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Burchard von Seriem und Johann von Mul (1341 —1350) im
Dome, des Rathsherrn Johann Klingenberg in St. Petri (f 1350)
und viele, welche uns nur in Beschreibungen überliefert sind, ge-
hören, wie genügend nachgewiesen ist l), Flandern als Heimathsland
an, ebenso jedenfalls das Grabmonument mit der lebensgrossen
liegenden Figur des Bischofs Heinrich von Bocholt (f 1341) im
Dome "), und nur einige viel schwächere Nachahmungen wie die
Grabplatte des Bruno Warendorp (f 1369) in St. Marien, und des
Bischofs Bertram Cremon (f 1377) im Dome sind vielleicht ein-
heimischen Meistern zuzuschreiben.3) Auch die grösseren Werke
anderer Art wie Glocken und Taufbecken scheinen nicht eine Frucht
Lübecker Kunst zu sein. Sind auch nachweislich Giesserwerkstätten
dort vorhanden gewesen, so hat man sich doch wohl auf die Her-
stellung kleinerer, meist dem praktischen Gebrauche dienender Gegen-
stände beschränkt und die Vollendung kunstreicherer Werke geübteren
A'Ieistem überlassen, welche, wie es nach den bisherigen, noch un-
zureichenden Untersuchungen scheint, von Sachsen wie von den
Niederlanden aus Wanderungen antraten, sich in Orten, wo man
ihrer Kunst für besondere Werke bedurfte, niederliessen, sich eine
der Giesserwerkstätten aneigneten und dann, wenn sie ihren Zweck
dort erfüllt, wieder weiterzogen.

So stammt das einzige aus dieser Zeit erhaltene Lübecker
Taufbecken von 1337 in der Marienkirche von dem Frzgiesser
Hans Apengheter »van Sassenland« 4). Dieser aber scheint nach
den überlieferten Daten r') aus Colberg eingezogen, ungefähr 10 Jahre
in Lübeck geblieben und dann nach Kiel weiter gewandert zu sein.
Dass bei solchen zeitweiligen Aufenthalten die Kenntniss einzelner
technischer Fertigkeiten hinterlassen und somit auch die Giesser
der verschiedenen nordischen Plätze allmählig zu selbstständigen
Leistungen herangebildet wurden, ist sicher anzunehmen.

Es bleiben also für die frühe Zeit Stuck und Holz bestehen
als die der Heimath eigenthümlichsten Stoffe und Lübeck wird dies
wohl mit einem grossen Theile der baltischen Küste theilen.(;)

Die Alterthümersammlung auf dem Chore der Catharinenkirche
weisst uns eine Reihe von Stuckfiguren 7), welche sich bis zum Jahre
1800 an den Wänden der Bergenfahrercapelle in St. Marien befanden.
Leider hat das traurige Schicksal, welches sie von dieser Zeit an
bis 1840 als Fundamentsteine einer Garteneinfassung unter die Erde
verbannte, den Zustand ihrer Erhaltung nicht verbessert. Durch die
Weichheit des Materiales ist Vieles zerbrochen, abgestossen, flach ge-
rieben und die Farbe bis auf wenige Ueberbleihsel geschwunden.
Doch scheinen immerhin die rothen, blauen, gelben, grünen und
goldenen Farbspuren noch von der ursprünglichen Bemalung herzu-
rühren.

Es sind im Ganzen 16 Figuren, worunter die 12 Apostel
(Taf. 4), 84 cm hoch, welche auf einem Throne mit hoher Rück-
lehnc sitzen und in den Händen ein Buch, eine Schriftrolle oder

1) Vergl. W. Brehmer a. a. O. — Creeny. Facsimilies of the Monu-
mental Brasses on the Continent. — Abbildung auch bei Milde & Deecke.
Denkmäler bildender Kunst in Lübeck. lieft I. 1843.

2) Abbildung bei Hach, Dom zu Lübeck.
:)) Brehmer a. a. O.

*) Vergl. Th. Bach: Zur (icsch. d. Erzgiesskunst i. Reperl. f. Kunstw.
IV. S. 178 ff. u. Mithoff: Künstler u. Werkmeister, 2. Aull. S. 18.
'") Hach a. a. O.

°) Nähere Untersuchungen hierüber liegen noch nicht vor, doch finden
sich grosse Statuen in Stuck aus dem 14. Jahrhundert auch weiter östlich wie
z. B. in der kathol. Pfarrkirche in Kulm (vergl. d. Bau- u. Kunstdkm. Westpreussens
lieft V. S. 52), in Stralsund u. in Marienburg (vergl. Münzenberger: Altäre III.
S. 58 und Steinbrecht: Untersuchung*- und Wicderherstellungs - Arbeiten am
Hochscbloss der Marienburg i. Centraiblatt der Bauverwaltung 1885).

') Catalog der Culturhistorischen Sammlung. Xo. 120G a—q.

auch Attribut halten, ausserdem zwei ebenso thronende Engel, welche
die Marterwerkzeuge tragen und endlich Christus und Maria (Taf. 4),
ersterer allerdings nur im Unterkörper erhalten. Die beiden letzteren
sind in den Maassen etwas grösser als die übrigen Figuren, sitzen
auf einem Sessel ohne Lehne und lassen durch die seitwärts gerichtete
Stellung der betenden Maria und die ihr entgegengewandte Gestalt
Christi deutlich auf die dargestellte Scene der so oft in dieser Weise
gebildeten Krönung der Maria (oder, wie sie meist richtiger heissen
sollte, Fürbitte der Maria) schliessen. Dieselben unterscheiden sich
auch im Faltenwurfe bedeutend von den übrigen. Während die
Gewänder der Apostel und Engel sich zum grossen Theile in un-
bestimmten, unruhigen Falten bewegen und an den Säumen oft wie
umgelegt und dann zusammengedrückt erscheinen, fallen bei Christus
und Maria die Falten gleichmässig und ununterbrochen in weichen
Biegungen zur Erde. Dies deutet darauf, dass die letzteren jünger
sind und wohl in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts fallen,
während wir die übrigen in den Anfang rechnen müssen. In der
Maria wird uns eine Figur vorgeführt, welche dem Kreise angehört,
den man im übrigen Deutschland als frühgothisch bezeichnet, mit
kleinem Kopfe, langem dünnem Körper und weichen Längsfalten in
der Gewandung; in den Aposteln dagegen treffen wir noch die
romanischen Formen des Thrones und der Gewänder und die alter-
thümliche Haltung an, doch sprechen gegen ein höheres Alter als
den Anfang des 14. Jahrhunderts die Reste einer in Minuskeln ab-
gefassten Inschrift an der Vorderseite der Fussplatte eines der Apostel.
Dass die letztere von Anfang an für eine Inschrift bestimmt war
ist daraus ersichtlich, dass sie allein vorne glatt gearbeitet ist,
während sich an allen übrigen ein Ornament in Relief befindet,
Nur wenige Buchstaben . . . lus (tus?) sedet . . . sind jedoch
lesbar. Auch wurde die ganze Marienkirche erst am Schlüsse des
13. Jahrhunderts nach dem völligen Niederbrand wieder aufgerichtet.

Für die Bergenfahrercapelle können diese Figuren nicht von
vorneherein bestimmt gewesen sein, da diese erst im Anfange des
15. Jahrhunderts erbaut wurde, während derselbe Raum vor dieser
Zeit den Haupteingang zwischen den Thürmen bildete. Es mag sein,
dass die Apostel früher an den Seitenwänden dieser Eingangshalle
oder auch an den Pfeilern des Kirchenschiffes und die Figuren
Christi und der Maria an einem Aussen- oder Innen-Pörtale ange-
bracht waren. Vielleicht geben hierüber spätere Nachforschungen
genaueren Aufschluss. ')

Was nun die Holzsculpttiren des 14. Jahrhunderts anbetrifft,
so stehen am Anfange die verschiedenen Gestühle, welche der Bischof
Heinrich Bocholt (1317—1341) fertigen Hess, wie der dreitheilige
Sitz im Dom 2) und die Bruchstücke No. 57 auf dem Catharinen-
chore mit phantastischen Thiergestalten; ferner wohl um die .Mitte
des Jahrhunderts das Gestühl an der Westseite des Hochchores im
Dome, an dem sich eine Reihe alttestamentlicher Vorbilder zur Pas-
sion Christi befinden. Die Köpfe sind klein und rundlich, das Haar
der Männer lang und lockig, der Gesichtsausdruck sanft lächelnd,
die Gewandung weich.

Demzunächst ist der kleine Altar in der Brömsencapelle des
Domes zu setzen, den wir schon seiner Malerei wegen in die Nähe
des Grabower Altares von 1379 stellten, der aber in der Sculptur
seines Inneren, einer Darstellung der Kreuzigung Christi durch alle-
gorische Frauengestalten, den vorgenannten älteren Sculpturen noch
näher steht als dem Grabower Altar.

x) Im Protocollbuch der Hergenfahrer von 1409 (Manuscript in der Stadt-
bibl. in Lübeck) werden diese Figuren nicht erwähnt.

*) Abbildung bei Hach: Der Dom zu Lübeck. Taf. XII.

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