. H.imbg. Gesch. II. S. 35 ff.
■) Auf d. Altar am östlichen Nordpfeiler vor Beginn des Chores. Die
Mitte enthält einen Kitter, die Madonna und St. Catharina; die 12 Heiligenfiguren
der Flügel sind verloren gegangen.
") Vergl. Bode: Gesch. d. deutschen Plastik. S. lOli.
4) Vgl. den Petrus in München mit dem auf der Taufe im Dom, die drei-
eckigen Falten mit Einkerbung oberhalb des Gürtels hei den Aposteln Thaddäus
und Simon mit Keule und Säge mit dem Andreas auf der Taufe und dem Kitter
in dem Altar der Stecknitzfahrer.
schon ganz aufgegeben wird, zweitens in einer viel ungezwungeneren
Abwechselung von horizontalem und vertiealem Faltenwurf und,
drittens, wenigstens bei den besseren Werken, wie der Taufe und
den Aposteln, in einer naturwahreren Ausarbeitung der Köpfe; alles
drei Momente, welche das Abwenden von den conventioneilen Typen
und die Zuneigung zur Naturbeobachtuug offenbaren.
Doch wie verhält sich während dieser Zeit die Steinplastik?
Nachdem wir im 14. Jahrhundert kaum nennenswerthe Sculpturen
in diesem Materiale finden konnten, tritt uns seit 1400 plötzlich
eine ganze Zahl derselben entgegen und zwar sogleich in einer
Vollkommenheit, die uns in Verwunderung setzt. Das Material ist
fast durchweg ein feiner schwach gelblicher Sandstein und zwar
Baumberger Stein aus der Nähe von Münster, welcher in Westfalen
im 1;"). und 16. Jahrhundert ausserordentlich viel angewandt wurde.1)
Wir stehen daher vor der schwer zu lösenden Frage, ob die Sculp-
turen fertig nach Lübeck geschafft wurden, oder ob man sich die
Steinblöcke aus Westfalen verschaffte und sie in Lübeck bearbeitete.
Der letztere Fall wäre trotz des verhältnissmässig kostspieligen Land-
transportes niclit unmöglich, da es sich nicht um grosse Massen für
architectonische Zwecke, sondern nur um einzelne Stücke handelte.
Vielleicht werden weitere archivarische Forschungen hierüber Auf-
klärung bringen.
Am wahrscheinlichsten scheint mir, dass ebenso wie die Grund-
lagen zur Ausbildung der Malerei mit dem Strome der Bevölkerung
aus dem nordwestlichen Deutschland hergetragen wurden, auch die
feinere Steinsculptur von dort ihren Einzug hielt, und dass Einführung
des ATateriales und Einwanderung von Steinmetzen Hand in Hand
gingen. Hätten solche Meister nicht ihren Wohnsitz in Lübeck
gehabt, sondern in Westfalen, so wäre es z. B. merkwürdig, dass
von der gleich zu besprechenden Gruppe von Steinreliefs, die sich
in der Lübecker Gegend verbreitet hat, sich nicht ein einziges ähn-
liches in Westfalen nachweisen Hess. Und dass wir von Anfang an
eine entwickelte Technik gewahren, spricht andererseits dafür, dass
man die Verfertiger dieser Werke aus einer Gegend holte, wo die
Steinsculptur sich einer älteren Pflege erfreute. Dass dann die ein-
heimischen, in der Holzsculptur geübten Bildschnitzer auch leicht
sich die Fertigkeit, in Stein zu arbeiten, aneignen konnten, liegt auf
der Hand. Wir müssen also, solange nichts Gegentheiliges erwiesen
ist, auch die , Werke dieser Gattung in die Lübecker Kunst ein-
schlicssen.
Leider ist auch von ihnen nichts bestimmt datirt und wir
müssen uns daher an die Merkmale halten, die sich bei der Holz-
sculptur und der Malerei offenbarten.
Demnach gehören in das erste Drittel des 15. Jahrhunderts
eine Reihe kleiner Figuren aus der früheren Burgkirche, welche jetzt
auf dem Catharinenchore aufwahrt werden (Taf. 10), und zwar die
5 klugen und 5 thörichten Jungfrauen,-) eine Anzahl von Aposteln8)
alle ungefähr 2/3 m hoch und ein Christus als Gärtner,4) ferner 3
grössere stark verletzte Figuren von 104—1 15 cm Höhe aus der
Burgkirche, ebendaselbst,5) nämlich zwei Mönche, vielleicht St. Do
minicus und St. Franciscus und eine heilige Jungfrau (Taf. 11),
welcher die Rechte, vermuthlioh mit einem Attribute, fehlt. Endlich
eine Pietas aus der Jaeobikirche (Taf. 11) ebenfalls dort8) und die
sechs unteren Statuen an der Westseite des Sängerchores der Ma-
rienkirche.
') Vgl. B. Nordhoff: Kunst- u. Geschichts-Dkm. d. Prov. Westfalen,
II S. u. S. 109. — Aus demselben Materiale sind auch die Sculpturen in der
Wiesenkirche zu Soest.
*) Catalog No. 48. s; Xo. 52. 4) No. 50. 6) No. 53 u. 54. 8) No. 46.
II)
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ebenfalls nicht seinen ständigen Wohnsitz dort hatte, sondern seine
Hauptwerke während des Aufenthaltes in Hamburg vollendete, wo
er auch im Alter blieb, so sind doch vielleicht die Holzmodelle
dazu von einem Lübecker gefertigt. Dafür spricht wenigstens, dass
sich ebenfalls im Dome, für welchen die Taufe gemacht wurde, ein
kleiner Schnitzaltar (Taf. 8) erhalten hat2), an dessen Baldachinen sich
dieselbe absonderliche Form der Kreuzblätter befindet mit den
knollenartig verdickten Blattenden, die bei andern Werken nicht
wiederkehrt, am Bogen des mittelsten Baidachines auch dieselben
kleinen Eckblättchen wie bei den Bogen der Taufe, endlich auch
manche Aehnlichkeiten in der Behandlung der Haare und der Ge-
wänder. Auch kann man sich leicht vorstellen, dass aus einer
Werkstatt, aus welcher Schnitzereien für den Dom hervorgingen,
ebenfalls die Modelle zu- der dortigen Taufe geliefert wurden.
Jedenfalls liegt es nahe, die Schnitzerei in dieselbe. Zeit zu
setzen wie die Taufe, also um die Mitte des Jahrhunderts. Hierfür
spricht ferner, dass jene zu den späteren Werken nicht gehören
wird wegen des schlichten Goldgrundes, des süsslichen Gesichts-
ausdruckes, des weichen Faltenwurfes, vor den älteren sich aber
auszeichnet durch die grössere Wahrheit der Gewandung wie auch
dadurch, dass hier bereits wie an der Taufe der wirkliche, etwas
Hache Eselsrücken in den Baldachinen angewandt ist, der sich bei
keinem der älteren Werke findet.
Nachdem auf diese Weise ein kleiner Anhaltspunkt für Figuren
der Mitte des Jahrhunderts gewonnen ist, können wir auch andere
Werke heranziehen, die wir ebenfalls werler den älteren noch jüngeren
beigesellen können, die jedoch diesem entsprechen. So der kleine
Schnitzaltar der Stecknitzfahrer im Dom mit der Madonna und zwei
weiblichen Heiligen, ferner zwei Madonnen auf dem Halbmonde,
mit dem Christkind im Arme in der Sammlung auf dem Catharinen-
chore No. 2336 a und b, welche sowohl im Gesichtstypus wie in
der Gewandung den beiden Altären sehr nahe stehen, unter sich
aber so gleich sind, dass sie ohne Zweifel beide derselben Hand
angehören.
Viel wichtiger aber als diese sind die im Nationalmuseum in
München aufbewahrten Figuren Christi, der Maria und der zwölf
Apostel 3) (Taf. 9), welche von Lübeck dorthin gebracht wurden
und ursprünglich aus der Nähe dieser Stadt, nämlich aus Mölln,
jedenfalls aus einem Altarschreine, stammen. Leider haben dieselben
dadurch, dass man sie in München ihres Kreide- und Farbe-Ueber-
zuges entkleidete, auch zugleich die feinere Modellirung des Ge-
sichtes und der Hände, die in den Kreidegrund hineingearbeitet
war, verloren. Obgleich aber die Köpfe dadurch den grössten Thei)
ihres Ausdruckes eingebüsst haben und die Augen geschlossen er-
scheinen, sieht man doch das Bemühen, sie mannigfaltig und zugleich
naturwahr zu bilden, was dem Meister auch theilweise sehr gut
gelungen ist. Auch sie gehören dem Vergleiche nach in diese Zeit '),
und wenn wir das Gemeinsame der oben genannten Werke den
früheren Einzelstatuen gegenüber zusammenfassen, so besteht dies
erstens in einer Abschwächung der gezierten Haltung, die zuweilen
') VergL Mitthoff: Künstler u. Werkmeister S. 117 unter Grave.- -
Mitth. a. Ver. f. H.imbg. Gesch. II. S. 35 ff.
■) Auf d. Altar am östlichen Nordpfeiler vor Beginn des Chores. Die
Mitte enthält einen Kitter, die Madonna und St. Catharina; die 12 Heiligenfiguren
der Flügel sind verloren gegangen.
") Vergl. Bode: Gesch. d. deutschen Plastik. S. lOli.
4) Vgl. den Petrus in München mit dem auf der Taufe im Dom, die drei-
eckigen Falten mit Einkerbung oberhalb des Gürtels hei den Aposteln Thaddäus
und Simon mit Keule und Säge mit dem Andreas auf der Taufe und dem Kitter
in dem Altar der Stecknitzfahrer.
schon ganz aufgegeben wird, zweitens in einer viel ungezwungeneren
Abwechselung von horizontalem und vertiealem Faltenwurf und,
drittens, wenigstens bei den besseren Werken, wie der Taufe und
den Aposteln, in einer naturwahreren Ausarbeitung der Köpfe; alles
drei Momente, welche das Abwenden von den conventioneilen Typen
und die Zuneigung zur Naturbeobachtuug offenbaren.
Doch wie verhält sich während dieser Zeit die Steinplastik?
Nachdem wir im 14. Jahrhundert kaum nennenswerthe Sculpturen
in diesem Materiale finden konnten, tritt uns seit 1400 plötzlich
eine ganze Zahl derselben entgegen und zwar sogleich in einer
Vollkommenheit, die uns in Verwunderung setzt. Das Material ist
fast durchweg ein feiner schwach gelblicher Sandstein und zwar
Baumberger Stein aus der Nähe von Münster, welcher in Westfalen
im 1;"). und 16. Jahrhundert ausserordentlich viel angewandt wurde.1)
Wir stehen daher vor der schwer zu lösenden Frage, ob die Sculp-
turen fertig nach Lübeck geschafft wurden, oder ob man sich die
Steinblöcke aus Westfalen verschaffte und sie in Lübeck bearbeitete.
Der letztere Fall wäre trotz des verhältnissmässig kostspieligen Land-
transportes niclit unmöglich, da es sich nicht um grosse Massen für
architectonische Zwecke, sondern nur um einzelne Stücke handelte.
Vielleicht werden weitere archivarische Forschungen hierüber Auf-
klärung bringen.
Am wahrscheinlichsten scheint mir, dass ebenso wie die Grund-
lagen zur Ausbildung der Malerei mit dem Strome der Bevölkerung
aus dem nordwestlichen Deutschland hergetragen wurden, auch die
feinere Steinsculptur von dort ihren Einzug hielt, und dass Einführung
des ATateriales und Einwanderung von Steinmetzen Hand in Hand
gingen. Hätten solche Meister nicht ihren Wohnsitz in Lübeck
gehabt, sondern in Westfalen, so wäre es z. B. merkwürdig, dass
von der gleich zu besprechenden Gruppe von Steinreliefs, die sich
in der Lübecker Gegend verbreitet hat, sich nicht ein einziges ähn-
liches in Westfalen nachweisen Hess. Und dass wir von Anfang an
eine entwickelte Technik gewahren, spricht andererseits dafür, dass
man die Verfertiger dieser Werke aus einer Gegend holte, wo die
Steinsculptur sich einer älteren Pflege erfreute. Dass dann die ein-
heimischen, in der Holzsculptur geübten Bildschnitzer auch leicht
sich die Fertigkeit, in Stein zu arbeiten, aneignen konnten, liegt auf
der Hand. Wir müssen also, solange nichts Gegentheiliges erwiesen
ist, auch die , Werke dieser Gattung in die Lübecker Kunst ein-
schlicssen.
Leider ist auch von ihnen nichts bestimmt datirt und wir
müssen uns daher an die Merkmale halten, die sich bei der Holz-
sculptur und der Malerei offenbarten.
Demnach gehören in das erste Drittel des 15. Jahrhunderts
eine Reihe kleiner Figuren aus der früheren Burgkirche, welche jetzt
auf dem Catharinenchore aufwahrt werden (Taf. 10), und zwar die
5 klugen und 5 thörichten Jungfrauen,-) eine Anzahl von Aposteln8)
alle ungefähr 2/3 m hoch und ein Christus als Gärtner,4) ferner 3
grössere stark verletzte Figuren von 104—1 15 cm Höhe aus der
Burgkirche, ebendaselbst,5) nämlich zwei Mönche, vielleicht St. Do
minicus und St. Franciscus und eine heilige Jungfrau (Taf. 11),
welcher die Rechte, vermuthlioh mit einem Attribute, fehlt. Endlich
eine Pietas aus der Jaeobikirche (Taf. 11) ebenfalls dort8) und die
sechs unteren Statuen an der Westseite des Sängerchores der Ma-
rienkirche.
') Vgl. B. Nordhoff: Kunst- u. Geschichts-Dkm. d. Prov. Westfalen,
II S. u. S. 109. — Aus demselben Materiale sind auch die Sculpturen in der
Wiesenkirche zu Soest.
*) Catalog No. 48. s; Xo. 52. 4) No. 50. 6) No. 53 u. 54. 8) No. 46.
II)
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