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Wurde die Kenntniss Lübecker Arbeit schon hierdurch den
Fremden vermittelt, so wurde dieselbe durch directe Uebersiedelung
Lübecker Familien in die noch jungen Culturgebiete bedeutend ge-
fördert, besonders die russischen Ostseeprovinzen verdanken, was
die bildenden Künste anbetrifft, sehr viel der Stadt Lübeck. Schon
im Jahre 1276 wird mit den München in Riga über die Herstellung
einer Altartafel Correspondenz geführt.') Im 15. Jahrhundert finden
wir mehrfache Bestellungen nach Lübeck, daneben allerdings auch
solche über : Lübeck aus Westen« wie der Schwarzhäupteraltar von
1495 in Reval. a) Sonst aber stammen die bedeutenderen, noch
jetzt erhaltenen Schnitzaltäre Revals jedenfalls aus Lübeck selbst,
denn derjenige der Nicolaikirche 8) zeigt auf dem einen Flügelbilde
eine Ansicht dieser Stadt, derjenige in der Heil. Geist-Kirche4)
von Meister Jiernt Notice 1484 wird durch die Ansässigkeit dieses
Malers in Lübeck ebenfalls hierher verwiesen. Ferner soll die
Zunftrolle der Rigaer Goldschmiede von 1360 eine Nachbildung
der betreffenden Lübecker Innung sein 5), und es findet sich dort
auch eine Reihe von Goldschmiedearbeiten mit dem Lübecker
Beschauzeichen r'). Wie dieser Einfluss noch das IG. Jahrhundert
hindurch fortbestand, zeigt der Todtentanz in der Revaler Nicolai-
kirche, welcher mit ganz geringen Abweichungen eine Copie aus
dem Ende des 16. Jahrhunderts nach dem älteren Todtentanze der
Lübecker Marienkirche aufweist. ')

Ebenso fanden auch in Dänemark Lübecker Kunstwerke Auf-
nahme. Im Jahre 1456 wendet sich der König Christian I. durch
ein Schreiben an den Rath von Lübeck, dass die Dominicaner des
Klosters Nestvede in Seeland sich bei ihm beklagt hätten, weil die

!) Vergl. oben S. 4, Spalte 1 ü. Altpreuss. Monatsschrift. Neue Folge.
Bd. X. 1873. S. 259.

a) Vergl. F. Amelung: Revaler Alterthümer. 1884. S. 45 u. 54. —
TT. Neumann: Grundr. einer Gesch. d. bild. Künste in Liv-, Est- u. Kurland.
Reval 1887. S. 101.

n) Newnann a. a. O. S. 86. — Gotthard v. Hannen: Die Kirchen und
Kloster Revals. Reval 1885. S. 31 ff.

4) Vergl. Neumann a. a. O. S. 83. — Hansen a. a. O. S. 08 ff.

5) Vergl, C. Mettig' Zur Gesch. der Riga'schen Gewerbe im 13. ü. 14.
Jahrh. 1883. S. 26 ff.

°) Vergl. Neumann a. a. (). S. 106.
7) Abbildung bei Neumann. S. 142.

grosse Altartafel, welche dieselben bei dem Lübecker Maler Hans
Baclcmester bestellt, so lange auf sich warten Hesse. Um 1480
schmückt der Lübecker Meister Bernt Nothe durch seine Werke die
Domkirche in Aarhus, wohin ihn der Bischof Jens Jversen Lange
berufen hatte. Am Anfange des 16. Jahrhunderts, nachdem die
Königin Christine von Dänemark 1503 Lübeck besucht hatte,
siedelte auf ihren Wunsch der aus einer vornehmen Familie stam-
mende Claus Berg nach Dänemark über und nahm 12 tüchtige
Gesellen aus seiner Heimath mit sich. Sie gründeten dort eine
Werkstatt, aus welcher vor Allem der grosse Altarschrein von Odense,
jetzt in der dortigen Knudskirche, hervorging, welcher aber ferner
auch das grosse Triumphkreuz in der Franziskanerkirche ebendaselbst,
die Schnitzaltäre in Sanderum bei Odense und in Wittstock x), endlich
auch ein grosses Crucifix in der Kirche von Sorö z) ihre Entstehung
verdanken sollen.

Schweden bezog ebenfalls Werke aus Lübeck; der grosse
Altarschrein der Hauptkirche Stockholms wurde 1468 in Lübeck
verfertigt 3), 1455 wurden hier 4 Mark bezahlt für eine Tafel für
die Stadtkirche in Jönköping 4) und 1471 führte der Lübecker
Johannes Stenrat einen Altarschrein für die Kirche in Bälinge in
Uppland aus. Endlich findet sich im Stockholmer historischen
Museum eine Anzahl Schnitzaltäre aus verschiedenen Kirchen, welche
völlig mit Lübecker Arbeiten übereinstimmen.

Den Abschluss möge noch ein Contract bilden aus fernerem
Norden, nach welchem die Lübecker Maler Berthold und Johann
von Stenvorde 1436 den Predigermönchen in Drontheim eine Altar-
tafel zu liefern haben.

Aus dieser beträchtlichen Reihe von Beispielen bei einer ver-
hältnissmässig sehr kärglichen Ueberlieferung geht hervor, dass die
Bedeutung der Stadt Lübeck bei der Betrachtung der baltischen
Kunst nicht unterschätzt werden darf.

*) Vergl. Münzcnbergcr: Altäre. VI. S. 133 ff.

-) Nach Milde: Manuscr. Uber den Altar in Odense, in der Stadtbibliothek
in Lübeck.

3) Vergl. oben S. 14.

') H. Hildebrand: Bidrag tili Svenska Medeltidens Konsthistoria i. Anti-
quarisk Tidskvift för Sverige. III. pg. 159.

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